TE OGH 1992/12/29 14Os160/92

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Veröffentlicht am 29.12.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Dezember 1992 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Dr.Massauer, Dr.Hager und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz Johann K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 21.September 1992, GZ 15 Vr 892/91-83, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz Johann K***** - im zweiten Rechtsgang abermals - (abweichend von der auf das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB lautenden Anklage - ON 17) - des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 15.Mai 1991 in Truttendorf "im Rückfall (§ 39 StGB) Anita P***** mit gegen sie gerichteter Gewalt, indem er ihr Schläge versetzte, ihr die Kleidung vom Leibe riß und ihr kurzfristig eine leichte Fesselung der Hände auf dem Rücken anlegte, sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem er ihr eine Strumpfhose um den Hals legte und ihr einen Würgevorgang andeutete und sie mit der Hand am Hals umfaßte und leicht niederdrückte, zur Duldung des Beischlafes genötigt".

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt der Beschwerdeführer die Abweisung (S 469/Bd. I iVm US 19, 20) des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 21.September 1992 gestellten Beweisantrages auf zeugenschaftliche Vernehmung der Eltern des Tatopfers Frieda und Jakob P***** und des Albert D***** "zum Beweis dafür, daß die Eltern der Zeugin P***** diese selbst als unglaubwürdig darstellen und daß diese Zeugin den Sachverhalt in verschiedenen Varianten geschildert hat" (S 469/Bd. I); dies jedoch zu Unrecht.

Denn das Erstgericht ist bei Würdigung der Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs. 2 StPO) ohnedies von der Möglichkeit ausgegangen, daß die Zeugin Anita P*****, die einer "streng religiösen Familie" entstammt und bis zu ihrem 16.Lebensjahr (wie ihre Eltern und Verwandten) Zeugin Jehovas war, dann aber aus dieser Religionsgemeinschaft ausgetreten ist (US 6), den im Beweisantrag genannten Personen gegenüber, bei denen es sich um keine Tatzeugen handelte, den in Rede stehenden Vorfall überhaupt bestritten oder eine "anderslautende Schilderung" gegeben hat, die mit ihrer unter Wahrheitspflicht abgelegten Zeugenaussage vor Gericht nicht im Einklang steht (US 19 f). Abgesehen davon erweist sich der in Rede stehende Beweisantrag - wie das Schöffengericht zutreffend erkannt hat - im Kern als bloßer Erkundungsbeweis. Soweit aber die Argumentation der Verfahrensrüge über das in der Hauptverhandlung formulierte Beweisthema hinausgeht, genügt der Hinweis, daß dessen Relevanz ausschließlich anhand jener Gründe zu überprüfen ist, die hiefür in erster Instanz vorgebracht wurden (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 41 zu § 281 Z 4).

Die reklamierte Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten haftet sohin dem bekämpften Zwischenerkenntnis nicht an.

In der Mängelrüge (Z 5) behauptet der Beschwerdeführer eine undeutliche, unvollständige, offenbar unzureichende, widersprüchliche und aktenwidrige Begründung des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen. Der Sache nach reklamiert er mit seinen Beschwerdeausführungen allerdings insgesamt (nur) eine unvollständige und offenbar unzureichende Begründung; er ist auch damit nicht im Recht.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist das Schöffengericht ohnedies davon ausgegangen, daß die dem Tatopfer vom Angeklagten verabreichten Schläge keine Verletzungen zur Folge hatten, wobei es diesen Umstand auf der Basis des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen Dr.Zerlauth eingehend erörtert hat (US 17). Ebenso hat sich der Schöffensenat mit den Aussagen der Zeugen S***** und M***** ausdrücklich auseinandergesetzt (vgl. US 12 und 15 f). Dabei wird im Urteil auch ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen die Tatrichter der Aussage des zuletzt genannten Zeugen den Glauben versagten, der bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung "nicht davor zurückschreckte, sie (Anita P*****) als blöde Kuh zu bezeichnen, der er eine Ohrfeige runterhauen müsse, wenn er sie sehe" (US 16). Entgegen dem Vorbringen in der Mängelrüge hat sich das Erstgericht bei Würdigung der Aussage der Zeugin P***** aber auch mit dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr.Scrinzi in einer der Vorschrift des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO genügenden Weise auseinandergesetzt (US 8, 12, 15), wobei es nicht gehalten war, sich im voraus mit allen Einwendungen gegen die Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen auseinanderzusetzen, sofern es nur - wie vorliegend geschehen - jene Erwägungen in gedrängter Darstellung anführt, aus welchen die Tatrichter diesem Zeugen Glauben schenkten (vgl. abermals US 13 ff).

Schließlich hat das Schöffengericht auch mit mängelfreier Begründung dargelegt, aus welchen Erwägungen es zwar die unter Anklage gestellten Tatbegehungsmittel, nämlich schwere Gewalt bzw. Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben verneint, wohl aber Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben als Nötigungsmittel bejaht hat. Dabei übergeht die Mängelrüge die auch insoweit ausführliche Urteilsbegründung (vgl. US 12, 18, 21). Dies gilt gleichermaßen für den Einwand, die Feststellung, wonach der Angeklagte am 15.Mai 1991 beschlossen hat, mit Anita P***** einen Geschlechtsverkehr vorzunehmen und diesen nötigenfalls auch gegen deren Widerstand unter Anwendung von Gewalt vorzunehmen, stütze sich "lediglich auf freie Vermutungen". Mit diesem Einwand wird ebensowenig ein formaler Begründungsmangel dargetan wie mit dem (weiteren) Einwand, die Urteilsfeststellung, wonach Anita P***** den Samenerguß des Angeklagten deutlich feststellen konnte (US 10), lasse unberücksichtigt, daß für die Zeugin, deren Brille bei den Angriffen des Angeklagten - der übrigens die Vornahme des Beischlafes nie in Abrede gestellt hat (vgl. S 29, 49, 145, 387/Bd. I) - zu Boden gefallen war, als "sehr starke Brillenträgerin" unter Berücksichtigung "ihrer Lage bei der Ausübung dieses dritten Versuches" (den Geschlechtsverkehr zu vollziehen), "ein Sehen des Samenergusses unmöglich" gewesen sei. Denn im Urteil wurde formal mängelfrei begründet, aus welchen Erwägungen die Tatrichter der Zeugin P***** geglaubt haben, wobei auf die Divergenzen in ihren Aussagen eingegangen und dargelegt wurde, weshalb hiedurch ihre Glaubwürdigkeit nicht beeinträchtigt wird (vgl. insbesondere US 13, 14). In Wahrheit bekämpft die Mängelrüge insoweit lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer (gegen schöffengerichtliche Urteile nach wie vor unzulässigen) Schuldberufung, indem darzutun versucht wird, daß auch eine für den Beschwerdeführer günstigere Lösung von Tatfragen möglich gewesen wäre.

Schließlich ist der das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite gestützt auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO reklamierenden Rechtsrüge - ob tatsächlich durch das Ausüben von Gewalt ein erheblicher und ernstlicher Widerstand des Opfers überwunden wurde - zuwider den Urteilsgründen bei der gegebenen Fallgestaltung unmißverständlich zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer die in Rede stehenden Nötigungsmittel eingesetzt hat, obwohl er wußte oder es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, daß damit ein erwarteter bzw. auch schon begonnener ernstgemeinter Widerstand der Anita P***** gegen die Duldung des Beischlafs überwunden wird (vgl. insbesondere US 8, 10 f, 18). Solcherart geht die Rechtsrüge nicht vom festgestellten Urteilssachverhalt, sondern von der vom Schöffengericht mit mängelfreier Begründung abgelehnten Verantwortung des Beschwerdeführers aus; sie gelangt demzufolge nicht zur prozeßordnungsgemäßen Ausführung.

Aus den angeführten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs. 1 StPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten fällt demnach in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Graz (§ 285 i StPO).

Anmerkung

E31494

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00160.9200006.1229.000

Dokumentnummer

JJT_19921229_OGH0002_0140OS00160_9200006_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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