TE OGH 1992/11/24 5Ob156/92

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Firma T*****, Inhaberin Erna K*****, verehelichte W*****, ***** Wien, ***** S*****straße 1, vertreten durch Dr.Paul Appiano, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Irma K*****, Pensionistin, ***** Wien, ***** S*****straße 1/9, vertreten durch Dr.Johannes Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs. 1 Z 8 und Abs. 4 MRG, infolge außerordentlichen Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 16.April 1992, GZ 41 R 416/91-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 6.Mai 1991, GZ 8 Msch 2/91-3, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin war bis zum Jahr 1989 Untermieterin des im Haus ***** S*****straße 1***** gelegenen Geschäftslokals top. 2/3 (ehemaliges Elektrogeschäft und Möbelhandlung). Sie begehrt die Feststellung, daß der mit der Antragsgegnerin am 7.November 1963 vereinbarte Untermietzins unzulässig war, soweit er den von der Antragsgegnerin zu zahlenden Mietzins (944 Friedenkronen jährlich zuzüglich Betriebskosten und Umsatzsteuer) überstieg, und hat damit den Antrag verbunden, einen Rückzahlungstitel über S 1,570.584,57 samt jeweils 4 % Zinsen aus den ebenfalls festzustellenden monatlichen Überzahlungsbeträgen zu schaffen.

Mit Beschluß vom 6. Mai 1991 wies das Erstgericht das Feststellungsbegehren wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen und streitigen Rechtsweges zurück und überwies das Leistungsbegehren in das streitige Verfahren. Es vertrat den Standpunkt, daß gemäß § 37 Abs. 1 Z 8 MRG über die Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Untermietzinses im außerstreitigen Verfahren nur nach Maßgabe des § 26 MRG zu entscheiden sei, dessen Abs. 2 die Herabsetzung des Untermietzinses nur für die Zukunft vorsehe. Eine rückwirkende Überprüfung und Schaffung eines Rückzahlungstitels komme im Rahmen des § 37 Abs. 1 Z 8 MRG nicht in Betracht. Die Antragstellerin könne den auf eine vor Inkrafttreten des MRG getroffene Zinsvereinbarung gestützten Rückforderungsanspruch nur im streitigen Verfahren geltend machen.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragstellerin statt und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen (außerstreitigen) Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es führte aus:

Der Anwendungsbereich des außerstreitigen Verfahrens wurde durch § 37 MRG zwar erheblich ausgeweitet, doch gelte der Grundsatz weiter, daß Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch wenigstens unzweifelhaft schlüssig ins Außerstreitverfahren verwiesen sind, ins streitige Verfahren gehören (MietSlg. 40.499 mwN). § 37 Abs. 1 Z 8 MRG verweise Angelegenheiten, die die Angemessenheit (richtig:

Zulässigkeit - vgl. Würth - Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 19 zu § 37 MRG) des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses (§ 12 Abs. 3, §§ 16, 43, 44, 46 MRG) und Untermietzinses (§ 26 MRG) betreffen, in das außerstreitige Verfahren. Gemäß § 43 Abs. 2 MRG richte sich die Mietzinsbildung für Altverträge, also solche, die vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossen wurden, ohne jede zeitliche Begrenzung weiterhin nach altem Recht, dessen Weitergeltung in diesem Ausmaß fingiert wird. Mietzinsvereinbarungen, die nach altem Recht unwirksam waren, würden auch dann nicht saniert, wenn sie nach dem MRG zulässig wären (Würth - Zingher aaO, Rz 3 und 4 zu § 43 MRG). Der Umstand, daß § 37 Abs. 1 Z 8 MRG nur in Ansehung des Hauptmietzinses auf § 43 MRG verweist, lasse nicht den Schluß zu, daß die Überprüfung einer vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossenen Untermietzinsvereinbarung im außerstreitigen Verfahren ausgeschlossen sein soll. § 43 Abs. 2 MRG verweise nämlich hinsichtlich der Mietzinsbildung in "Altverträgen" generell auf die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften, somit auch auf die gesetzlich zulässige Untermietzinse regelnde Bestimmung des § 14 Abs. 1 MG. Daß hinsichtlich des Untermietzinses nur auf § 26 MRG verwiesen wird, könne nicht bedeuten, daß die Überprüfung der Frage, ob ein Untermietzins nach den Bestimmungen des MG unzulässig war, nunmehr dem außerstreitigen Verfahren entzogen wäre. Andernfalls läge eine sachlich nicht begründbare Lücke im Rechtsschutz zu Lasten der Untermieter auf Grund von "Altverträgen" vor, deren Ansprüche gemäß § 24 Abs. 1 MG in das außerstreitige Verfahren verwiesen waren. Daß das nunmehr auch für Mietzinsvereinbarungen aus "Altverträgen" allein zur Verfügung stehende Verfahren nach §§ 37 ff MRG (vgl. MietSlg. 35.416) auf den gegenständlichen Fall keine Anwendung finden soll, sei auch deshalb nicht anzunehmen, weil der Anwendungsbereich des § 37 MRG generell über jenen seiner Vorgängerbestimmung weit hinausgeht (Würth in Korinek - Krejci, Handbuch zum MRG, 501 f). Ohne den taxativen Charakter der im § 37 Abs. 1 MRG enthaltenen Aufzählung in Frage zu stellen, sei daher davon auszugehen, daß der gegenständliche Antrag in das außerstreitige Verfahren verwiesen ist.

Bei dieser Entscheidung fand das Rekursgericht keinen Anlaß, die unterbliebene Zustellung des Rekurses an die Antragsgegnerin zu beanstanden, weil ohnehin ein a limine gefaßter Zurückweisungsbeschluß vorliege.

In ihrem fristgerecht erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs begehrt nunmehr die Antragsgegnerin die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Dieses Rechtsmittel sei als zulässig zu behandeln, weil noch keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob sich die in § 37 Abs. 1 Z 8 MRG vorgesehene Überprüfung des Untermietzinses nur auf Vereinbarungen beziehe, die dem § 26 MRG unterliegen.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zum angesprochenen Rechtsproblem tatsächlich keine höchstgerichtliche Judikatur vorliegt. Aus Gründen, die noch auszuführen sein werden, wurde daher der Antragstellerin die Rekursbeantwortung freigestellt. Sie hat die Bestätigung des zweitinstanzlichen Beschlusses beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung eines Sachantrages wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges ist - wie das Rekursgericht richtig erkannte - kein Sachbeschluß, sondern eine verfahrensrechtliche Entscheidung (vgl. WoBl. 1991, 142/89; WoBl. 1992, 123/90). Bei der Anfechtung einer solchen Entscheidung ist daher § 521a ZPO zu beachten (§ 37 Abs. 3 Z 16 MRG), dessen Abs. 1 Z 3 ein zweiseitiges Rekursverfahren vorschreibt, wenn eine Klage (hier eben ein Sachantrag; vgl. 5 Ob 1079/91) nach Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen wurde.

Die Streitanhängigkeit wird gemäß § 232 Abs 1 ZPO durch die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten begründet, im außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG also durch die Zustellung des Sachantrages an den Antragsgegner. Dies ist im gegenständlichen Fall - wie durch Zwischenerhebungen geklärt werden konnte - am 12.Februar 1991 geschehen (ON 2 und ON 9). Das Erstgericht hat nämlich am 1. Februar 1991 die Ladung der Parteien zu einer Tagsatzung am 17.Mai 1991 verfügt und dem Vertreter der Antragsgegnerin den Sachantrag zustellen lassen, ehe es sich am 6.Mai 1991 zur Zurückweisung des Feststellungsbegehrens und Überweisung des Leistungsbegehrens ins streitige Verfahren entschloß. Die Annahme des Rekursgerichtes, es liege ein a limine gefaßter Zurückweisungsbeschluß vor, beruht daher auf einem Irrtum, der offensichtlich durch das Fehlen von Rückscheinen zur Ladungsverfügung ON 2 veranlaßt wurde.

Damit war der Antragstellerin die Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung zu eröffnen; es war aber auch zu prüfen, ob nicht schon die zweitinstanzliche Entscheidung mit einem Nichtigkeitsgrund behaftet ist.

Im streitigen Verfahren begründet es Nichtigkeit, wenn der Gegner des Rekurswerbers unter Verletzung des § 521a Abs. 1 Z 3 ZPO am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt wird (vgl. RZ 1986, 165 u.a.). Dies gilt grundsätzlich auch im außerstreitigen Verfahren und schon gar im besonderen Mietrechtsverfahren nach § 37 MRG, da dieses dem Streitverfahren stark angenähert ist. In einem generell dem außerstreitigen Bereich zugeordneten Verfahren ist jedoch der Einfluß von Nichtigkeitsgründen auf die Erledigung der Sache im Einzelfall genau abzuwägen (vgl. SZ 45/31). Insbesondere ist zu prüfen, ob nicht eine Genehmigung der nichtigen Verfahrensschritte durch die hievon betroffene Partei erfolgte. Die Bestimmung des § 477 Abs. 2 ZPO ist nämlich auch im außerstreitigen Verfahren anzuwenden (vgl. 6 Ob 313/71 u.a.; zuletzt SZ 62/209).

Der hier zu erörternde Nichtigkeitsgrund wäre dem § 477 Abs. 1 Z 4 ZPO zu unterstellen. Die im Gesetz ausdrücklich erwähnte Sanierungsmöglichkeit bezieht sich zwar nur auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 leg.cit., doch kann nach der zivilprozessualen Lehre auch der Nichtigkeitsgrund der Z 4 unbeachtlich werden, wenn sich der Sachverhalt so verschiebt, daß die in ungesetzlicher Weise von der Verhandlung ausgeschlossene Partei doch noch die Möglichkeit hatte, ihren Prozeßstandpunkt in der Tatsacheninstanz mündlich vorzutragen (vgl. Fasching IV, 130 und 134). Im außerstreitigen Verfahren ist diese Sanierungsmöglichkeit dadurch erweitert, daß die Einräumung einer schriftlichen Äußerungsmöglichkeit als ausreichend erachtet wird und bei besonders starker Dominanz des Untersuchungsgrundsatzes sogar im Rechtsmittelverfahren die Möglichkeit zu tatsächlichem Vorbringen besteht (vgl. SZ 46/93; 5 Ob 1027, 1028/91, teilweise veröffentlicht in WoBl. 1991, 258/163).

Im gegenständlichen Fall liegt in der Nichtbeachtung der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragsgegnerin, weil die Diskussion um die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens allein mit rechtlichen Argumenten ausgetragen wurde und die Antragsgegnerin in keiner Weise gehindert war, die ihr im zweitinstanzlichen Verfahren abgeschnittenen Rechtsausführungen jetzt im Revisionsrekurs vorzutragen.

In der Sache selbst sind die Rechtsausführungen des Rekursgerichtes durchaus überzeugend, sodaß sich der erkennende Senat mit einer kurzen Zusatzbegründung begnügen kann (§ 37 Abs. 3 Z 16 MRG iVm §§ 528a, 510 Abs. 3 ZPO). Besonders stichhältig ist das Argument, daß der Gesetzgeber des MRG grundsätzlich eine Erweiterung der ins außerstreitige Verfahren verwiesenen Angelegenheiten beabsichtigte und somit in Ansehung der Überprüfung von Untermietzinsvereinbarungen in "Altverträgen", für die bereits im § 24 Abs. 1 Z 1 MG ein außerstreitiger Zuständigkeitstatbestand vorhanden war, von einer echten, nicht gewollten Gesetzeslücke gesprochen werden kann.

Damit stellt sich nur noch die Frage, ob die Gesetzeslücke durch Analogie zu schließen ist. Dagegen scheint die erkennbar taxativ gemeinte Auflistung der außerstreitigen Zuständigkeitstatbestände in § 37 Abs. 1 MRG zu sprechen, da bei dieser Gesetzestechnik große Vorbehalte gegen eine Analogie bestehen (vgl. 8 Ob 603/88; ImmZ 1988, 272), doch schließt der Anspruch auf Vollständigkeit eines gesetzlich umschriebenen Regelungsbereiches die Anwendung der Analogie nicht gänzlich aus, weil es immer wieder zu einem planwidrigen Übersehen teleologisch vergleichbarer Fälle kommen kann. Gerade die taxative Aufzählung der außerstreitigen Mietrechtsangelegenheiten im § 37 Abs. 1 MRG wurde bereits als lückenhaft erkannt. Die Bestimmung steht also einer berichtigenden Auslegung zur Beseitigung offenkundiger Widersprüche durchaus offen (vgl. Würth - Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 9 zu § 37 MRG). Besonders deutlich tritt diese Notwendigkeit beim Zuständigkeitstatbestand des § 37 Abs. 1 Z 8 MRG zutage, da hier die Möglichkeiten der verschiedenen Anträge kaum faßbar sind (Würth - Zingher aaO, Rz 20 zu § 37 MRG). Ihm wurde im Zuge einer Überprüfung des Hauptmietzinses beispielsweise auch die Frage unterstellt, ob eine als Zinsanpassungsklausel zu wertende Vereinbarung bei Anwendung des § 16a MRG Bestand hat oder ob sie - kraft Gesetzes - ohne Einfluß auf die Mietzinsbildung ist (WoBl. 1992, 152/109). Einem Analogieschluß, wie ihn das Rekursgericht mit überzeugenden Argumenten gezogen hat, steht daher nichts entgegen. Auch zu 5 Ob 12/89 wurde bereits erkannt, daß der in einem "Altvertrag" vereinbarte Untermietzins einer Nachprüfung durch den Außerstreitrichter gemäß § 37 Abs. 1 Z 8 MRG iVm § 14 MG unterliegt (teilweise veröffentlicht in MietSlg. 41.442).

Von der Anerkennung der Zuständigkeit des Außerstreitrichters, über die Zulässigkeit eines vor dem 1.Jänner 1982 vereinbarten Mietzinses zu entscheiden, ist es ein rechtslogischer Schritt, ihn unter den Voraussetzungen des § 37 Abs. 4 MRG auch einen Rückzahlungstitel für die unzulässigerweise eingehobenen Beträge schaffen zu lassen. Dies ist mit der bereits erwähnten Absicht des Gesetzgebers zu rechtfertigen, den Anwendungsbereich des außerstreitigen Verfahrens durch den neuen Zuständigkeitskatalog des § 37 Abs. 1 MRG gegenüber der alten Rechtslage (§ 24 Abs. 1 MG) erheblich auszuweiten (Würth in Korinek - Krejci, Handbuch zum MRG, 501 f; vgl. auch MietSlg. 38.530 u. a.). Daß nach dem MG Rückforderungsansprüche im streitigen Rechtsweg geltend zu machen waren, ist daher kein Argument, im Zweifel die Zuständigkeit des Streitrichters in Anspruch zu nehmen, wenn es (auch) um die Zurückzahlung eines unzulässigerweise eingehobenen Mietzinses geht.

Dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin war somit ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E34080

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0050OB00156.92.1124.000

Dokumentnummer

JJT_19921124_OGH0002_0050OB00156_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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