TE OGH 1992/11/12 7Ob631/92

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Veröffentlicht am 12.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef F*****, vertreten durch Dr.Michael Gabler und Mag.Dr.Erich Gibel, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Walter M*****, vertreten durch Dr.Peter Madl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 16.344,-- s.A. und Räumung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 26.August 1992, GZ 48 R 522/92-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 6. April 1992, GZ 7 C 3006/91b-17, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:

Der Mietzinsrückstand des Beklagten für die Wohnung top.Nr.1 im Hause *****, für die Zeit vom Juni 1991 bis April 1992 beträgt S 688,40.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Im Jahre 1988 erwarb der Kläger von einer Althausverwertungsgesellschaft Miteigentumsanteile an einer Liegenschaft mit Althaus im 10. Wiener Gemeindebezirk zum Zwecke der Begründung von Wohnungseigentum an der im Erdgeschoß gelegenen Wohnung top.Nr.1. Das Eigentumsrecht des Klägers an den Miteigentumsanteilen, mit welchen das Wohnungseigentum untrennbar verbunden werden soll, ist grundbücherlich einverleibt und die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts angemerkt. Der Kläger benützte die Wohnung selbst nie. Mit auf 5 Jahre befristetem Mietvertrag vom 28.5.1991 vermietete er die Wohnung im Ausmaß von 24,13 m2 dem Beklagten für geschäftliche Zwecke, nämlich für Büro- und Lagerzwecke zu einem monatlichen Mietzins von S 1.320,--. Der Kläger begehrt einen Mietzinsrückstand von S 14.520,-- s.A. für die Monate Juni 1991 bis April 1992 und die Räumung des Mietgegenstandes nach Auflösungserklärung wegen qualifizierten Mietzinsrückstandes.

Im Zwischenstreit über die Höhe des Mietzinsrückstandes stellte das Erstgericht nach § 33 Abs.2 letzter Satz (und Abs.3) MRG einen Mietzinsrückstand von S 10.890,-- fest.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes ist das Mietobjekt im Konsensplan immer noch als Wohnung ausgewiesen. Der Beklagte benützt seit November 1991 das Mietobjekt (gemeinsam mit einer Frau) für Wohnzwecke. Nach dem Inhalt des vom Kläger mit der Althausverwertungsgesellschaft abgeschlossenen Kaufvertrages nahm der Kläger zur Kenntnis, daß das in dem dem Kaufvertrag beiliegenden Plan gelb angelegte Gang-WC im Erdgeschoß zur gemeinsamen Benützung der Miteigentümer bzw. Mieter der derzeitigen Substandardwohnungen top.Nr.1 und top.Nr.5/6 zur Verfügung stehen muß und an diesem Gang-WC kein Wohnungseigentum begründet werden kann. Im Mietvertrag mit dem Beklagten wurde festgehalten, daß mit dem Bestandobjekt top.Nr.1 die ausschließliche Nutzung eines Kellerabteils sowie die Mitbenützung des Gang-WCs verbunden ist. Ein Schlüssel für das Gang-WC wurde dem Beklagten jedoch nie übergeben. Bereits mit Schreiben vom 11.7.1991 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, daß laut Mietvertrag zum Objekt ein WC gehöre, offenkundig jedoch keines vorhanden sei. Dem Beklagten wurde der Zutritt zu dem Gang-WC vom Kläger nicht ermöglicht. Der Mieter der im Hause befindlichen Gastwirtschaft behauptet, daß das im Erdgeschoß befindliche WC bereits seit 15 Jahren in seiner Alleinbenützung steht und verweigert dem Beklagten den Zutritt. Er gestattete dem Beklagten lediglich, ein anderes, zur Gastwirtschaft gehörendes WC zu benützen. Nach einer Auseinandersetzung verbot der Gastwirt dem Beklagten auch die Benützung dieses WCs. Der Beklagte behalf sich dadurch, daß ihm ein anderer Mieter gestattete, ein Gang-WC, welches sich im 3.Stock des Hauses befindet, mitzubenützen. Als der Beklagte im Herbst 1991 beabsichtigte, einen mit festen Brennstoffen beheizbaren Ofen aufzustellen, holte er einen Befund ein. Dieser ergab, daß der Rauchfang schadhaft und in seiner ganzen Länge rauchdicht instandzusetzen ist. Von der Hausverwaltung wurde zunächst zur Sanierung des Kamins nichts unternommen, weil diese auf dem Standpunkt stand, daß jeder Wohnungseigentumsbewerber selbst für die Instandhaltung des Kamins aufzukommen habe. Erst nachdem sich der Kläger geweigert hatte, den Kamin instandzusetzen, veranlaßte dies die Hausverwaltung. Die Arbeiten waren am 21.12.1991 abgeschlossen. Mangels Vorliegens eines Nachbefundes schloß der Kläger keinen Ofen an. Er heizte während der Heizperiode 1991/92 mittels elektrischer Heizgeräte.

Das Erstgericht erachtete einen Zinsminderungsanspruch des Beklagten im Ausmaß von 25 % als gerechtfertigt, weil der Kläger dem Beklagten die Mitbenützung des Gang-WCs nicht ermöglicht habe. Dagegen bewirke der schadhafte Kamin und der fehlende baubehördliche Konsens zu einer Änderung der bewilligten Benützungsart keinen Zinsminderungsanspruch. Durch den schadhaften Kamin sei der Beklagte am bedungenen Gebrauch, der Verwendung des Objektes als Lager bzw. als Büro nicht gehindert gewesen. Da der Beklagte das Bestandobjekt - wenn auch vertragswidrig - zu Wohnzwecken verwende, stehe ihm kein weiterer Zinsminderungsanspruch zu.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es den Zinsrückstand mit S 9.042,-- festsetzte. Es sprach aus, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist.

Das Rekursgericht billigte die Zinsminderung wegen der nicht gewährten Mitbenützung des Gang-WCs, es erachtete jedoch einen weiteren Zinsminderungsanspruch wegen der Unbenützbarkeit des Kamins im Ausmaß von 20% während der Heizperiode (von Oktober 1991 bis April 1992) als gegeben.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig und teilweise auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs.3 Z 2 ZPO gilt § 502 Abs.2, wonach die Revision bei einem S 50.000,-- nicht übersteigenden Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichtes jedenfalls unzulässig ist, nicht für die unter § 49 Abs.2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrages entschieden wird. Der § 528 Abs.2 Z 1 ZPO enthält keine entsprechende Ausnahmebestimmung. Daraus hat das Rekursgericht offensichtlich gefolgert, daß der Revisionsrekurs gegen Entscheidungen nach § 33 Abs.2 letzter Satz (und Abs.3) MRG jedenfalls unzulässig ist, wenn der Mietzinsrückstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, S 50.000,-- nicht übersteigt. Durch die Formulierung "wenn dabei" im § 502 Abs.3 Z 2 ZPO sollte ausgedrückt werden, daß unter die Ausnahme von der wertmäßigen Revisionsbeschränkung nicht nur der Ausspruch über die Kündigung, die Räumung oder das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags fällt, sondern auch die gleichzeitige Entscheidung über andere Ansprüche, soweit sie unter § 49 Abs.2 Z 5 JN fallen, also etwa über einen Anspruch auf Zahlung (rückständigen) Mietzinses. Solche anderen bestandrechtlichen Fragen hängen mit der Frage der Auflösung des Bestandvertrags meist so eng zusammen - oft ist der eine Anspruch für den anderen präjudiziell - daß ein getrenntes Schicksal in der Anfechtbarkeit unbefriedigend wäre (991 BlgNR 17.GP 67). Diese Erwägungen treffen sinngemäß auch für den Zwischenstreit über die Höhe des Mietzinsrücktandes zu. Die Entscheidung darüber ist für den Räumungsstreit präjudiziell, Gegenstand des Zwischenstreites ist daher nicht nur der geschuldete Mietzinsrückstand, sondern auch das Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses (vgl. Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 in ÖJZ 1989, 751; 1 Ob 702/85). Insoweit ist daher von einer Regelungslücke auszugehen (vgl. Fasching ZPR2 2004; Stohanzl, MGA ZPO14 § 528 Anm.5). Gegen Entscheidungen nach § 33 Abs.2 letzter Satz (und Abs.3) MRG ist daher der Revisionsrekurs nicht jedenfalls unzulässig, wenn der Mietzinsrückstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, S 50.000,-- nicht übersteigt.

Eines Auftrags zur Ergänzung des Ausspruchs des Rekursgerichtes darüber, ob der ordentliche Revisionsrekurs wegen Vorliegens oder Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage zulässig ist oder nicht, bedarf es hier jedoch nicht. Der Rechtsmittelwerber hat seinen Revisionsrekurs als außerordentlichen Revisionsrekurs ausgeführt und den Zulässigkeitsausspruch bekämpft; es liegt, abgesehen von der Frage der absoluten Unanfechtbarkeit solcher Beschlüsse, auch eine erhebliche materiellrechtliche Rechtsfrage vor.

Gemäß § 1096 Abs.1 ABGB ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den bedungenen Gebrauch zu verschaffen. Ist das Bestandobjekt bei der Übergabe derart mangelhaft, daß es zu dem bedungenen Gebrauch nicht taugt, ist der Mieter für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit. Das Fehlen der baubehördlichen Benützungsbewilligung ist ein Rechtsmangel. Der Vermieter hat die zum bedungenen Gebrauch erforderliche Bewilligung zu verschaffen (vgl. Würth in Rummel2 Rz 8 zu § 1096 mwN). Im vorliegenden Fall ist das Bestandobjekt nach der baubehördlichen Bewilligung für Wohnzwecke gewidmet. Durch § 60 Abs.1 lit.c der Bauordnung für Wien ist klargestellt, daß jede Änderung der bewilligten Benützungsart eines Raumes einer baubehördlichen Bewilligung bedarf (Geuder-Hauer, Das Wiener Baurecht3 437). Eine Benützung der vom Beklagten gemieteten Räume zu dem vereinbarten Zweck war daher wegen des Fehlens der baubehördlichen Bewilligung zur Widmungsänderung unstatthaft und nicht gewährleistet (vgl. ImmZ 1980, 170). Unrichtig ist jedoch der Standpunkt des Rechtsmittelwerbers, daß für eine den behördlichen Vorschriften widersprechende Benützung überhaupt kein Entgelt zustehe. Bei Beurteilung des Anspruchs des Mieters auf Zinsminderung ist auch in einem solchen Fall auf den tatsächlich erzielten Vorteil abzustellen (3 Ob 526/91). Feststeht, daß der Kläger das Bestandobjekt jedenfalls als Wohnung benützt. Davon ausgehend erscheint es angezeigt, den für die vereinbarte, jedoch nicht gewährleistete Verwendungsart vereinbarten höheren Mietzins auf den Kategoriemietzins für eine Wohnung der vorliegenden Kategorie D zu mindern. In der Beurteilung der Beeinträchtigung des Beklagten durch den unbenützbaren Kamin und des Ausmaßes der hiefür berechtigten Zinsminderung ist dem Rekursgericht beizupflichten. Nicht gefolgt werden kann den Vorinstanzen dagegen bei der Ermittlung des Ausmaßes der Zinsminderung dafür, daß der Kläger dem Beklagten die vereinbarte Mitbenützung des Gangklosetts im Erdgeschoß nicht verschaffte. Hiebei fällt nämlich insbesondere ins Gewicht, daß das Fehlen einer WC-Anlage das Bestandobjekt selbst für Bürozwecke völlig unbrauchbar macht, das WC, dessen Mitbenützung dem Beklagten durch einen anderen Mieter gestattet wird, im dritten Stockwerk gelegen ist und der Kläger überdies hierauf keinen Rechtsanspruch hat, sodaß ihm die Benützung jederzeit entzogen werden kann. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint hiefür eine Zinsminderung von 50 % als angemessen.

Der geminderte Zins errechnet sich daher unter Zugrundelegung eines Kategoriemietzinses von S 6,70 pro Quadratmeter für die Zeit bis 30.11.1991 und von S 7,40 für die Zeit danach (vgl. Würth aaO Rz 17a zu § 16 MRG) wie folgt:

Für Juni bis September 1991

S 161,70 -50 % = 80,85 x 4      S 323,40

für Oktober 1991 bis November 1991

S 161,70 -70 % = 48,50 x 2      S   97,--

für Dezember 1991 bis April 1992

S 178,60 -70 % = 53,60 x 5       S 268,--

S 688,40.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs teilweise Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.

Anmerkung

E33229

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00631.92.1112.000

Dokumentnummer

JJT_19921112_OGH0002_0070OB00631_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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