TE OGH 1992/12/15 4Ob2/93

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Veröffentlicht am 15.12.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.pharm.Tivadar M*****, vertreten durch Dr.Joachim Hörlsberger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei B*****Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hilbert Aubauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe von Ursprungszeugnissen (Streitwert S 60.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25.Juni 1992, GZ 5 R 159/91-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes vom 18. März 1991, GZ 37 Cg 325/90-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.348,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 724,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger betreibt in Wien 9. eine Apotheke sowie den Großhandel mit Drogen und Pharmazeutika. Im Rahmen dieser Tätigkeit kauft er seit mehreren Jahren von österreichischen Arzneimittelgroßhändlern aus dem EG- oder EFTA-Raum stammende Arzneimittel und führt diese in der Folge (wieder) in die Bundesrepublik Deutschland aus. Aus dem Export von Arzneimitteln erzielt er einen monatlichen Umsatz von rund S 60.000.

Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der Bo***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland und gehört dem internationalen Firmenverband von Bo***** an. Sie steht nach Maßgabe der Bestimmungen des GmbHG in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Muttergesellschaft. Innerhalb des Firmenverbandes von Bo***** bezieht sie ua auch die Präparate Effortil, Catapresan und Dogmatil und verkauft diese an die Johann K***** GmbH weiter. Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht weder eine Geschäftsbeziehung noch ein Vertragsverhältnis. Am 2.3.1990 kaufte der Kläger von der K***** GmbH ua zehn Schachteln Effortil-Tropfen, zehn Schachteln Effortil- Depot Kapseln, zehn Schachteln Catapresan-Tabletten und zehn Schachteln Dogmatil-Tabletten. Diese Arzneimitteln hatte die Beklagte nach Österreich eingeführt und der K***** GmbH verkauft.

Mit Schreiben vom 8.4.1988 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß er für den Export von Medikamenten eine Bestätigung benötige, wonach die von der Beklagten "erzeugten oder importierten und auf den österreichischen Markt gebrachten bzw im österreichischen Handel befindlichen Medikamente Ursprungserzeugnisse im Sinne des Protokolls Nr. 3 zum EG-Abkommen bzw im Sinne des Anhanges B zum EFTA-Abkommen" seien. Er ersuchte um Ausstellung und Zusendung dieser Bestätigungen. Die Beklagte lehnte dieses Ersuchen mit Schreiben vom 27.4.1988 unter Hinweis darauf ab, daß sie als Mitglied eines internationalen Firmenverbandes die strikte Anweisung habe, nur für den österreichischen Markt tätig zu werden; ihr sei es daher nicht möglich, die Ursprungsbestätigungen zu übersenden.

Mit Bescheid vom 13.7.1988 stellte das Zollamt Wien fest, daß der Kläger zu Unrecht Ursprungserklärungen über bestimmte Arzneimittel ausgestellt habe; er habe keine ausreichenden Nachweise beigebracht, welche die Ursprungseigenschaft der Ausfuhrgüter belegen könnten. Mit Berufungsentscheidung vom 3.8.1989 wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland die dagegen vom Kläger erhobene Berufung als unbegründet ab. Auch die vom Kläger hierauf erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde blieb erfolglos; der VwGH wies sie mit Erkenntnis vom 18.1.1990, Zl. 89/16/0194-6 als unbegründet ab. § 11 Abs 1 Integrations-DurchführungsG (IDG) BGBl 1987/623 enthalte eine Beweislastregel. Der Exporteur habe den Nachweis für die Richtigkeit der von ihm ausgestellten Ursprungsnachweise zu erbringen, widrigenfalls davon auszugehen sei, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Vorzugszöllen nicht gegeben sind. Der Exporteur habe alle nach der Lage des Einzelfalles erforderlichen und geeigneten Unterlagen, wie Rechnungen, Einfuhrpapiere, Frachtpapiere, Lieferscheine der Vorlieferanten, nachzuweisen. Dem wahren Ursprung komme aus Wettbewerbsgründen angesichts der damit verbundenen Zollfreiheit im präferenzberechtigten Handel eine entscheidende wirtschaftliche Bedeutung zu. Der Beweis müsse in geschriebener Form erbracht werden.

Am 2.3.1990 teilte der Kläger der Beklagten schriftlich mit, welche von ihr importierten und weiterverkauften Medikamente er am selben Tag von den Firmen K***** und H***** häufig erworben habe. Da er beabsichtige, diese Medikamente zu exportieren, benötige er von der Beklagten die entsprechenden Ursprungszeugnisse im Sinne des Protokolls Nr. 3 zum EG-Abkommen bzw im Sinne des Anhanges B zum EFTA-Abkommen oder die Mitteilung der Nummer und des Datums jener Warenverkehrsbescheinigung, mit der diese Medikamente nach Österreich eingeführt wurden. Sollte die Beklagte ihre im April 1988 eingenommene Haltung aufrechterhalten, dann wäre er gezwungen, mit Klage gegen sie vorzugehen.

Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm Durchschriften oder Fotokopien oder Originale der Warenerklärungen betreffend die in den Jahren 1989/1990 erfolgte Einfuhr nach Österreich der Medikamente (Arzneimittelspezialitäten) Effortil-Tropfen zu 50 g, Effortil- Depot-Kapseln zu 50 Stück, Catapresan-0,150 mg Tabletten zu 100 Stück und Dogmatil-200 mg Tabletten zu 50 Stück, die in diesem Zeitraum an die Johann K*****Gesellschaft mbH in K***** verkauft und geliefert wurden, herauszugeben oder die entsprechenden Warenerkärungsnummern dieser Einfuhren genauestens bekanntzugeben und eine Erklärung auszustellen und zu übermitteln, wonach diese Waren ohne jede Ver- und Bearbeitung an die Johann K***** Gesellschaft mbH in K***** verkauft und geliefert wurden, so daß sie den Bedingungen des Protokolls Nr. 3 für die Ausstellung der Warenbescheingung EUR 1 entsprechen. Für den Fall der Abweisung dieses Begehrens erhob der Kläger das Eventualbegehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, es beim Verkauf aus dem Europäischen Integrationsraum importierter Arzneimittel zu unterlassen, diese an die Johann K***** Gesellschaft mbH, K***** ohne Durchschriften oder Fotokopien oder Originale der bei der Einfuhr nach Österreich ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen auszuliefern. Für den Fall der Abweisung auch dieses Begehrens stellte er das weitere Eventualbegehren auf Feststellung, daß die Beklagte beim Verkauf aus dem Europäischen Integrationsraum eingeführter Arzneimittel, insbesondere der von der Firma Bo*****, hergestellten Präparate Effortil-Tropfen zu 50 g, Effortil-Depot Kapseln zu 50 Stück, Catapresan-0,150 mg Tabletten zu 100 Stück und Dogmatil- 200 mg Tabletten zu 50 Stück, an die Johann K***** Gesellschaft mbH, K***** verpflichtet ist, diesem Unternehmen die bei der Einfuhr der Präparate ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen auszuhändigen. Er stütze seinen Anspruch darauf, daß die Beklagte die genannten Urkunden als vertragliche Nebenpflicht auszustellen habe, weil der Vertrag zwischen ihr und der K***** Gesellschaft mbH Schutzwirkungen zugunsten des Klägers entfalte. Die Beklagte verletze kartellrechtliche Bestimmungen, da sie mit ihrer Muttergesellschaft ein Exportkartell vereinbart habe. Das Verhalten der Beklagten sei auch sittenwidrig, weil sie sich nicht wettbewerbsneutral und gesetzeskonform verhalte.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger begehe einen Rechtsmißbrauch, wenn er die nicht durch den freien Markt, sondern infolge unterschiedlicher gesetzlicher Regelungen entstandenen Preisunterschiede in den einzelnen westeuropäischen Ländern ausnützen wolle. Die Beklagte sei nur für die Versorgung des inländischen Marktes zuständig; ein internationaler Handel sei für öffentliche Apotheken nicht vorgesehen. Die in der Klage erwähnten Präparate seien in der Bundesrepublik Deutschland nahezu 2 1/2-mal so teuer wie in Österreich, so daß mit einer umfangreichen Exportätigkeit des Klägers zu rechnen sei. Es bestehe weder ein gesetzlicher noch ein vertraglicher Anspruch gegen die Beklagte; diese habe auch nicht gegen § 1 UWG verstoßen.

Der Erstrichter wies das Haupt- und die beiden Eventualbegehren ab. Zwischen den Streitteilen bestehe kein Vertrag und keine Geschäftsbeziehung. Die Beklagte habe die Arzneimittel der Firma K***** GmbH verkauft. Welchen Inhalt dieser Vertrag gehabt habe und welcher Zusammenhang zwischen diesem Vertrag und dem später vom Kläger mit der K***** GmbH abgeschlossenen Kaufvertrag bestanden haben solle, werde vom Kläger nicht näher dargelegt; auch sei nicht erkennbar, warum die Beklagte den Vertrag mit der K***** GmbH verletzt haben und inwiefern der Kläger durch den zwischen der K***** GmbH und der Beklagten abgeschlossenen Vertrag begünstigt werden sollte. Das Hauptbegehren finde weder in einem Vertrag noch in einer gesetzlichen Bestimmung Deckung. Das Eventualbegehren auf Unterlassung sei in der konkreten Formulierung nicht vollstreckbar, weil es nicht überprüfbar sei; überdies sei es schikanös. Es sei unverständlich, warum die Beklagte Lieferungen an die K***** GmbH einer Sonderbehandlung unterziehen müßte; auch sei kein vernünftiger Grund zu erkennen, warum die Beklagte der K***** GmbH in Zukunft Arzneimittel nur noch mit Warenverkehrsbescheinigungen ausliefern sollte. Mangels Verstoßes der Beklagten gegen eine gesetzliche Bestimmung liege auch keine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG vor. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, dem Kläger in seinem Zollverfahren zu Hilfe zu kommen und ihm für dieses Zollverfahren Beweisurkunden auszustellen. Der Kläger habe gegenüber den Zollbehörden unrichtige Erklärungen abgegeben, da aus seinen Geschäftsunterlagen der erforderliche Warenursprung nicht nachgewiesen werden könne; für diese unrichtigen Angaben habe nur der Kläger einzustehen. Grundsätzlich könne der Kläger von der Beklagten nicht verlangen, daß sie ihm dabei behilflich sei, von einer Zoll- oder Abgabepflicht befreit zu werden. Nach § 11 Abs 1 ArzneimittelG dürften Arzneimittelspezialitäten im Inland erst nach ihrer Zulassung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz abgegeben werden. Arzneimittel, die den österreichischen Vorschriften entsprechen, seien grundsätzlich nur für den inländischen Vertrieb bestimmt. Wenn der Kläger solche Arzneimittel bei einem anderen Arzneimittelgroßhändler kaufe und dann in ausländische Absatzgebiete verkaufen wolle, stehe ihm das grundsätzlich frei; er habe jedoch die damit verbundenen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten selbst zu lösen. Der Kläger habe nicht behauptet, daß er Arzneimittel gekauft hätte, die zum Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt waren oder bereits den gesetzlichen Vorschriften für dieses Exportland entsprochen hätten; er habe vielmehr "österreichische Arzneimittel" gekauft. Es sei nicht zu erkennen, warum die Beklagte verpflichtet wäre, dem Kläger beim Planen seiner Zollbefreiung zu helfen und zugleich ihrer Muttergesellschaft damit zu schaden. Von einem Exportverbot könne keine Rede sein; dem Kläger gehe es nur um die Erlangung von Vorzugszöllen. Auch die Eventualbegehren seien daher nicht berechtigt. Was das Feststellungsbegehren anlange, habe der Kläger sein Feststellungsinteresse nicht begründet.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. In Lehre und Rechtsprechung sei es zwar allgemein anerkannt, daß Schutz- und Sorgfaltspflichten nicht nur zwischen den Vertragspartnern, sondern auch gegenüber bestimmten dritten Personen bestehen, die zwar aus dem Vertrag nicht unmittelbar berechtigt sind, aber der vertraglichen Leistung nahestehen. Begünstigte Personen in diesem Sinn seien aber nur Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Vertragsabschluß voraussehbar war und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte oder an denen er ein sichtbares Interesse hat oder denen er offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist. Damit sollten Schadenersatzansprüche eines Geschädigten, der mit dem Auftraggeber in keinem Vertragsverhältnis steht und dem sonst nur deliktische Ansprüche zustünden, auf Grund von Vertragsverletzungen ermöglicht werden. Ein solches Naheverhältnis liege hier jedoch nicht vor. Schließt ein Importeur einen Kaufvertrag über importierte Arzneien mit seinem Großhändler ab, der sie dann an Apotheker weiterverkauft, dann könne keine Rede davon sein, daß der Apotheker in Ansehung des Vertrages zwischen Importeur und Großhändler als Begünstigter anzusehen und demnach berechtigt sei, unmittelbar gegen den Importeur Ansprüche zu erheben.

Aber auch der Versuch des Klägers, die Weigerung der Beklagten, Ursprungszeugnisse oder andere Urkunden herauszugeben, als sittenwidriges Verhalten und damit als Wettbewerbsverstoß darzustellen, der einen Unterlassungsanspruch im Sinne des ersten Eventualbegehrens rechtfertigen könnte, sei verfehlt. Jeden Wirtschaftssubjekt stehe es grundsätzlich frei, sein Verhalten als Anbieter oder Nachfrager nach eigenem Ermessen zu bestimmen, wobei sich die Grenzen wettbewerblich erlaubten Verhaltens nach den Bestimmungen des UWG bestimmten. Unter "Behinderung" im Sinn des § 1 UWG würden Wettbewerbshandlungen verstanden, die den Mitbewerber daran hindern, dem Kunden seine Leistung zum Vergleich mit den Leistungen anderer Mitbewerber zu stellen, und ihn dadurch vom Leistungswettbewerb ausschalten. Voraussetzung für einen Schutz gegen Behinderung sei, daß die Betätigung des verhinderten Mitbewerbers auch schutzwürdig ist; das treffe aber hier nicht zu: Der Kläger werde durch die Weigerung der Beklagten, Ursprungszeugnisse udgl. herauszugeben, keineswegs gehindert, die vom Vertragspartner der Beklagten gekaufte Ware wieder in das Ursprungsland auszuführen; vielmehr sei er nur mangels Vorlage der Ursprungszeugnisse nicht in der Lage, die für einen solchen Reexport vorgesehenen Zollbegünstigungen in Anspruch zu nehmen und unter Ausnützung des Preisgefälles in der Bundesrepublik Deutschland günstiger anzubieten. Die Beklagte sei zu einem Verhalten, das letztlich nur darauf hinauslaufe, die Wettbewerbsposition des Klägers auf dem deutschen Markt und damit auch gegenüber dem Mutterunternehmen der Beklagten zu begünstigen, nicht verpflichtet; eine solche Pflicht könne auch nicht aus dem vom Kläger zitierten internationalen Abkommen abgeleitet werden. Dem Kläger fehle es im übrigen auch am rechtlichen Interesse an der mit dem zweiten Eventualbegehren verlangten Feststellung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändenr, daß dem Klagebegehren stattgegeben wird.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig, weil ein gleichartiger Sachverhalt noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war; sie ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger hält auch in dritter Instanz an seiner Ansicht fest, daß der Kaufvertrag zwischen der Beklagten und der K***** GmbH (auch) ihm als Dritten gegenüber Schutzwirkungen entfalte. Die Beklagte habe gewußt, daß die von ihr an einen Großhändler veräußerten Waren nicht bei ihrem Vertragspartner liegen bleiben, sondern in jedem Fall und notwendigerweise weiterverkauft würden. Der mit der Beklagten in keinem unmittelbaren Vertragsverhältnis stehende Zwischenhändler oder Endabnehmer sei daher genau jener Dritter, dem im Fall von Vertragsverletzungen ohne die Konstruktion der Schutzpflichten zugunsten Dritter kein Anspruch gegen die Beklagte zustünde. Von dem Grundsatz, daß in den Schutzbereich eines solchen Vertrages nur die absoluten Schutz genießenden Güter dritter Personen, nicht aber auch bloße Vermögensschäden, einzubeziehen sind, werde dann eine Ausnahme gemacht, wenn die Hauptleistung - wie hier - gerade einem Dritten zukommen solle. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß die Beklagte davon habe ausgehen müssen, der von ihr belieferte Großhändler sei nur kaufmännische Zwischenstation auf dem Weg zum Zwischenhändler oder Endabnehmer. Dem kann nicht gefolgt werden:

Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist heute in Rechtsprechung und Lehre allgemein anerkannt, daß Schutz- und Sorgfaltspflichten als vertragliche Nebenpflichten des Schuldners nicht nur gegenüber seinem Vertragspartner, sondern auch gegenüber dritten Personen bestehen können; in diesem Fall erwirbt der Dritte unmittelbare vertragliche Ansprüche gegen den Schuldner (SZ 58/4 mwN;

SZ 59/189; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 85; Koziol-Welser9 I 309;

Reischauer ihn Rummel, ABGB2 Rz 30 bis 32 zu § 1295 mwN aus Lehre und Rechtsprechung). Der Kreis der geschützten Dritten ist allerdings auf Grund umfassender Interessenabwägung zu umgrenzen (SZ 58/4 mwN aus der Literatur). Ein erhöhtes Schutzbedürfnis besteht nur bei jenen Personen, die durch die Vertragserfüllung in erhöhtem Maß gefährdet werden und der Interessensphäre eines Partners angehören (Koziol aaO 86; Koziol-Welser aaO). Im Anschluß an Bydlinski (Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter, JBl 1960, 359 ff) - er formulierte: "Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Vertragsabschluß voraussehbar war und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist, werden vom Vertrag mitgeschützt" -verlangt die Rechtsprechung, daß der Dritte der vertraglichen Leistung nahesteht (SZ 49/14; SZ 58/4 mwN), für den Schuldner der Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung bei Vertragsabschluß voraussehbar war (SZ 51/169; SZ 58/4; SZ 59/189) und entweder der Vertragspartner den Dritten durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigen wollte oder dem Dritten selbst rechtlich zur Fürsorge verpflichtet war (SZ 49/14; SZ 58/4; SZ 59/189 ua).

Daß die K***** GmbH die von der Beklagten erworbenen Arzneimittel ihrerseits weiterveräußern werde, war für die Beklagte gewiß voraussehbar. Hätte der Kläger durch die von der Beklagten vertriebenen Produkte etwa einen Schaden an seiner Gesundheit oder an einem sonstigen absoluten Recht erlitten, dann wäre die Haftung der Beklagten zu bejahen. Davon ist aber hier keine Rede: Der Kläger vermißt nur bestimmte Bestätigungen der Beklagten, die es ihm ermöglichen könnten, die von der Beklagten aus der Bundesrepublik Deutschland eingeführten Waren dorthin zollfrei zu reexportieren. Eine Pflicht, die Möglichkeit zur Erzielung eines Gewinnes durch Reexport zu verschaffen, hat aber die Beklagte nicht einmal gegenüber ihrer unmittelbaren Vertragspartnerin, der K***** GmbH, übernommen; umso weniger kann sich der Kläger als Dritter auf eine solche Schutzpflicht der Beklagten berufen. Die Beklagte hat von ihrer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Muttergesellschaft Arzneimittel gekauft, um sie nach Österreich einzuführen und - nach der erforderlichen verwaltungsbehördlichen Genehmigung (§ 11 Abs 1 ArzneimittelG) - auf den österreichischen Markt zu bringen. Ihr mußte bewußt sein, daß die von ihr an einen Großhändler verkauften Arzneimittel allenfalls an weitere Zwischenhändler, dann an Einzelhändler (Apotheker) und letztlich an Verbraucher (Patienten) gelangen würden. Damit, daß ein Großhändler diese Arzneimittel, um auf Grund des bestehenden Preisgefälles höhere Gewinne zu erzielen, wiederum in die Bundesrepublik Deutschland ausführen wolle, mußte sie aber nicht rechnen; vor allem besteht für sie keinerlei Pflicht, einen späteren Abnehmer in diesem Vorhaben irgendwie zu unterstützen.

Im übrigen ist es herrschende Lehre (Koziol aaO 87; Koziol-Welser aaO; aM Reischauer aaO Rz 34) und Rechtsprechung (SZ 51/169; SZ 60/91; SZ 61/64 ua), daß das bloße Vermögen dritter Personen nicht in den Schutzbereich einzubeziehen ist, wird doch für bloße Vermögensschäden in aller Regel nicht gehaftet. Das Klagehauptbegehren auf Herausgabe bestimmter Bestätigungen soll aber nur das Vermögen, nicht jedoch absolute Rechte des Klägers schützen. Eine Ausnahme von dieser Regel ist dann zu machen, wenn die Hauptleistung gerade einem Dritten zukommen soll (Koziol aaO 88; Koziol-Welser aaO 309 f; SZ 60/91 mwN; JBl 1991, 522). Das ist insbesondere der Fall bei Verträgen zugunsten Dritter und bei mittelbarer Stellvertretung (Koziol aaO) - wie etwa bei einem Überweisungsauftrag an eine Bank (SZ 60/91; JBl 1992, 713) - der Fall. Soweit sich der Kläger auf diese Ausnahme beruft, mißversteht er die Rechtslage völlig. Daß bei Abschluß des Kaufvertrages zwischen der Beklagten und der K*****GmbH die Hauptleistung - die Lieferung von Medikamenten - gerade dem Kläger (als einem der möglichen Zwischenhändler) zukommen sollte, trifft nicht zu. Der Kläger selbst kann nicht behaupten, daß die Beklagte der Firma K***** mit der Absprache geliefert hätte, sie solle diese Waren ausgerechnet dem Kläger zu dem Zweck liefern, daß er sie nach Deutschland reexportiere.

Aber auch aus dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ÖEWGA) BGBl 1972/466 ergibt sich keine rechtliche Pflicht der Beklagten, die vom Kläger verlangten Unterlagen herauszugeben. Art 13 Abs 1 ÖEWGA legt fest, daß im Warenverkehr zwischen Österreich und der Gemeinschaft keine neuen mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung eingeführt werden. Schon nach diesem Wortlaut ist eindeutig, daß damit die Vertragspartner, also die Republik Österreich und die EWG, eine Verpflichtung eingegangen sind; eine Pflicht der einzelnen Staatsbürger ergibt sich daraus aber nicht. Auch wenn man aber der Meinung folgen wollte, daß Art 13 ÖEWGA unmittelbar anwendbares Recht ist, welches keiner Konkretisierung durch innerstaatliche Vorschriften bedarf (in diesem Sinne Eilmansberger, Zur Auslegung des Integrations-Durchführungsgesetzes, WBl 1990, 367 f [370]; der Oberste Gerichtshof hat diese Frage in ÖBl 1989, 120 ausdrücklich offen gelassen), könnte das nur die zuständigen Behörden zu einer entsprechenden Vorgangsweise, insbesondere - wie Eilmansberger meint (aaO 371) - zu einer die Ein- und Ausfuhr begünstigenden Auslegung der einschlägigen Vorschriften (§§ 9 und 11 IDG) verpflichten, nicht aber eine Handlungspflicht einzelner Unternehmer begründen.

Auch aus Art 23 ÖEWGA und den auf Grund dessen erlassenen Vorschriften des Kartellgesetzes [1972, nunmehr 1988] (Gugerbauer,

Das Kartellgesetz 22, Rz 1 zu § 7; Eilmansbeger aaO 369) läßt sich für den Kläger nichts gewinnen. Die beanstandete Weigerung der Beklagten, Ursprungszeugnisse und sonstige Unterlagen für die von ihr vertriebenen Waren herauszugeben, begründet für sich kein Kartell; darin liegt weder ein Vereinbarungskartell (§ 10 KartG) noch ein Verhaltenskartell, das ja "aufeinander abgestimmte ... Verhaltensweisen von wirtschaftlich selbständig bleibenden Unternehmern oder von Verbänden von Unternehmern" voraussetzt (§ 11 Abs 1 KartG 1988). Seine Behauptung, zwischen der Muttergesellschaft und der Beklagten sei eine Wettbewerbsbeschränkung vereinbart worden, gründet der Kläger ausdrücklich auf die eigenen Angaben der Beklagten

im Schreiben vom 27.4.1988 (S. 51 f). Die dort von der Beklagten behauptete "strikte Anweisung (der Muttergesellschaft), nur für den österreichischen Markt tätig zu werden", ist jedoch nicht als Kartell zu werten. Die Beklagte steht - wovon beide Parteien ausgehen (Kl. S. 7 f; Bekl. S. 35) - auf Grund der Beteiligungsverhältnisse unter dem beherrschenden Einfluß ihrer Muttergesellschaft; beide zusammen gelten demnach als Konzern (§ 115 Abs 2 GmbHG).

Wettbewerbsbeschränkungen innerhalb eines Konzerns unterliegen aber nicht dem Kartellgesetz (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, Bd. 1, Österr. u. Europäisches Kartellrecht 105). Wo einheitliche Leitung gesellschaftsrechtlich möglich und zulässig ist, kann die Konzernspitze das Marktverhalten der Konzernunternehmen bestimmen, ohne diese vertraglich zu binden. Es wäre daher sinnlos, an den Einsatz von Verträgen kartellrechtliche Konsequenzen zu knüpfen (Koppensteiner aaO).

Der Kläger muß auch scheitern, soweit er sich auf einen Mißbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagte beruft (S. 8). Ganz abgesehen davon, daß er keine Tatsachenbehauptung aufgestellt hat, aus der sich die marktbeherrschende Stellung der Beklagten im Sinne des § 34 KartG 1989 (oder Art 23 Abs 1 lit ii ÖEWGA) ergäbe, ist auch kein Mißbrauch einer solchen Stellung im Sinne des § 35 KartG zu erkennen. Die Weigerung der Beklagten, dem Kläger bestimmte Urkunden auszufolgen, ist nicht Ausfluß ihrer besonderen Macht auf dem Markt; auch ein kleines Unternehmen könnte sich gegenüber dem Kläger so verhalten.

Aus den Bestimmungen des Kartellgesetzes ergibt sich somit weder eine Grundlage für das Hauptbegehren des Klägers auf Herausgabe der Unterlagen noch für das Eventualbegehren auf Unterlassung. Dieses hätte überdies zur Voraussetzung, daß die Beklagte - durch Rechtsbruch - sittenwidrig handelt (§ 1 UWG). Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigt es aber nur eine dem Beklagten auch subjektiv vorwerfbare Mißachtung einer Verwaltungsvorschrift, über die bloße Verantwortlichkeit für die Übertretung der betreffenden Vorschrift hinaus auch eine gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlung im Sinne des § 1 UWG anzunehmen; für diese Beurteilung kommt es darauf an, ob die Auffassung des Beklagten über die Bedeutung der Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, daß sie mit gutem Grund vertreten werden kann (SZ 56/2; ÖBl 1990, 199; ÖBl 1992, 114 uva). Angesichts der dargestellten Rechtslage kann aber keine Rede davon sein, daß die von der Beklagten eingenommene Haltung - in der sie auch durch das von ihr vorgelegte Schreiben des Rechtsanwaltes DDr.Walter Barfuß vom 7.3.1990 (Beilage 1) bestärkt wurde - nicht vertretbar wäre, ist doch der Kläger selbst nicht in der Lage, konkret jene Gesetzesvorschrift anzuführen, welche die Beklagte gebrochen habe. Bei dieser Sachlage kann die Frage, ob ein Verstoß gegen das KartG überhaupt zugleich eine Verletzung gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) bedeuten kann (vgl Koppensteiner aaO 262) ff), offen bleiben.

Auf das zweite Eventualbegehren kommt die Revision nicht mehr zurück, so daß darauf nicht mehr einzugehen war (EvBl 1985/154 ua).

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E30805

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00002.93.1215.000

Dokumentnummer

JJT_19921215_OGH0002_0040OB00002_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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