TE OGH 1992/11/10 4Ob100/92

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Veröffentlicht am 10.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ronald L*****, vertreten durch Dr.Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "S*****, vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung, Entschädigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 18.August 1992, GZ 1 R 168/92-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 3.Juli 1992, GZ 11 Cg 119/92-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

In der Regionalausgabe Steiermark der "Kleinen Zeitung" vom 26.3.1992, deren Medieninhaberin die Beklagte ist, erschien im Sportteil folgender Artikel:

Der Kläger ist seit 25.4.1991 nicht mehr Geschäftsführer der "Zielwerbung Werbegesellschaft mbH"; über das Vermögen dieser Gesellschaft wurde am 4.11.1991 das Ausgleichsverfahren und am 27.2.1992 der Anschlußkonkurs eröffnet.

Mit der Behauptung, daß die Veröffentlichung seines Bildes im Zusammenhang mit dem teilweise wahrheitswidrigen Text geeignet sei, ihn in seinem beruflichen Fortkommen als Tennismanager und Geschäftsführer der AMI Promanagement zu behindern, begehrt der Kläger zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Lichtbilder des Klägers ohne dessen Zustimmung zu veröffentlichen, wenn im Zusammenhang damit die Veröffentlichung herabsetzender oder geschäftsschädigender Behauptungen über den Kläger erfolgt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Der Kläger sei ein österreichweit bekannter PR-, Maketing- und Sportmanager. Für den beanstandeten Artikel sei eines von mehr als 100 im Bildarchiv vorhandenen Lichtbildern ausgewählt worden. Durch die Veröffentlichung dieses neutralen Bildes sei in die Rechte des Klägers nicht eingegriffen worden. Selbst im Zusammenhang mit dem - im übrigen wahrheitsgetreuen - Begleittext würden die Rechte des Klägers nicht beeinträchtigt. Gerade bei Personen des öffentlichen Lebens müsse - anders als bei unbekannten Privatpersonen - das Bild selbst in die Persönlichkeitsrechte eingreifen, damit der Tatbestand des § 78 UrhG verwirklicht werde. Bei Veröffentlichung eines völlig unbedenklichen Bildes einer Person des öffentlichen Lebens mit einem allenfalls zu beanstandenden Begleittext werde nicht durch die Bild-, sondern nur durch die Wortberichterstattung selbst in die Rechte des Abgebildeten eingegriffen. Im übrigen bestehe auch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem - wahrheitsgemäß - berichteten Sachverhalt. Der beantragte Spruch des Unterlassungsgebotes sei zu weit gefaßt.

Der Erstrichter erließ die einstweilige Verfügung. Bei der Beurteilung, ob durch die Veröffentlichung eines Personenbildnisses berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden, müsse auch der dem Bild beigegebene Text berücksichtigt werden. Liege eine Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten vor, dann komme es darauf an, ob ein überwiegendes Informationsinteresse desjenigen besteht, der das Bild verbreitet. Für das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei aber die Wiedergabe eines Bildes in Verbindung mit einem herabsetzenden Artikel nicht erforderlich.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Da die Beklagte ein Interesse an der Verbreitung des Bildnisses behauptet habe, müßten die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Das Interesse an der Veröffentlichung des Lichtbildes einer im öffentlichen Leben stehenden Person könne gegeben sein, wenn das Lichtbild im Zusammenhang mit der öffentlichen Tätigkeit des Abgebildeten steht und damit selbst einen Nachrichtenwert hat. Im Zusammenhang mit der Berichterstattung über aktuelles Geschehen könne aber auch ein erhebliches Interesse an der Veröffentlichung eines mit dem aktuellen Geschehen nicht unmittelbar im Zusammenhang stehenden Lichtbildes einer - wie hier - am öffentlichen Leben teilnehmenden Person bestehen. Ein solches Interesse fehle aber, wenn dazu bloßstellende Bilder aus der Privatsphäre verwendet werden oder die Veröffentlichung bloß der Befriedigung von Neugierde und Sensationslust dient, was allerdings bei der Veröffentlichung des Lichtbildes einer bekannten Persönlichkeit nicht ohne weiteres anzunehmen sei. Das Interesse an der Veröffentlichung eines Lichtbildes sei umso eher zu bejahen, je enger der Zusammenhang mit Tatsachen des öffentlichen Lebens ist. Auch Archivbilder einer im öffentlichen Leben stehenden Person könnten zwecks sachlicher Information über die Person des Betroffenen aus Anlaß einer aktuellen Berichterstattung veröffentlicht werden.

Dieses Interesse der Öffentlichkeit bestehe in Angelegenheiten, die Gegenstand des gesellschaftlichen Informationsaustausches und der gesellschaftlichen Meinungsbildung sind, also über den rein zwischenmenschlichen oder gruppenspezifischen Informationsaustausch hinausgehen. Es müsse sich aber nicht gerade um Angelegenheiten handeln, die für jedermann von Interesse sind; auch Angelegenheiten, die nur für die Angehörigen bestimmter Bevölkerungsgruppen interessant sind, seien solche von öffentlichem Interesse. Das treffe auch hier zu. Der Kläger sei weiten - und insbesondere allen am Tennissport in Österreich und an der Berichterstattung darüber interessierten - Bevölkerungskreisen als Manager in Sachen Tennis (Thomas Muster, ÖTV) bekannt. Die Berichterstattung der Beklagten stehe - zumindest auch - in engem Zusammenhang mit dieser den Kläger in der Öffentlichkeit bekanntmachenden Tätigkeit. Die Abbildung des Klägers selbst sei wertfrei und verletze auch im Zusammenhang mit dem Text seine persönlichen Interessen nicht derart, daß - überdies schon unter Vorwegnahme des angestellten Urteils - das Sicherungsbegehren gerechtfertigt wäre. Das Erscheinungsbild des Klägers sei der sportinteressierten Öffentlichkeit aus zahlreichen Sportberichterstattungen, insbesondere auch im Österreichischen Fernsehen, geläufig, so daß der Ablichtung selbst auch kein "sensationshungriger Warneffekt" zugeordnet werden könne.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil ein gleichartiger Sachverhalt noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 78 Abs 1 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden. Damit soll - wie schon des Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat - jedermann gegen einen Mißbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, also namentlich dagegen, daß er durch die Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, daß dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Mißdeutungen Anlaß geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (EB z UrhG, abgedruckt bei Peter, UrhRecht 617). Das Gesetz legt den Begriff der "berechtigten Interessen" nicht näher fest, weil es bewußt einen Spielraum offenlassen wollte, um den Verhältnissen des Einzelfalles gerecht werden zu können (SZ 60/188; SZ 63/75; MR 1989, 52; MR 1990, 58; MR 1990, 226; ÖBl 1992, 84 und 87 uva). Die Beurteilung, ob berechtigte Interessen verletzt wurden, ist darauf abzustellen, ob Interessen des Abgebildeten bei objektiver Prüfung als schutzwürdig anzusehen sind; dabei ist auch der mit dem veröffentlichten Bild zusammenhängende Text zu berücksichtigen (SZ 60/188; SZ 63/75; ÖBl 1992, 84 und 87 ua).

Wird das Interesse des Abgebildeten an der Verhinderung einer Verbreitung seines Bildnisses als schutzwürdig erkannt, dann ist die Verbreitung grundsätzlich unzulässig; behauptet aber auch derjenige, der das Bildnis verbreitet, ein Interesse an dieser Verbreitung, dann müssen nach ständiger Rechtsprechung die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen werden (SZ 60/188; MR 1990, 58; MR 1990, 224; Rehm, Das Recht am eigenen Bild, JBl 1962, 1 ff; Dittrich, Der Schutz der Persönlichkeit nach österreichischem UrhRecht, ÖJZ 1970, 533 f; Buchner, Das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten, FS 50 Jahre UrhG 21 ff [26 f]).

Daß die beanstandete Bildnisveröffentlichung im Hinblick auf den Text des Artikels "76 Gläubiger stehen Schlange" den - insbesondere auch geschäftlichen - Interessen des Klägers, im höchsten Maße abträglich ist, liegt auf der Hand, wird doch hier zum Ausdruck gebracht, daß der Kläger als früherer Geschäftsführer der "Zielwerbung" für deren Konkurs verantwortlich ist, welcher in der Folge verschiedenen Sportverbänden großen Schaden zugefügt hat; außerdem habe er sich durch Aufgabe seiner Geschäftsführerfunktion der Verantwortung entzogen und veranlaßt, daß sein Halbbruder "den Kopf hinhalten" müsse.

Da der Beklagten - sofern ihre Behauptungen wahr sein sollten - das Recht auf Information der Öffentlichkeit nicht abgesprochen werden kann, bleibt daher noch zu prüfen, ob ihr Interesse auch an der Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers gegenüber dessen Interesse am Schutz seines Rufes überwiegt. Dazu war zu erwägen:

Der Kläger ist gewiß keine unbekannte Privatperson; er ist vielmehr weiten Kreisen der Öffentlichkeit - vor allem all jenen, die am Tennissport interessiert sind - bekannt. Wie das Rekursgericht im Einklang mit ÖBl 1992, 84 ausgeführt hat, kann das Interesse an der Veröffentlichung des Lichtbildes einer im öffentlichen Leben stehenden Person gegeben sein, wenn das Lichtbild im Zusammenhang mit der öffentlichen Tätigkeit des Abgebildeten steht und damit selbst einen Nachrichtenwert hat. Im Zusammenhang mit der Berichterstattung über aktuelles Geschehen kann ein erhebliches Interesse auch an der Veröffentlichung eines mit dem aktuellen Geschehen nicht unmittelbar im Zusammenhang stehenden Lichtbildes einer am öffentlichen Leben teilnehmenden Person bestehen, sofern dazu nicht bloßstellende Bilder aus der Privatsphäre verwendet werden oder die Veröffentlichung nur der Befriedigung von Neugierde und Sensationslust dient (Buchner aaO 35 f; SZ 48/73; SZ 50/22), was aber bei der Veröffentlichung des Lichtbildes einer bekannten Persönlichkeit nicht ohne weiteres anzunehmen ist. In ÖBl 1992, 84 hat der Oberste Gerichtshof dem Interesse der beklagten Medieninhaberin an der Verbreitung des Bildnisses einer im öffentlichen Leben stehenden Person ("Betriebsratskaiser") deshalb den Vorrang vor dem Interesse des Abgebildeten an der Verhinderung der Verbreitung des Bildnisses eingeräumt, weil die gegen den dortigen Kläger erhobenen Vorwürfe nicht besonders gravierend waren, zwar leichtere Verfehlungen, aber kein unehrenhaftes oder gesetzwidriges Verhalten des Klägers aufgezeigt hatten, während ein starkes Interesse bestanden hatte, aus Anlaß einer aktuellen Berichterstattung über die öffentliche Kritik eines Landeshauptmannes an der Amtsführung des Klägers die Öffentlichkeit über die Person des Klägers, welcher als politischer Interessenvertreter im Blickpunkt des lokalen öffentlichen Lebens seines Bundeslandes stand, auch durch ein - mit seiner öffentlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehendes - Lichtbild zu informieren.

Die im vorliegenden Fall gegen den Kläger im Zusammenhang mit der beanstandeten Veröffentlichung seines Bildnisses erhobenen Vorwürfe beeinträchtigen aber seine Interessen wesentlich schwerer. Im Hinblick auf diesen Angriff, der geeignet ist, den Kläger wirtschaftlich schwersten zu schädigen, sind an das Informationsinteresse der Beklagten wesentlich höhere Anforderungen zu stellen. Der Bekanntheitsgrad einer Person ist zwar bei der Beurteilung der Frage, ob eine Veröffentlichung ihres Bildnisses nach objektiven Grundsätzen berechtigte Interessen verletzt, in Betracht zu ziehen. Daraus ergibt sich aber - entgegen der Meinung der Beklagten - keineswegs, daß dabei nicht auch der mit dem Bild zusammenhängende Text zu berücksichtigen wäre. Das könnte nur allenfalls auf solche Personen zutreffen, deren Aussehen allgemein bekannt ist, nicht aber auf Personen - wie etwa Künstler, Landespolitiker, Sportler udgl. -, deren Aussehen nur ein beschränkter Teil der hiefür interessierten Öffentlichkeit kennt, wird doch bei nicht allgemein bekannten Personen des öffentlichen Lebens - so wie bei unbekannten Privatpersonen - die Verletzung durch die Beigabe des Bildes noch verschärft und eine "Prangerwirkung" erzielt, weil die Person des Angegriffenen erst damit einer breiten Öffentlichkeit auch optisch kenntlich gemacht wird (ÖBl 1992, 87 mwN).

Die Abbildung des Klägers im Zusammenhang mit dem mehrfach erwähnten Artikel war durchaus entbehrlich; sie hat jedenfalls keinen so hohen Nachrichtenwert, daß dieser das Interesse des Klägers am Schutz vor der Herabsetzung seines Ansehens und seines wirtschaftlichen Rufs in der Öffentlichkeit überwiegen könnte. Bei dieser Sachlage kommt es auf die Frage, wie weit die in dem Artikel aufgestellten Tatsachenbehauptungen - welche ja nicht selbst Gegenstand des Unterlassungsbegehrens sind - der Wahrheit entsprechen oder nicht; die Frage der Beweislast hiefür stellt sich daher gar nicht.

Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs dahin stattzugeben, daß die einstweilige Verfügung des Erstrichters wiederhergestellt wird. Der vom Erstgericht gefaßte Spruch des Unterlassungsgebotes ist entgegen der Meinung der Beklagten weder zu weit noch für eine Exekutionsführung zu unbestimmt, geht es doch hier nicht um das Verbot "herabsetzender oder geschäftsschädigender Behauptungen", sondern um jenes der Bildnisveröffentlichung. Bei einer Exekutionsbewilligung hat das Bewilligungsgericht zu prüfen, ob die im Exekutionsantrag geltend gemachte neuerliche Bildveröffentlichung im Zusammenhang mit herabsetzenden oder geschäftsschädigenden Äußerungen geschehen ist; eine zu enge Umschreibung dieser Äußerungen würde eine Umgehung des Verbotes allzu leicht machen (vgl ÖBl 1991, 105 ua).

Der Ausspruch über die Kosten des Klägers gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E31270

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00100.92.1110.000

Dokumentnummer

JJT_19921110_OGH0002_0040OB00100_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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