TE OGH 1993/1/8 13Os96/92

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Veröffentlicht am 08.01.1993
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Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Jänner 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Kuch, Dr.Massauer und Dr.Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ignaz B***** wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 13.Juli 1992, GZ 29 Vr 24/92-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Raunig, des Angeklagten Ignaz B***** und des Verteidigers Dr.Platzgummer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ignaz B***** des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilsannahmen stimmte der Angeklagte als Bürgermeister der Marktgemeinde P***** Ende 1988 einem Vorschlag des - abgesondert verfolgten - pragmatisierten Gemeindebeamten in der Funktion eines Gemeindesekretärs Johann P***** zu, ihm anläßlich des bevorstehenden Übertrittes in den dauernden Ruhestand eine Entschädigung für nicht konsumierten Gebührenurlaub und nicht abgegoltene Überstunden in Höhe von 75.000 S in Kenntnis des Umstandes zukommen zu lassen, daß dafür ein gesetzlicher Anspruch fehle und die erforderliche Zustimmung des Gemeinderates nicht zu erwarten war. Zu diesem Zweck veranlaßte Ignaz B***** Ende Dezember 1988 zunächst die Auszahlung eines als Entschädigung für Sachaufwand und besondere Leistungen deklarierten Gesamtbetrages von 10.000 S in drei Teilbeträgen an P***** aus der Gemeindekasse. In weiterer Folge bestätigte der Angeklagte in seiner Eigenschaft als Bürgermeister die Richtigkeit zweier von der (gleichfalls abgesondert verfolgten) Werkstätteninhaberin Ida H***** vereinbarungsgemäß vorgelegter Rechnungen über - tatsächlich nicht durchgeführte - Reparaturen an gemeindeeigenen Kraftfahrzeugen mit einer Rechnungssumme von 70.465 S, die nach schriftlicher Genehmigung durch den Bürgermeister mit einer fälligen Lohnsummensteuerschuld des Unternehmens der Genannten verrechnet wurde. Die zur Auszahlung des daraus resultierenden Guthabens von 9.343 S an Ida H***** erforderlichen Unterschriften auf der Zahlungsanweisung durch zeichnungsberechtigte Personen der Markgemeinde leisteten der Angeklagte und der (ebenfalls abgesondert verfolgte) damalige Vizebürgermeister und Gemeindesekretär Franz R*****, der vorher von Ignaz B***** über die gesamte Transaktion erschöpfend in Kenntnis gesetzt worden war. Ida H***** wiederum gab den ihr solcherart teils gutgeschriebenen, teils bar zugekommenen Betrag von - nach Abzug der von ihr zu entrichteten Mehrwertsteuer - insgesamt 65.000 S vereinbarungsgemäß an Johann P***** im Wege eines Preisnachlasses beim Kauf eines PKWs weiter. Nach Aufdeckung dieser Malversationen im Zuge einer im Jahre 1991 durchgeführten Gebarungsprüfung der Marktgemeinde P***** zahlte Johann P***** den ihm zugekommenen Betrag von 75.000 S zuzüglich Zinsen an die Marktgemeinde zurück.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe der Z 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützt wird. Den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung nicht zu.

In der Subsumtionsrüge (Z 10) wendet der Angeklagte ein, daß die ihm angelasteten Geldzuwendungen an Johann P***** unter Scheintiteln und auf Grund fingierter Rechnungen nicht als im Rahmen der Hoheitsverwaltung vorgenommene Amtsgeschäfte in seiner Eigenschaft als Bürgermeister der von ihm vertretenen Gemeinde beurteilt und daher auch nicht dem Tatbestand des § 302 Abs. 1 StGB unterstellt werden könnten; vielmehr begründe das ihm angelastete Tatverhalten (bloß) den Tatbestand der Untreue nach dem § 153 StGB.

Dieser Argumentation ist, wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 13 Os 114/92 im Verfahren gegen Franz R***** und Ida H***** ausgeführt hat, entgegenzuhalten, daß entscheidendes Kriterium in bezug auf das verfahrensgegenständliche Verbrechen das Bestehen einer Befugnis des Beamten ist, im Namen des Rechtsträgers als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen. Als Organ des Rechtsträgers nimmt der Beamte Amtsgeschäfte vor, wenn er Organhandlungen setzt. Der zeichnungsberechtigte Bürgermeister einer Gemeinde - unstrittig ein Beamter im Sinn des § 74 Z 4 StGB -, der zu Lasten der Gemeinde eine Zahlungsanweisung unterfertigt, erfüllt eine amtsspezifische Vollziehungsaufgabe eines Rechtsträgers und verrichtet dadurch ein Amtsgeschäft.

Gegenstand des Amtsmißbrauchs sind aber nur Amtsgeschäfte in Vollziehung der Gesetze im Rahmen der Hoheitsverwaltung. Hoheitsverwaltung ist jener Bereich der Verwaltung, in dem der Rechtsträger (Bund, Land, Gemeinde usw) den Normunterworfenen im Verhältnis der Überordnung gegenübertritt, zumeist Befehls- und Zwangsgewalt einsetzt und sich der Entscheidung oder Verfügung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde bedient;

Privatwirtschaftsverwaltung liegt dagegen vor, wenn zwischen dem Rechtsträger und den anderen Rechtssubjekten eine grundsätzliche rechtliche Gleichordnung besteht, der Rechtsträger mithin "wie ein Privater handelt" und sich zur Erreichung seines Verwaltungsziels der gleichen Mittel bedient, die die Rechtsordnung jedermann, also auch Privaten, zur Verfügung stellt. Es ist daher bei jedem Verwaltungsakt zu prüfen, ob er nach seiner Zweckbestimmung Ausfluß hoheitlicher Gewalt ist oder ob es sich um eine darüber hinausgehende (technische, wirtschaftliche oder privatrechtliche) Tätigkeit handelt, die nur mittelbar der Erreichung eines bestimmten gesetzlichen Zweckes dient. Normen des öffentlichen Rechtes, insbesondere des Budgetrechts, welche die Gebarung regeln, haben grundsätzlich keinen Einfluß auf die Qualifikation einer bestimmten Tätigkeit einer Gebietskörperschaft als Privatwirtschaftsverwaltung (vgl. Leukauf-Steininger, Komm.3 § 302 RN 24 und 25). Besoldungsrechtliche Angelegenheiten von einem im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde stehenden Gemeindebeamten und damit im Zusammenhang stehende Verfügungen über Budgetmittel der Gemeinde wie etwa außerordentliche Zuwendungen an Gemeindebeamte für besondere Leistungen gemäß dem § 53 Nö. Gemeindebeamtendienstordnung fallen in den Bereich der Hoheitsverwaltung und sind demnach Hoheitsakte, ungeachtet ob sie auf Grund eines formellen Bescheides oder im Wege einer faktischen Amtshandlung erfolgen; betreffen diese Umstände allerdings Vertragsbedienstete der Gemeinde, so sind sie dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen (13 Os 110/79 = ÖJZ-LSK 1990/41).

Nach den Urteilsfeststellungen war Johann P***** pragmatisierter Beamter der Gemeinde P*****. Als solcher stand er in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde. Die gegenständlichen, auf seine Besoldung beziehenden Verfügungen über Geld der Gemeinde sind daher dem Bereiche der Hoheitsverwaltung zuzuordnen, sodaß die behauptete rechtsfehlerhafte Subsumtion nicht vorliegt.

Dazu kommt, daß der Angeklagte bei der Tatausführung ua bezweckte, mittels fingierter Rechnungen eine existente Lohnsummensteuerschuld der Ida H***** mit einer nicht existenten Gegenforderung der Genannten zum Nachteil der Gemeinde P***** zu kompensieren. Diese Malversation stellt ohne Zweifel einen Eingriff in die Finanzhoheit der Gemeinde dar und bezieht sich sonach auf Hoheitsverwaltung. Die Vortäuschung der gerechtfertigten Kompensation einer nicht bestehenden Verbindlichkeit einer Gemeinde mit einer offenen Lohnsummensteuerschuld und die damit im Zusammenhang stehende Auszahlung eines Differenzbetrages an den Lohnsummensteuerschuldner erweist sich demnach gleichfalls als mißbräuchliche Vornahme eines Hoheitsaktes.

Damit aber erübrigt sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO, mit welchem der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue (§ 167 StGB) nur in Verbindung mit einer anderen rechtlichen Beurteilung der Tat geltend gemacht wird.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Ignaz B***** nach dem § 302 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, wobei die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit 1.500 S bemessen wurde. Es wertete dabei als erschwerend, daß der Angeklagte Franz R***** "in sein strafbares Verhalten mithineinzog", als mildernd hingegen das Teilgeständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel.

Der Angeklagte begehrt mit seiner Berufung die Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze, in eventu auch die Gewährung bedingter Strafnachsicht.

Auch die Berufung ist im Ergebnis nicht im Recht.

Zuzugeben ist dem Berufungswerber, daß ihm weitere Milderungsgründe zugute kommen. So hat er die Tat unter Einwirkung des Johann P***** verübt und sich ernstlich um die Schadensgutmachung bemüht. Dazu kommt, daß der Berufungswerber kein bloßes Teilgeständnis, sondern ein reumütiges Geständnis abgelegt hat, hat er doch lediglich die rechliche Beurteilung seines Verhaltens als Mißbrauch der Amtsgewalt in Zweifel gezogen. Strafmildernd ist weiter, daß der Unrechtsgehalt durch die vom Tatbeteiligten P***** geleistete gänzliche Schadensgutmachung objektiv reduziert worden ist.

Ungeachtet dieser Umstände und bei Bedacht auf die Tatsache, daß der Tat des Angeklagten uneigennützige Motive zugrunde lagen, erweist sich die von den Tatrichtern ausgemessene Zahl der Tagessätze nicht reduzierungsbedürftig, vergleicht man die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen mit der gesetzlichen Strafdrohung des § 302 Abs. 1 StGB, die sich auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren erstreckt. Die vom Erstgericht ausgemessene Anzahl der Tagessätze entspricht vielmehr dem Verschulden des Täters und dem Unrechtsgehalt der von ihm begangenen strafbaren Handlung.

Nach Lage des Falles verbieten Belange der Generalprävention die Gewährung bedingter Strafnachsicht; hiedurch entstünde in der Öffentlichkeit der Eindruck, die Gerichte würden derartige Verfehlungen bagatellisieren.

Es war daher über die beiden Rechtsmittel spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E30399

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00096.9200009.0108.000

Dokumentnummer

JJT_19930108_OGH0002_0130OS00096_9200009_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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