TE OGH 1992/12/16 3Ob576/92

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Veröffentlicht am 16.12.1992
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der außerstreitigen Eheangelegenheit des Antragstellers Siegfried L*****, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Walser, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die Antragsgegnerin Christine P*****, ***** vertreten durch Dr.Rudolf Wieser ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 31.März 1992, GZ 1 b R 52/92-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 24.Jänner 1992, GZ F 9/91-18, in der Hauptsache bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Sache wird an das Erstgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Innerhalb der Jahresfrist nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung der Ehe der Parteien hat der Mann am 11.April 1988 den Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Erspranisse gerichtlich geltend gemacht. Er beantragte, der Frau eine Ausgleichszahlung von (weiteren) S 1,200.000,-- aufzuerlegen, weil ihr das während der Ehe errichtete Haus mit der Ehewohnung geblieben sei und sie ihm nur S 400.000,-- bezahlte.

Die Frau trat dem Verlangen des Mannes entgegen.

Zwischen den geschiedenen Ehegatten besteht nur Uneinigkeit, mit welchem Betrag der Mann dafür abzufinden ist, daß die Liegenschaft im Alleineigentum der Frau blieb. Beide Teile hatten schon vor der Scheidung je einen Bausachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens über den Wert der Liegenschaft betraut und diese Gutachten vom 4.November 1986 und vom 16.Dezember 1986 dem Erstgericht vorgelegt.

Im Verlaufe des Verfahrens ordnete das Erstgericht in der Tagsatzung am 16.Jänner 1989 an, daß zur Ermittlung des Quadratmeterpreises im Jahr 1973 des der Frau von ihrem Vater geschenkten Grundstücks der Sachbefund durch einen Bausachverständigen eingeholt werde.

Im Protokoll ist danach festgehalten:

"Zur Vereinfachung erklären sich beide Vertreter bereit, die von ihnen seinerseits schon beauftragten Privatgutachter Ing.C***** und Ing.K***** mit einer Ergänzung des Gutachtens hinsichtlich dieser Quadratmeterpreise zu beauftragen."

Das Erstgericht vertagte dann die Verhandlung auf unbestimmte Zeit und wartete zu, bis am 30.August 1989 die Rechtsvertreter der geschiedenen Eheleute erfolglos aufgefordert wurden, dem Gericht binnen vier Wochen mitzuteilen, ob nunmehr das ergänzende Gutachten vorliege. Das Erstgericht verfügte am 6.Oktober 1989, bei beiden Parteienvertretern anzufragen, wie die Sache erledigt wurde. Da keine Mitteilung zu den Akten kam, ordnete das Erstgericht am 3.Jänner 1990 an, daß die Beilagen zurückgestellt und die Akten abgelegt werden (§ 391 Geo).

Am 10.September 1991 langte beim Erstgericht ein schriftlicher Antrag des Mannes ein, der nun ein gemeinsames ergänzendes Gutachten der beiden Sachverständigen vorlegte und ersuchte, über seinen Aufteilungsantrag zu entscheiden.

Das Erstgericht beraumte eine Tagsatzung für den 15.November 1991 an. Die Frau wendete nun ein, der Mann sei untätig geblieben, obwohl die Vereinbarung der Parteien in der Verhandlungstagsatzung am 26.Jänner 1989 auf einen Verfahrensstillstand zum Zwecke der außergerichtlichen Regelung einer Sachverhaltsfrage abzielte und die Verfahrensfortsetzung von der Vorlage des gemeinsamen Gutachtens abhängig gemacht wurde. Der Aufteilungsantrag sei präkludiert.

Das Erstgericht schloß sich dieser Ansicht an und wies den Aufteilungsantrag ab. Es stellte fest, daß nach der Vertagung der Tagsatzung vom 26.Jänner 1989 der Rechtsanwalt der Frau den Rechtsanwalt des Mannes verständigte, daß Ing.K***** von der Frau aufgefordert wurde, das Einvernehmen mit Ing.C***** zur Erstellung eines ergänzenden Gutachtens herzustellen, daß dieser aber einen Auftrag des Mannes oder seines Rechtsanwaltes abwarte. Am 6.September 1989 wies der Rechtsanwalt der Frau den Rechtsanwalt des Mannes auf die Aufforderung des Gerichtes vom 30.August 1989 und darauf hin, es liege am Mann, den Sachverständigen Ing.C***** zu beauftragen. Der Mann hatte aber schon im Feber 1989 den Sachverständigen Ing.C***** telefonisch mit der Gutachtensergänzung beauftragt und im September 1989 die Erstellung des Gutachtens betrieben. Das Ergänzungsgutachten des Ing.C***** langte erst im Jahr 1991 beim Rechtsanwalt des Mannes ein, der es unverzüglich dem Gericht vorlegte und es dem Rechtsanwalt der Frau zur Kenntnis brachte. Das Gutachten war von Ing.C***** bereits am 15.November 1989 erstellt und am 3.April 1990 von den beiden Sachverständigen bekräftigt worden.

Das Erstgericht meinte, auf die Präklusivfrist des § 95 EheG seien die Verjährungsbestimmungen analog anzuwenden. Die Fortsetzung des Verfahrens sei nicht Sache des Gerichtes, sondern der Parteien gewesen. Der Mann habe die Erstellung des Gutachtens erst im September 1989 betrieben und sei sodann untätig geblieben, bis das Gutachten bei seinem Rechtsanwalt einlangte und unverzüglich am 9. September 1991 dem Gericht vorgelegt wurde. Der Aufteilungsanspruch des Mannes sei erloschen.

Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die Parteien hätten zwar keine Vereinbarung über einen Verfahrensstillstand getroffen, so daß das Erstgericht das Verfahren fortzusetzen gehabt hätte. Der Mann sei zunächst nicht verpflichtet gewesen, das säumige Erstgericht zu betreiben. Nach dem Verlauf längerer Zeit könne sich die Partei aber nicht mehr darauf berufen, daß das Gericht das Verfahren fortzusetzen hatte. Die Untätigkeit der Partei ohne beachtlichen Grund lasse den Schluß zu, es sei ihr am Verfahrensziel nichts mehr gelegen. Von der Tagsatzung am 26.Jänner 1989 bis zum Einlangen des Gutachtens bei Gericht seien mehr als zweieinhalb Jahre verstrichen. Durch die Zurückstellung der Urkunden am 3.Jänner 1990 sei für die Parteien erkennbar geworden, daß das Gericht von sich aus das Verfahren nicht fortsetzen wolle. Bis zur Vorlage des Gutachtens sei ab diesem Zeitpunkt mehr als die Präklusivfrist des § 95 EheG von einem Jahr verstrichen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs des Mannes ist iSd § 14 Abs 1 AußStrG zulässig und berechtigt.

Die Rechtsansprüche auf nacheheliche Aufteilung des Gebrauchsvermögens gehören in das Verfahren außer Streitsachen (§§ 229 ff AußStrG). Dieses Verfahren ist unter anderem durch den Grundsatz der Amtswegigkeit gekennzeichnet; die Vorschriften über das Ruhen des Verfahren gelten mangels einer entsprechenden Übernahme der Vorschriften für den Prozeß nicht (anders etwa § 37 Abs 3 Z 13 MRG). Das Rekursgericht hat daher zutreffend erkannt, daß das Vorgehen des Erstgerichtes nicht dem Gesetz entsprach, wenn es zwar die Beweisaufnahme durch einen Sachverständigen über den Grundwert der Liegenschaft im Jahre 1973 für geboten hielt, es dann aber - wenn auch auf Grund der von den Parteienvertretern erklärten Bereitschaft - den Parteien überließ, ein ergänzendes Privatgutachten in Auftrag zu geben. Es hätte zumindest nach Ablauf einer angemessenen Frist amtswegig das Verfahren fortzusetzen gehabt und durfte nicht den Antrag einer Partei abwarten, mag auch die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung bestanden haben. Da die Parteien auf die gerichtlichen Anfragen hin untätig blieben, wäre eine Tagsatzung anzuberaumen und allenfalls der erforderliche Beweis durch Einvernahme eines gerichtlichen Sachverständigen abzuführen gewesen.

Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt, soweit er den Akten entnehmbar ist, von der Sachlage, die der Entscheidung EvBl 1991/123 zugrunde lag. Dort war der Verfahrensstillstand dadurch zustande gekommen, daß im Zuge des nachehelichen Aufteilungsverfahrens nach Abschluß eines Teilvergleiches beide geschiedenen Ehegatten vor Gericht übereinstimmend erklärten, das Verfahren nur über Antrag fortsetzen zu wollen. Der Oberste Gerichtshof hat dort gemeint, gegen die Vereinbarung eines Verfahrensstillstandes bestünden keine Bedenken, weil die einvernehmliche Aufteilung den Vorrang vor der außerstreitigen Gerichtsentscheidung habe. Die Fortsetzung des Verfahren habe nicht wie in JBl 1990, 530 dem Gericht, sondern den Parteien oblegen. In diesem Falle führe das Unterbleiben eines Fortsetzungsantrages durch eine dem § 95 EheG, der eine von Amts wegen wahrzunehmende zum sonstigen Anspruchsverlust führende materiellrechtliche Ausschlußfrist normiere (EvBl 1991/123 mwN), entsprechende Zeit zum Anspruchsverlust. Nach den Zielsetzungen des § 95 ABGB sei § 1497 ABGB entgegen der Lehrmeinung Schwinds (EheR2, 339 und in Ehrenzweig3 Familienrecht 116), daß die Fallfrist des § 95 EheG weder gehemmt noch unterbrochen werden könne, auf diese Frist analog anzuwenden. Es genüge nicht, den Antrag in der Frist zu stellen, es müsse auch das Verfahren gehörig fortgesetzt werden.

Im hier zur Entscheidung stehenden Fall hatten beide Teile jeweils für sich vor dem Verfahren Privatgutachten Sachverständiger beschafft. Sie hatten sich zwar erboten, den Sachverständigen einen Auftrag zu einer ergänzenden weiteren Begutachtung zu erteilen, und hatten dies auch getan. Dem Protokoll ist aber nicht zu entnehmen, daß die Parteien eine weitere Tätigkeit des Gerichtes von der Vorlage der ergänzenden Gutachten abhängig machen oder überhaupt darauf verzichten wollten, daß das Verfahren amtswegig vorangetrieben werde. Es bestand daher auch keine Pflicht des Mannes, entsprechende Anträge zu stellen, auch wenn aus der Rückstellung der vorgelegten Urkunden der Schluß gezogen werden mußte, das Gericht sei nicht bereit, vor einer Mitteilung der Parteien und der Erstellung des Privatgutachtens weitere Verfahrensschritte zu setzen.

Der erkennende Senat hat in Fortführung der zu den Verjährungsbestimmungen ergangenen Rechtsprechung, eine gehörige Fortsetzung durch den Kläger fehle auch dann, wenn er zwar eine Tätigkeit des Gerichtes erwarten durfte, aber durch eine lange Zeit das Gericht nicht betreibe (SZ 58/112; JBl 1990, 530 ua), zu 3 Ob 560/91 = EvBl 1992/34 am 13.November 1991 entschieden, daß der Kläger bei Fehlen besonderer Umstände erst bei einer Untätigkeit von drei Jahren so zu behandeln ist, als hätte er von vorneherein nicht die Klage innerhalb der dreijährigen Verjährungszeit angebracht. An diesem Grundsatz ist allgemein festzuhalten. Das Rekursgericht hat offenbar wegen der Kürze der Frist des § 95 EheG gemeint, auch die Untätigkeit durch ein Jahr lasse die Annahme zu, daß der Antragsteller das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt habe. Ist aber das Gericht verpflichtet, von sich aus das Verfahren fortzusetzen, ohne daß dies von einem Schritt der Partei abhängig wäre, so ist es nicht sachgerecht, den Zeitraum der der Partei zuzubilligenden Geduld unterschiedlich nach der Dauer der einzelnen Verjährungs- oder sonstigen Fristen zu bemessen. Erst ein überlanges Zuwarten ohne Nachfrage, warum das Verfahren nicht fortgesetzt wird, führt dazu, daß die untätige Partei mit den Folgen belastet wird.

Hier hat das Erstgericht auf unbestimmte Zeit vertagt, ohne eine Frist für die Vorlage des Privatgutachtens zu setzen oder anzudrohen, daß das Verfahren erst fortgesetzt werde, wenn das Gutachten beigebracht sei (vgl EvBl 1974/196; RZ 1990/48 uva). Es unterblieb auch eine ausdrückliche Mitteilung, daß - wenn auch gegen die Vorschriften des AußStrG - von einer Fortsetzung des Verfahrens Abstand genommen werde. Dies konnte höchstens vermutet werden, weil das Erstgericht den Parteienvertretern die Beilagen zurückstellte. Der Schluß war aber nicht zwingend, weil zu diesem Zeitpunkt das Gutachten beider Sachverständiger noch gar nicht erstellt war.

Es soll nicht verkannt werden, daß der Mann in der Verfolgung seiner Ansprüche sorglos blieb, wenn er nicht darauf drang, daß die Sache weiter verhandelt werde, und erst mehr als zweieinhalb Jahre nach der letzten Tagsatzung eine Entscheidung über seinen Antrag betrieb. Dennoch hat es bei der Abgrenzung zu bleiben, daß erst eine Untätigkeit von drei Jahren den Anspruchsverlust rechtfertigt, wenn die Säumnis in der Führung des Verfahrens durch das Gericht lag und dieses nicht zügig das Verfahren betrieb, etwa durch amtswegige Einholung des für erforderlich erachteten Gutachtens, wenn nicht innerhalb einer für die Betrauung der Sachverständigen und deren ergänzende Begutachtung voraussichtlich ausreichenden Zeit von wenigen Wochen die Urkundenvorlage erfolgte. Die ursprüngliche Jahresfrist des § 95 EheG war gewahrt. Bei Säumnis des Gerichtes ist der Partei eine nicht gehörige Betreibung nur vorwerfbar, wenn sie ungebührlich lang zuwartet. Dies hat mit der Dauer der ursprünglichen Verjährungs- oder Präklusionsfrist nichts mehr zu tun.

Der von den Vorinstanzen gebrauchte Grund zur Abweisung des Antrages ist somit nicht gegeben. Das Erstgericht wird in der Sache zu verhandeln und zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 234 AußStrG, weil erst nach dem Ergebnis der Sachentscheidung beurteilt werden kann, ob und inwieweit ein Kostenersatz der Billigkeit entspricht (vgl EvBl 1980/61).

Anmerkung

E31060

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00576.92.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19921216_OGH0002_0030OB00576_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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