TE OGH 1992/10/29 8Ob510/91

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Veröffentlicht am 29.10.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Oberstudienrat Bruno P*****, vertreten durch Dr.Eduard Saxinger und Dr.Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Ferdinand P***** 2. Maria N*****, 3. Erich P*****, 4. Johann P*****, und 5. Elisabeth P*****, alle *****, alle vertreten durch Dr.Walter Mörth, Rechtsanwalt in Linz, wegen Räumung bzw. Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 20. Juni 1990, GZ 19 R 109/90-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 27. November 1989, GZ 8 C 2912/88d-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

1.) Die Revisionsbeantwortung des Drittbeklagten wird zurückgewiesen.

2.) Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden derart abgeändert, daß das Urteil zu lauten hat:

Die beklagten Parteien sind schuldig, die im Parterre des Hauses *****, K*****straße *****, gelegenen Räumlichkeiten, nämlich ein Geschäftslokal, einen Arbeitsraum, zwei Kühlräume, eine Selche, einen Schupfen mit Eisgrube, zwei Kellerräume, einen Heuboden, den Hof und den links vom Haupteingang gelegenen Nebenraum, zu räumen und dem Kläger binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben.

Die beklagten Parteien sind weiters zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 26.278,30 bestimmten Kosten des Rechtsstreites (einschließlich S 3.250,-- Barauslagen und S 3.838,06 Ust.) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus K*****straße ***** in *****. Ferdinand P***** sen., der Bruder des Klägers und Vater der beklagten Parteien, war ebenfalls Hälfteeigentümer dieser Liegenschaft. Ihm war in einem Vergleich über die Benützung der Liegenschaft im Zuge des nach dem Tode des gemeinsamen Vaters geschlossenen Erbübereinkommens vom 18.3.1952 - damals wurden die Brüder je zu einem 1/4 Miteigentümer, nach dem Tode ihrer Mutter Amalia P***** erwarb jeder ein weiteres Viertel - das Recht eingeräumt worden, die im Parterre des Hauses gelegenen Räumlichkeiten, nämlich ein Geschäftslokal, einen Arbeitsraum, zwei Kühlräume, eine Selche, einen Schupfen, zwei Kellerräume und einen links vom Haupteingang gelegenen Raum, auf Lebensdauer ohne Leistung eines Entgeltes zum Betrieb seines Fleischhauereigeschäftes oder zu irgendeinem anderen ihm passenden Zweck zu verwenden. Darüberhinaus verwendete Ferdinand P***** sen. seit diesem Zeitpunkt den auf der Liegenschaft befindlichen Heuboden und den Hof als Teil des ehemaligen Fleischhauereibetriebes mit; der Kläger war von der Benützung des Heubodens und des Hofes stets ausgeschlossen. Etwa um das Jahr 1976 hat Ferdinand P***** sen. das Fleischhauereigeschäft aufgegeben. Seine Ehefrau hat danach noch 3 Jahre in diesen Räumlichkeiten Fleischereiwaren und sonstige Lebensmittel verkauft und dann aus gesundheitlichen Gründen das Geschäft aufgegeben. Dann blieben die Räumlichkeiten unbenützt, weil sich kein geeigneter Mieter fand. Es kam allerdings zu Teilvermietungen, aber die einzelnen Mietverhältnisse wurden zwischenzeitig wieder beendet. Der Kläger hat des öfteren mit seinem Bruder und mit dem Erstbeklagten darüber gesprochen, daß die Räumlichkeiten vermietet werden sollten. Hiezu ist es aber vorerst nicht gekommen, weil Ferdinand P***** sen. befürchtete, er könne seine Pension verlieren. Gelegentlich auftretende Mietinteressenten wurden vom Kläger, wie er in seiner Parteienvernehmung selbst bekundete, an seinen Bruder verwiesen. Am 9./15./22.4.1988 hat der durch seine Ehefrau Gertraude P***** vertretene Ferdinand P***** sen. mit den beklagten Parteien, seinen Kindern, einen Mietvertrag über die im Vergleich vom 19.3.1952 aufgezählten Räumlichkeiten sowie über den Heuboden und den Hof abgeschlossen. Ferdinand P***** sen. ist am 3.5.1988 verstorben. Alleinerbin nach Ferdinand P***** sen. war dessen Ehefrau Gertraude P*****, die nunmehr Hälfteeigentümerin der Liegenschaft ist.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der beklagten Parteien zur Räumung sämtlicher oben genannten Räumlichkeiten und in eventu die Feststellung, daß ihnen an diesen Räumen keine Mietrechte zustehen; hiezu brachte er vor:

Bei Abschluß des Mietvertrages vom 9./15./22.4.1988 sei Ferdinand P***** sen. kaum mehr geschäftsfähig gewesen. Es handle sich dabei überhaupt um ein Scheingeschäft, das nur den Sinn haben sollte, den beklagten Parteien das Verfügungsrecht über die Räumlichkeiten zu sichern. Ferdinand P***** sen. sei weder auf Grund der getroffenen Benützungsregelung noch in seiner Eigenschaft als Hälfteeigentümer berechtigt gewesen, einen derartigen Mietvertrag abzuschließen. Der Mietvertrag sei nicht wirksam zustandegekommen, weil er nicht von der Mehrheit der Miteigentümer abgeschlossen worden sei, und er, der Kläger, habe hiezu keine Zustimmung erteilt, sodaß ihm ein Räumungsanspruch gegen die Beklagten zustehe.

Gertraude P***** hat als Hälfteeigentümerin der Klageführung des Klägers gegen die beklagten Parteien nicht zugestimmt.

Die beklagten Parteien beantragten die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, der Kläger sei alleine nicht klagelegitimiert und habe mangels Zustimmung der Miteigentümerin Gertraude P***** kein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß ihnen den Beklagten, keine Mietrechte zustünden. Ferdinand P***** sen. habe den Mietvertrag in Ausübung des ihm auf Grund des Erbübereinkommens vom 19.3.1952 zustehenden Rechtes, die ihm zugewiesenen Räumlichkeiten zu einem ihm passenden Zweck zu verwenden, abgeschlossen. Wenngleich der Heuboden und der Hof im Erbübereinkommen nicht als Teil des Fleischhauereigeschäftes angeführt gewesen seien, so hätten sie doch einen Teil des Fleischhauereigeschäftes gebildet und seien von Ferdinand P***** sen. unter Ausschluß des Klägers benützt worden. Ferdinand P***** sen. sei im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages geschäftsfähig gewesen. Der Kläger habe dem Mietvertrag überdies stillschweigend zugestimmt. Letztlich sei das Klagebegehren auch deshalb nicht berechtigt, weil sie, die Beklagten, die Räumlichkeiten mit ausdrücklicher Zustimmung der Miteigentümerin Gertraude P***** benützten. Hilfsweise brachten die Beklagten vor, daß nach dem Willen der Vertragsparteien und nach dem Inhalt des Mietvertrages sämtliche Mieterschutzbestimmungen, insbesondere auch jene des Kündigungsschutzes nach § 30 MRG, auf das Vertragsverhältnis anwendbar sein sollten.

Das Erstgericht wies sowohl das Räumungsbegehren als auch das Feststellungsbegehren ab. Es traf noch folgende weitere Feststellungen:

Zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses befand sich Ferdinand P***** sen. bei gutem geistigen Zustand. Entsprechend dem Mietvertrag begann das Mietverhältnis am 1.5.1988. Es wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. An Miete wurde "symbolisch" ein Betrag von S 1,-- im Monat vereinbart. Die Betriebskosten und öffentlichen Abgaben haben die Beklagten zu tragen. Der Kläger hat spätestens mit Schreiben vom 23.10.1988 von dem zwischen Ferdinand P***** sen. und den Beklagten abgeschlossenen Mietvertrag Kenntnis erlangt. Die Beklagten haben die Miete und Betriebskosten bis November 1988 an Gertraude P***** bezahlt; ob sie die Miete an den Kläger weiterleitete, steht nicht fest. Der Kläger hat die an ihn geleisteten Mietzinszahlungen den Beklagten rücküberwiesen. Gertraude P***** bekennt sich zum Inhalt des Mietvertrages und wünscht, daß er rechtswirksam bleibe.

In seiner rechtlichen Beurteilung bejahte das Erstgericht die Rechtswirksamkeit des gegenständlichen Mietvertrages. Der Umstand, daß Ferdinand P***** sen. ein auf Lebensdauer beschränktes Recht zur Weitergabe gehabt habe, hindere die Wirksamkeit des Mietvertrages nicht, weil nicht auszuschließen sei, daß seine Rechtsnachfolger ihn weiterhin erfüllen könnten. Ein Scheingeschäft liege nicht vor, weil Ferdinand P***** sen. ohnehin nur jene Rechte weitergegeben haben könne, die ihm selbst zugestanden seien, und im Familienkreis die Vereinbarung symbolischer Mieten auch nicht unüblich sei. Dem Kläger fehle ein seinen behaupteten Herausgabeanspruch begründender Rechtstitel, denn die Beklagten leiteten ihr Recht von Ferdinand P***** sen. bzw. seiner Rechtsnachfolgerin und nunmehrigen Hälfteeigentümerin Gertraude P***** ab, der gegen den Kläger keine Herausgabeklage zustehe. Das Feststellungsbegehren sei zwar zulässig, weil auch der Minderheitseigentümer den titellosen Benützer einer Wohnung gegen den Willen der anderen Miteigentümer auf Räumung klagen könne, er sei aber aus den zum Räumungsbegehren angeführten Gründen nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß die Revision zulässig ist. Es verwies auf die Rechtsprechung, nach der ein Hälfteeigentümer gleich dem Minderheitseigentümer den titellosen Benützer auf Räumung klagen und die auf die Behauptung titelloser Benützung gestützte Räumungsklage des einen Hälfteeigentümers daher ohne Zustimmung des zweiten Hälfteeigentümers erhoben werden könne, hielt die vorliegende Klage aber nicht für gerechtfertigt. Mietverträge könnten von der Mehrheit der Miteigentümer im Rahmen der ordentlichen Verwaltung geschlossen werden; ein vom bloßen Hälfteeigentümer mit einem Dritten geschlossener Mietvertrag sei nur im Verhältnis zwischen den Vertragsbeteiligten, nicht aber gegenüber den anderen Hälfteeigentümer verpflichtend. Demgemäß besitze der Hälfteeigentümer gegen denjenigen, der das Haus oder Teile desselben ohne seine Zustimmung nur auf Grund eines mit dem anderen Hälfteeigentümer abgeschlossenen Mietvertrages benütze, einen Räumungsanspruch. Dem Kläger sei der Abschluß des Bestandvertrages zwischen Ferdinand P***** sen. und den Beklagten im Oktober 1988 bekannt geworden. Eine ausdrückliche Zustimmung des Klägers sei nicht behauptet worden und ausreichende Anhaltspunkte für seine stillschweigende Zustimmung seien nicht erwiesen, zumal er bereits am 21.12.1988 die Räumungsklage erhoben habe. Der Kläger sei daher grundsätzlich berechtigt, von den Beklagten die Räumung des Bestandobjektes zu verlangen, sofern nicht die streitgegenständlichen Räumlichkeiten Ferdinand P***** sen. gemäß § 828 ABGB zum ausschließlichen Gebrauch überlassen worden seien. Das Erstgericht habe zutreffend erkannt, daß es im vorliegenden Falle entscheidend darauf ankomme, ob Ferdinand P***** sen. auf Grund einer mit dem Kläger ausdrücklich oder stillschweigend getroffenen Benützungsregelung berechtigt gewesen sei, mit Wirkung für diesen eine Mietvereinbarung der Art zu treffen, wie er sie mit den Beklagten getroffen habe. Hinsichtlich der im Vergleich vom 19.3.1952 angeführten Räumlichkeiten sei Ferdinand P***** sen. berechtigt gewesen, sie auf Lebensdauer ohne Leistung eines Entgeltes zum Betrieb seines Fleischhauereigeschäftes oder zu irgendeinem anderen ihm passenden Zweck zu verwenden. Damit liege bezüglich dieser Räume eine Benützungsregelung gemäß § 828 ABGB vor, auch wenn der Kläger und Ferdinand P***** sen. zum damaligen Zeitpunkt noch nicht Hälfteeigentümer der Liegenschaft gewesen seien. Mit dieser Vereinbarung sei Ferdinand P***** sen. nicht nur das Recht der alleinigen Benützung der Räume, sondern ausdrücklich auch das Recht eingeräumt werden, über diese Räume nach eigenem Gutdünken zu verfügen, ohne hiezu der Zustimmung des Klägers zu bedürfen. In dieser Vereinbarung habe das Erstgericht zutreffend nicht bloß eine Zuweisung zum Gebrauche, sondern die Ermächtigung erblickt, die Räume auch mit Wirkung für den Kläger zu vermieten. Diese inhaltlich unbeschränkte Verfügungsmacht müsse nämlich einer auch zur Vermietung mit Wirkung für die Gesamtheit der Liegenschaftseigentümer berechtigenden Verwaltungsvollmacht gleichgehalten werden. Es erscheine nicht entscheidend, daß die vertraglich begründete Berechtigung Ferdinand P***** sen. auf Lebensdauer eingeräumt worden sei, weil sie im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages jedenfalls aufrecht gewesen sei. So wie beim Fruchtgenuß der Eigentümer nach Beendigung des Fruchtgenußrechtes in die vom Fruchtnießer abgeschlossenen Mietverträge eintrete und diese Verträge daher erst auf Grund einer Aufkündigung erlöschen, so sei auch hier davon auszugehen, daß der von Ferdinand P***** sen. geschlossene Mietvertrag das Erlöschen seines Benützungsrechtes überdauere, weshalb der Kläger den bestehenden Bestandvertrag gegen sich gelten lassen müsse. Hof und Heuboden seien von der Vereinbarung vom 19.3.1951 nicht umfaßt, als Teil des ehemaligen Fleischhauereibetriebes von Ferdinand P***** sen. aber von Anfang an unter Ausschluß des Klägers und mit dessen Wissen mitverwendet worden. Insoweit sei durch den fast 40-jährigen ungehinderten Alleingebrauch dieser Objekte durch Ferdinand P***** sen. stillschweigend eine Benützungsregelung zustandegekommen; unter diesen Umständen sei er zur Vermietung auch dieser Räumlichkeiten berechtigt gewesen. Der Mietvertrag stelle auch kein Scheingeschäft dar, da er von den Vertragsparteien jedenfalls gewollt gewesen sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrage, in Abänderung der vorinstanzlichen Urteile dem Klagebegehren stattzugeben. Der Revisionswerber führt dazu aus: Selbst dann, wenn das zwischen ihm und dem Vater der Beklagten abgeschlossene Erbübereinkommen eine Benützungsregelung gemäß § 828 ABGB enthalte, mangle es doch jedenfalls an einer Verwaltungsvollmacht zum Abschluß von Mietverträgen namens der Miteigentümergemeinschaft. Keineswegs habe der Vater der Beklagten nach Gutdünken über die Räumlichkeiten verfügen, sondern die Räume stets nur im Sinne eines persönlichen Gebrauches verwenden dürfen, wie dies aus der Einräumung des Benützungsrechtes auf Lebenszeit hervorgehe. Zufolge dieser Beschränkung auf Lebenszeit könne die getroffene Benützungsregelung auch nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen. Die Berechtigung des Vaters der Beklagten sei also eine zeitlich eingeschränkte gewesen, sodaß er über seine Lebenszeit hinaus nicht über die Räume habe disponieren dürfen. Sein Benützungsrecht gebe also den Beklagten kein Recht auf Weiterbenützung. Durch den gegenständlichen Mietvertrag würde die Einschränkung des Benützungsrechtes umgangen und den Beklagten über den Tod des Vaters hinaus eine unentgeltliche Benützung gesichert.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und gerechtfertigt.

Im Rahmen des im Jahre 1952 im Verlassenschaftsverfahren nach Ferdinand P***** sen. zwischen dem Kläger und dem Vater der Beklagten sowie deren Mutter, der Witwe Amalia P*****, abgeschlossenen Erbübereinkommens (Beilage ./2) trafen diese drei künftigen Miteigentümer der Liegenschaften des Erblassers, - Kläger und Vater des Beklagten je zu einem Viertel, deren Mutter weiterhin zur Hälfte - ua. "bezüglich der Benützung der Liegenschaft EZ *****" eine vergleichsweise Regelung, nach deren Punkten II 3 abc in dem auf der Liegenschaft befindlichen Gebäude jedem der drei Miteigentümer Wohnungen zur unentgeltlichen Alleinbenützung zugewiesen wurden. Gemäß Punkt II 1 des Vergleiches wurde vereinbart, daß hinsichtlich "sämtlicher zum erbl. Fleischereigeschäft gehörenden Räumlichkeiten" der Vater der Beklagten berechtigt sein sollte, sie "auf Lebenszeit ohne Leistung eines Entgelts zum Betrieb seines Fleischhauereigeschäftes oder zu irgendeinem anderen ihm passenden Zwecke zu verwenden". Bis zum Jahre 1976 führte der Vater der Beklagten das Fleischereigeschäft, das im Jahre 1979 endgültig eingestellt wurde.

Nach dem Wortlaut des Vergleichspunktes II/1, von dem auszugehen ist, handelt es sich bei dieser Zuweisung der Geschäftsräumlichkeiten - anders als bei jener der Wohnungen - zur Alleinbenützung durch den Vater der Beklagten "auf Lebenszeit" um eine zeitlich beschränkte Benützungsvereinbarung. Eine Beschränkung der Verfügungsmacht des Alleinbenützungsberechtigten (vgl. SZ 42/126) derart (vgl. MietSlg 26.051; 7 Ob 665/78; Würth in Rummel ABGB2 Rz 8, 9 zu §§ 1092-1094), daß er keine über seinen Tod und damit den Bestand seines eigenen Rechtes hinausgehenden Benützungsrechte an der Sache begründen dürfe, sodaß das Ende eines von ihm geschlossenen Bestandvertrages nicht kalendermäßig, sondern mit seinem Tode bestimmt sein müßte, wäre nach dem ABGB zulässig (vgl. Würth aaO Rz 3 zu § 1113; 4 Ob 556/90 = WoBl 1991, 73, 75), für den Bereich des MRG aber unzulässig (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht2 Rz 3 und 10 zu § 29 MRG; WoBl 1991, 75). Eine derartige Abrede würde die Verwertungsmöglichkeiten durch den Benutzungsberechtigten stark einengen. Sie stünde hier mit der weiteren Vereinbarung, daß der Vater der Beklagten die Räumlichkeiten des Fleischereigeschäftes "auch zu irgendeinem anderen ihm passenden Zwecke zu verwenden" berechtigt ist, zweifellos in Widerspruch.

Es bedarf aber keiner weiteren diesbezüglichen Urkundenauslegung - eine bestimmte Parteienabsicht wurde nicht behauptet -, weil der Abschluß von Bestandverträgen durch den Vater der Beklagten vom Kläger als zweiten Hälfteeigentümer jedenfalls genehmigt worden war. Es steht nämlich fest, daß es nach Einstellung des von den Eltern der Beklagten geführten Fleischereigeschäftes zur (teilweisen) Vermietung der früher diesem dienenden Räumlichkeiten allein durch den Vater der Beklagten kam und daß der Kläger mit dem Vater der Beklagten und auch mit dem Erstbeklagten des öfteren darüber gesprochen hat, daß die Räumlichkeiten vermietet werden sollten. Insbesondere gab der Kläger in seiner Parteienvernehmung ON 13 AS 47 f selbst an, daß er gelegentlich bei ihm auftretende Mietinteressenten an seinen Bruder verwiesen habe, weil nur dieser über die Räumlichkeiten habe verfügen können. Damit hat der Kläger dem Vater der Beklagten aber zweifellos schlüssig das Recht auch zur Vermietung dieser Räumlichkeiten zugestanden und Abschlußvollmacht erteilt. Der Vater der Beklagten war daher grundsätzlich auch zum Abschluß von Hauptmietverträgen über die gegenständlichen Räumlichkeiten berechtigt. Damit ist aber für die Beklagten dennoch nichts gewonnen:

Gemäß § 1090 ABGB heißt der Vertrag, "wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, Bestandvertrag". Dieser Vertrag kommt nach der Anordnung des § 1094 ABGB dann zustande, wenn "die vertragschließenden Teile über das Wesentliche des Bestandvertrages, nämlich über die Sache und den Preis übereingekommen" sind; der Gebrauch einer Sache ist sodann als "gekauft anzusehen". Der Bestandvertrag kommt als Konsensualvertrag demnach mit der Willenseinigung über den Bestandgegenstand und den Bestandzins zustande (MietSlg 26.077, 27.141 ua).

Das Wesen des Bestandvertrages besteht somit in der Überlassung des Gebrauches einer Sache gegen Entgelt. Als solches kann grundsätzlich jede Gegenleistung gelten, wenngleich sie in der Regel in Geld besteht (Würth aaO Rz 17 zu § 1092-1094 ABGB). Der Unentgeltlichkeit steht es gleich, wenn bloß ein symbolischer Anerkennungszins oder ein so niedriges Entgelt zu entrichten ist, daß es gegenüber dem Wert der Nutzung nicht ins Gewicht fällt, so zB. bei einem Verhältnis von 1:10 (vgl. Würth aaO Rz 3 zu § 1090; zum symbolischen Anerkennungszins auch 8 Ob 609/91). Die mit dem ordentlichen Gebrauch der Sache verbundenen Kosten sind kein Entgelt, ebensowenig jene Aufwendungen, die erforderlich sind, um die Sache nach Gebrauch unversehrt zurückzustellen (Würth aaO). Die Zahlung der eigentlichen Betriebskosten allein bedeutet ebenfalls kein Entgelt (vgl. MietSlg 25.106, 31.158, 31.127 ua). Ein Bestandvertrag liegt aber wohl dann vor, wenn das vom Bestandnehmer zu leistende Entgelt in der Bestreitung der Kosten der Erhaltung und Verwaltung des Bestandgegenstandes besteht (MietSlg 17.135, 18.112, 33.145 ua).

In den zwischen den Beklagten und ihrem Vater als "Fruchtgenußberechtigten" abgeschlossenen "Mietvertrag" (Beilage ./C) wurde als monatlicher Mietzins "symbolisch ein Schilling" und die Tragung der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben nach dem Betriebskostenschlüssel (14,38 %) vereinbart. Im Sinne der vorstehenden Ausführungen ist damit das gesetzliche Erfordernis eines Bestandvertrages, nämlich die Gebrauchsüberlassung gegen Entgelt, nicht erfüllt. Es handelt sich vielmehr ganz offenkundig um eine völlig unentgeltliche Gebrauchsüberlassung unter Familienmitgliedern. Den Beklagten mangelt es demgemäß aber hinsichlich der klagegegenständlichen Räumlichkeiten - die stillschweigend genehmigte Benützung auch des Heubodens und des Hofes stellt eine Erweiterung des vereinbarten Benützungsverhältnisses durch den Vater der Beklagten dar - sowohl am behaupteten als auch - nach dem Tode des Vaters - an irgendeinem anderen, gegenüber dem Kläger als Miteigentümer wirksamen Benützungstitel. Der Kläger ist daher berechtigt, von den Beklagten im Hinblick auf ihre titellose Benützung die Räumung der von ihnen beanspruchten Räumlichkeiten von ihren Fahrnissen zu begehren.

Grundsätzlich geht eine Benützungsvereinbarung zwar auf den Gesamtrechtsnachfolger über, doch ist dies dann nicht der Fall, wenn es sich um eine auf Lebenszeit der Vertragsteile beschränkte, also auf die Person des Benützungsberechtigten eingeschränkte Benützungsvereinba- rung handelt (MietSlg. 21.072; 5 Ob 228/72; 7 Ob 635/83 ua). Auch auf die Mutter der Beklagten als Gesamtrechtsnachfolgerin nach dem Vater der Beklagten ist die im Jahre 1952 abgeschlossene Benützungsvereinbarung somit nicht übergegangen, denn sie war auf die Lebenszeit des Vaters der Beklagten beschränkt. Es liegt jetzt am Kläger und der Mutter der Beklagten, eine neue Vereinbarung über die Benützung der klagegegenständlichen Räumlichkeiten abzuschließen oder mangels Einigung eine neue Benützungsregelung im Außerstreitverfahren herbeizuführen.

Der Revision war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreites beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Die Revisionsbeantwortung des Drittbeklagten war als verspätet (Fristende 9.1.1991) zurückzuweisen.

Anmerkung

E30205

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00510.91.1029.000

Dokumentnummer

JJT_19921029_OGH0002_0080OB00510_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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