TE OGH 1992/12/16 3Ob100/92

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Veröffentlicht am 16.12.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei V*****, vertreten durch Dr.Gunter Granner, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei A*****, vertreten durch Dr.Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, wegen Erwirkung einer Unterlassung, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 31.August 1992, GZ 5 R 171/92-12, womit die Exekutionsbewilligung des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 29.Juni 1992, GZ 23 Cg 114/92-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Exekutionssache wird zur neuen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Dem Verpflichteten wurde mit einer einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes aufgetragen, ab sofort im geschäftlichen Verkehr bestimmte wettbewerbswidrige Ankündigungen zu unterlassen. Die einstweilige Verfügung wurde dem Verpflichteten am 4.6.1992 durch Übergabe an einen seiner Arbeitnehmer zugestellt.

Das Erstgericht bewilligte auf Grund eines am 25.6.1992 eingelangten Antrags die Exekution zur Erwirkung eines der beiden in der einstweiligen Verfügung festgelegten Unterlassungsgebote.

Das Rekursgericht änderte infolge Rekurses des Verpflichteten die Exekutionsbewilligung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Exekutionsantrag abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die einstweilige Verfügung sei dem Verpflichteten entgegen § 395 EO iVm § 106 ZPO nicht zu eigenen Handen zugestellt worden. Es fehle auch unter Berücksichtigung des Rekursvorbringens jeder Anhaltspunkt dafür, ob und wann sie ihm tatsächlich zugekommen sei. Der Verpflichtete erwähne in seinem Rekurs nur die Zustellung an die Gegenseite, also an die betreibende Partei, am 4.6.1992. Da die Heilung des Zustellungsmangels somit nicht erwiesen sei, könne nicht beurteilt werden, ob der Verpflichtete der einstweiligen Verfügung noch nach dem Eintritt der Vollstreckbarkeit zuwidergehandelt hat.

Der von der betreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Verpflichtete hat zwar die Aufhebung der einstweiligen Verfügung beantragt, die die Einstellung der Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 1 EO ermöglichen würde und damit zum Wegfall des eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses bildenden (EvBl 1984/84; SZ 61/6 = EvBl 1988/100; ÖBl 1991, 38 uva) Rechtsschutzinteresses führen könnte. Dies trifft hier aber schon deshalb noch nicht zu, weil über den Antrag des Verpflichteten noch nicht entschieden wurde. Sieht man von Fällen ab, in denen eine andere Entscheidung als die Bewilligung denkunmöglich ist (so etwa der der Entscheidung 3 Ob 19/81 zugrundeliegende Fall eines von beiden Parteien gemeinsam gestellten Einstellungsantrags), so bewirkt ein Antrag, dessen Bewilligung bei einem Rechtsmittel zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses führt, dies vor dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag nur dann, wenn er vom Rechtsmittelwerber stammt und durch die Entscheidung über das Rechtsmittel die Erledigung des Antrags nicht ersetzt oder bindend beeinflußt werden kann (so der Sachverhalt, der den erst jüngst ergangenen Entscheidungen vom 25.11.1992, 3 Ob 1038-1040/92 und 3 Ob 1050-1058/92, zugrundelag); in diesem Fall hat die Entscheidung über das Rechtsmittel - von der für das Rechtsschutzinteresse in dritter Instanz jedoch nicht bedeutsamen Frage des Kostenersatzes abgesehen - nämlich nur theoretische Bedeutung. Andernfalls bleibt das Rechtsschutzinteresse bestehen, weil letzteres noch nicht feststeht.

Vor dem Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels darf die Exekution nicht bewilligt werden (vgl § 7 Abs 2 EO). Eine einstweilige Verfügung ist mit der Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung an den Gegner der gefährdeten Partei wirksam (vgl Fasching, ZPR2 Rz 1597) und mangels eines den Eintritt der Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtsmittels (vgl § 402 Abs 2 und § 78 EO iVm § 524 Abs 1 ZPO; Fasching aaO Rz 1600) schon ab diesem Zeitpunkt vollstreckbar.

Wird die Bewilligung der Exekution beim Titelgericht beantragt, so hat dieses das Vorliegen der Voraussetzungen für den Eintritt der Vollstreckbarkeit von Amts wegen zu prüfen (Heller-Berger-Stix I 205). Daraus ergibt sich nicht nur die Pflicht zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Zustellung, die stets von Amts wegen vorzunehmen ist (vgl RZ 1970, 221; EvBl 1974/147 = RZ 1974/7; RZ 1977/26 ua), sondern auch die Pflicht zur Prüfung der Frage, ob ein bei der Zustellung unterlaufener Mangel gemäß § 7 ZustG geheilt wurde, weil das Schriftstück dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Auch dies gehört noch zu der von Amts wegen zu prüfenden Frage des Zeitpunkts der Zustellung (vgl die Worte "so gilt sie als in dem Zeitpunkt vollzogen" im § 7 ZustG) und damit des Eintritts der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels. Dem steht nicht entgegen, daß von der im § 55 Abs 2 festgelegten Pflicht des Gerichtes (vgl Heller-Berger-Stix I 625), zur Feststellung der erheblichen Tatsachen geeignete Erhebungen durchzuführen, der Antrag auf Bewilligung der Exekution ausgenommen ist. Abgesehen davon, daß diese Bestimmung offensichtlich Erhebungen zur inhaltlichen Richtigkeit des Exekutionsantrags im Auge hat, würde sie Erhebungen über den Zeitpunkt der Zustellung nicht entgegenstehen, wenn der betreibende Gläubiger beim Titelgericht die Erteilung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit beantragt, um gemäß § 4 Abs 2 EO beim Exekutionsgericht um die Bewilligung der Exekution anzusuchen. Es ist aber nicht zu erkennen, warum es einen Unterschied machen könnte, wenn er letzteres gemäß dem vorangehenden Abs 1 unmittelbar beim Titelgericht tut, zumal mit dem Vollzug der Exekution erst mit dem Einlangen des Ersuchens um den Exekutionsvollzug beim Exekutionsgericht begonnen werden kann (vgl § 33 EO und § 549 Abs 2 Geo) und der betreibende Gläubiger daher auch dann, wenn er die Bewilligung der Exekution unmittelbar beim Titelgericht beantragt, nicht besser gestellt ist, als wenn er dort nur die Erteilung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit beantragt hätte.

Hier ist nicht auszuschließen und sogar naheliegend, daß der bei der Zustellung der einstweiligen Verfügung wegen Nichtbeachtung des § 395 Abs 1 EO, § 106 ZPO und § 21 Abs 1 ZustG unterlaufene Mangel gemäß § 7 ZustG noch vor der Einbringung des Exekutionsantrags geheilt wurde, wenn nämlich die einstweilige Verfügung dem Verpflichteten noch vor diesem Zeitpunkt tatsächlich zugekommen ist. Das Rekursgericht hätte daher vor der Abweisung des Exekutionsantrags Erhebungen hierüber durchführen müssen, bei denen im Sinn der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 54/124; SZ 62/129 = SSV-NF 3/77) zur Wahrung des durch Art 6 Abs 1 MRK garantierten rechtlichen Gehörs auch den Parteien Gelegenheit zur Äußerung zu geben gewesen wäre. Zur Ergänzung des Verfahrens in dieser Richtung war seine Entscheidung daher aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf § 78 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E30783

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0030OB00100.92.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19921216_OGH0002_0030OB00100_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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