TE OGH 1992/11/24 10ObS275/92

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Robert Letz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dkfm.Gustav T*****, vertreten durch Dr.Erich Hermann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rückerstattung, allenfalls Anrechnung von Versicherungsbeiträgen infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Juli 1992, GZ 31 Rs 108/92-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26.Februar 1992, GZ 7 Cgs 525/91-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Aus Anlaß der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren, soweit es das Eventualbegehren auf Anrechnung zur Höherversicherung betrifft, als nichtig aufgehoben. Die Klage wird insoweit zurückgewiesen.

Der Kläger hat seine diesbezüglichen Kosten selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 22.Juli 1991 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 25.März 1991, die von ihm im Rahmen des Dienstverhältnisses zur N*****AG im Jahre 1990 entrichteten Sozialversicherungsbeiträge als Beiträge zur Höherversicherung anzurechnen oder ihm allenfalls rückzuerstatten, ab.

Sie begründete den Bescheid im wesentlichen damit, daß für den Antragsteller, der seit 1.Dezember 1989 eine Alterspension nach § 253 Abs 2 ASVG beziehe und seit 3.Jänner 1985 als Dienstnehmer der N*****AG der Vollversicherung und damit auch der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliege, im Kalenderjahr 1990 Beiträge zur Pensionsversicherung auf Basis der Höchstbeitragsgrundlage entrichtet worden seien. Der Antragsteller habe aber in diesem Kalenderjahr weder Beiträge zur Höherversicherung noch Beiträge entrichtet, die als zur Höherversicherung geleistet gelten würden. Beiträge, die zur Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung bis zur Höchstbeitragsgrundlage geleistet wurden, seien keine Höherversicherungsbeiträge. Die Rückerstattung dieser wirksam entrichteten Beiträge sei ausgeschlossen.

Nach der Rechtsmittelbelehrung könne aufgrund dieses Bescheides innerhalb der unerstreckbaren Frist von drei Monaten ab Zustellung Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien erhoben werden, wodurch der Bescheid im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft trete.

Innerhalb der in dieser Rechtsmittelbelehrung angegebenen Frist erhob der Kläger beim angegebenen Arbeits- und Sozialgericht Klage. Darin stellte er das Hauptbegehren, die beklagte Partei habe ihm die von ihm im Jahre 1990 entrichteten Pensionsversicherungsbeiträge binnen vierzehn Tagen zurückzuerstatten, und das Eventualbegehren, die beklagte Partei habe die vom Kläger im Jahre 1990 entrichteten Pensionsversicherungsbeiträge zur Höherversicherung des Klägers anzurechnen. Diese Verpflichtungen würden sich aus § 70 Abs. 1 ASVG ergeben. Den im genannten Jahr geleisteten Pensionsversicherungsbeiträgen stünde keine Gegenleistung der beklagten Partei gegenüber und könne auch niemals gegenüber stehen. Dies sei verfassungswidrig.

Die beklagte Partei beantragte die Zurückweisung des Hauptbegehrens, weil es sich dabei um keine Sozialrechtssache handle, und die Abweisung des Eventualbegehrens aus den schon im Bescheid angeführten Gründen, allenfalls auch dessen Zurückweisung, weil beitragsrechtliche Fragen zu den Verwaltungssachen gehörten.

Darauf replizierte der Kläger, hier stünde nicht seine Beitragspflicht an sich zur Debatte, sondern im Zusammenhang mit der "absehbar vergeblich geleisteten Zahlung von Pensionsversicherungsbeiträgen im Zusammenhang stehenden Rechtsfolgen derselben".

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren mit Beschluß zurück, weil es sich bei der Rückerstattung von Beiträgen um keine Sozialrechtssache handle. Mit Urteil erkannte es hingegen die beklagte Partei schuldig, die vom Kläger an sie im Jahr 1990 aus seinem Dienstverhältnis zur N*****AG entrichteten Pensionsversicherungsbeiträge zu seiner Höherversicherung im Rahmen der Alterspension anzurechnen.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen bezieht der Kläger von der beklagten Partei seit 1.Dezember 1989 eine Alterspension. Daneben ist er bei der N*****AG als Angestellter beschäftigt und zur Sozialversicherung gemeldet. Er unterliegt diesbezüglich der Vollversicherung und hat im Jahre 1990 Sozialversicherungsbeiträge, darunter auch Pensionsversicherungsbeiträge an die beklagte Partei auf Basis der Höchstbeitragsgrundlage entrichtet.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes beziehe sich § 70 Abs. 1 ASVG zwar nur auf die Überschreitung der Höchstbeitragsgrundlage bei einer oder mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungen. Der Fall einer neben einem Pensionsbezug ausgeübten Beschäftigung werde davon nicht ausdrücklich erfaßt. Diese Bestimmung sei jedoch auch analog anzuwenden, wenn zwei oder mehrere Pensionsversicherungsbeiträge - wie im Falle des Klägers - nicht gleichzeitig sondern nacheinander entrichtet wurden. Die Vorgangsweise der beklagten Partei führe dazu, daß der Kläger erhebliche Beiträge zahlen müsse, denen von Anfang an erkennbar niemals Versicherungsleistungen gegenüberstehen würden.

Der Zurückweisungsbeschluß blieb von beiden Parteien unangefochten.

Gegen das Urteil erhob die beklagte Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung Berufung, in der sie die Abändeurng des angefochtenen Urteils im klageabweisenden Sinn beantragte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und verpflichtete die beklagte Partei, dem Kläger die halben Kosten des Verfahrens erster Instanz und der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Nach dem ASVG bestehe keine Möglichkeit, die für das Beschäftigungsverhältnis des Klägers zur N*****AG auf der Basis der Höchstbeitragsgrundlage entrichteten Beiträge als Beiträge zur Höherversicherung anzurechnen. Wegen der Aufhebung des mit der 29. ASVGNov eingeführten § 261a ASVG, der einen Zuschlag zur Alterspension für höchstens 36 während des Bestandes eines solchen Pensionsanspruches erworbene Beitragsmonate für jene Personen vorgesehen hatte, die zwar ihren Pensionsanspruch realisiert, aber durch Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit weitere Versicherungszeiten erworben hatten, stelle das nunmehrige Fehlen einer entsprechenden Bestimmung keine planwidrige Lücke dar, weshalb keine Möglichkeit bestehe, sie durch Analogie zu schließen. Abgesehen davon träfen die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 ASVG schon deshalb nicht zu, weil die Höchstbeitragsgrundlage beim Kläger nicht überschritten sei. Die nach Anfall der Alterspension erworbenen Versicherungszeiten und die abgeführten Beitragsleistungen könnten daher vor Eintritt des Versicherungsfalles des Todes (§ 264 Abs. 1 lit. c ASVG) nicht berücksichtigt werden. Die Aufhebung des § 261a ASVG idF der 29. ASVGNov. und das bewußte Unterlassen einer Berücksichtigung der Pflichtbeiträge aus einem neben der Pension ausgeübten Beschäftigungsverhältnis beruhe auf der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des einfachen Gesetzgebers und sei verfassungsrechtlich unbedenklich.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der Revision war iS des § 42 Abs. 1 JN die Unzulässigkeit des Rechtsweges wahrzunehmen.

Sozialrechtssachen sind (nur) Rechtsstreitigkeiten über die im § 65 Abs. 1 ASGG bezeichneten Gegenstände.

Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei einen Antrag des Klägers, die von ihm im Rahmen seines Dienstverhältnisses zur N*****AG im Jahre 1990 entrichteten Sozialversicherungsbeiträge als Beiträge zur Höherversicherung anzurechnen, bescheidmäßig abgelehnt, wogegen der Kläger eine Klage mit dem Begehren erhob, die beklagte Partei sei schuldig, die von ihm im Jahre 1990 entrichteten Pensionsversicherungsbeiträge zu seiner Höherversicherung anzurechnen.

Der Kläger stützte dieses Begehren auf § 70 Abs. 1 ASVG.

Ob diese Gesetzesstelle analog auf den vorliegenden Fall angewendet werden kann, in dem ein Vollversicherter beim Träger der Pensionsversicherung die Anrechnung des gesamten im Jahr 1990 entrichteten Beitrages zur Pensionsversicherung für die Höherversicherung, allenfalls die Erstattung dieses Beitrages beantragte, kann dahingestellt bleiben.

Sowohl bei der Erstattung entrichteter Beiträge als auch bei der Anrechnung von entrichteten Beiträgen für die Höherversicherung geht es nicht um Angelegenheiten, bei denen es sich um 1. die Feststellung des Bestandes, des Umfanges oder des Ruhens eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung oder 4. die Feststellung von Versicherungszeiten der Pensionsversicherung außerhalb des Leistungsfeststellungsverfahrens auf Antrag des Versicherten (§ 247) handelt (die anderen Ziffern des § 65 Abs. 1 kommen keinesfalls, also um keine Leistungssachen iS des § 354 ASVG. Der Kläger begehrt nämlich nicht etwa eine höhere Pensionsleistung auf Grund seiner derzeitigen Beschäftigung, sondern die Anrechnung der Beiträge für die Höherversicherung, wobei unklar ist, ob es sich dabei um die Höherversicherung in seinem derzeitigen Arbeitsverhältnis handeln soll, was offenbar nicht angestrebt wird, oder wo diese Höherversicherung sonst zum Tragen kommen soll. Sollte der Kläger, was seine Ausführungen in der Klage vermuten lassen, die Berücksichtigung dieser Beiträge bei der Berechnung seiner Pension anstreben, dann findet dies im Klagebegehren jedenfalls keinen Ausdruck. Das tatsächlich gestellte Begehren kann daher auch nicht zum Gegenstand einer Sozialrechtssache iS des § 65 Abs. 1 ASGG gemacht werden.

Alle nicht gemäß § 354 ASVG als Leistungssachen geltenden Angelegenheiten, für die nach § 352 leg. cit. die Bestimmungen des Siebenten Teiles des ASVG gelten, sind nach dessen § 355 Verwaltungssachen, zu denen insbesondere 3. Angelegenheiten der Beiträge der Versicherten und ihrer Dienstgeber, einschließlich der Beitragszuschläge nach § 113, gehören.

Das wurde hinsichtlich des rechtskräftig zurückgewiesenen Hauptbegehrens auf Erstattung der im Jahr 1990 entrichteten Beiträge zur Pensionsversicherung schon vom Erstgericht zutreffend erkannt, gilt aber auch für das von den Vorinstanzen mit Urteil erledigte Eventualbegehren auf Anrechnung dieser Beiträge zur Höherversicherung.

Obwohl diese Beiträge für die vom Kläger seit 1.Dezember 1989 bezogene Alterspension, also eine Leistung aus dem am 20.November 1989 eingetretenen Versicherungsfall, unwirksam sind (§ 230 Abs. 1 ASVG), könnten sie sich nach § 264 Abs. 1 lit. c und § 266 leg. cit. auf die Höhe einer allfälligen Witwenpension oder Waisenpension auswirken. Trotzdem handelt es sich derzeit noch nicht um eine Rechtsstreitigkeit über den Umfang eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung iS des § 354 Z 1 ASVG und § 65 Abs. 1 Z 1 ASGG (ähnlich SSV-NF 2/61).

Die Rechtsstreitigkeit betrifft aber auch nicht den Bestand von Versicherungszeiten der Pensionsversicherung iS der Z 4 dieser Gesetzesstellen, weil es nicht darum, sondern um die Art der Anrechnung geleisteter Beiträge geht. Übrigens wäre im Hinblick auf die bereits bezogene Alterspension ein solcher Feststellungsantrag nach § 247 ASVG gar nicht mehr zulässig (ähnlich SSV-NF 2/61).

Da der Mangel der Unzulässigkeit des Rechtsweges erst im Revisionsverfahren offenbar wurde, waren die Urteile der Vorinstanzen und das vorangegangene Verfahren nach § 42 Abs. 1 JN als nichtig aufzuheben und nach § 73 ASGG die Klage (als solche) zurückzuweisen (Kuderna, ASGG 393 f).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit b ASGG und § 51 Abs 2 ZPO.

Anmerkung

E32301

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00275.92.1124.000

Dokumentnummer

JJT_19921124_OGH0002_010OBS00275_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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