TE OGH 1993/1/21 6Ob505/93

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Veröffentlicht am 21.01.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei August K*****, vertreten durch Dr.Walter Fleißner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Philomena E*****, vertreten durch Dr.Elisabeth Fechter-Petter, Rechtsanwältin in Wien, wegen 60.000,-- S samt Nebenforderungen, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das zum Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29.April 1992, GZ 23 C 416/92-5, ergangene Berufungsurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29.September 1992, AZ 45 R 552/92 (ON 9), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird stattgegeben, das angefochtene Berufungsurteil in seinem abändernden Teil aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht rückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Kosten des weiteren Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die Beklagte hatte im Herbst 1972 bei einer inländischen Kreditunternehmung ein Darlehen in der Höhe von 50.000,-- S aufgenommen. Ihre Schwester und deren damaliger Ehegatte, der nunmehrige Kläger, leisteten zur Besicherung der Rückzahlungsverpflichtungen der Beklagten dem Kreditunternehmen Blankowechselbürgschaftserklärungen mit entsprechender Ausfolgungsermächtigung. Die Beklagte geriet mit ihren Rückstandszahlungen in Verzug. Die Gläubigerin machte ihre Forderungen gegen die Hauptschuldnerin und die beiden Bürgen gerichtlich geltend. Sie erwirkte Exekutionstitel gegen alle drei und betrieb ihre vollstreckbare Forderung durch Zwangsvollstreckung gegen alle drei Verpflichteten. Unter dem Druck anhängiger Exekution erschienen am 14.Februar 1979 die Hauptschuldnerin und die beiden Bürgen gemeinsam in der Kanzlei des anwaltlichen Vertreters der Gläubigerin. Der Kläger übergab dem Rechtsanwalt den Barbetrag von 60.000,-- S. Dieser bestätigte den Empfang des Geldbetrages auf einem Zettel mit den Worten: "S 60.000.- i.S..." (Kreditunternehmung - Beklagte) "...erhalten u.zwar von ..." (dem Kläger). Gleichzeitig stellte der Rechtsanwalt zwei Schreiben mit der den Verpflichteten erteilten Ermächtigung zur Stellung eines Exekutionseinstellungsantrages aus; beide Schreiben beginnen mit den Worten: "Aufgrund der Bezahlung Ihrer offenen Exekutionsschuld ... gebe ich Ihnen hiemit ... die ausdrückliche Ermächtigung ...". Zu einer der beiden Exekutionen unterschrieben sowohl die Hauptschuldnerin als auch beide Bürgen als Verpflichtete einen Antrag zur Exekutionseinstellung (9 E 605/78).

Mit seiner im März 1992 angebrachten Mahnklage beantragte der Kläger von der Beklagten die Zahlung des Betrages von 60.000,-- S samt 12 % Zinsen seit 15.Februar 1980. Er behauptete eine Darlehenszuzählung durch ihn an die Beklagte; hilfsweise stützte er ohne jedes weitere Tatsachenvorbringen sein Begehren auch auf einen Forderungsübergang nach § 1358 ABGB sowie auf Bereicherung und jeden sonst denkbaren Rechtsgrund.

Die Beklagte erhob Einwendungen und bestritt das Klagebegehren.

Zwischen den nunmehrigen Streitteilen, der Hauptschuldnerin und ihrem ehemaligen Schwager, ist die Herkunft des am 14.Januar 1979 dem Vertreter der betreibenden Partei übergebenen Geldbetrages strittig. Nach dem Vorbringen beider Streitteile stammte der Geldbetrag von der Mutter des Klägers. Nach dem Standpunkt des Klägers habe ihm seine Mutter diesen (zur Exekutionseinstellung auch gegen ihn benötigten) Geldbetrag geschenkt und er habe mit der Hingabe des Geldes an den Vertreter der Gläubigerin in Erfüllung seiner Bürgenverpflichtung Zahlung geleistet. Nach dem Standpunkt der Beklagten habe ihr die Schwiegermutter ihrer Schwester den zur Tilgung der Darlehensverpflichtung (für die auch Sohn und Schwiegertochter hafteten und ebenfalls vom Vollzug der Zwangsvollstreckung bedroht waren) ein nach Möglichkeit und Tunlichkeit rückzahlbares Darlehen in der Höhe des zur Schuldtilgung erforderlichen Betrages gewährt, den Betrag aus der Kasse einer Gesellschaft mbH entnommen und ihrem Sohn lediglich als Boten übergeben, der dann in ihrer und der Mitbürgin Gegenwart durch die Hingabe des Bargeldbetrages an den Vertreter der Gläubigerin die Hauptschuld (und mit dieser auch die Bürgschaftsverpflichtungen) tilgte.

Die Mutter des Klägers ist inzwischen verstorben.

Das Prozeßgericht erster Instanz vernahm lediglich die beiden Streitteile als Parteien sowie die Schwester der Beklagten als Zeugin. Eine Vernehmung des vom Kläger als Zeugen namhaft gemachten seinerzeitigen Vertreters der Gläubigerin erachtete das Prozeßgericht als entbehrlich.

Das Prozeßgericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab.

Dazu führte es in seiner Urteilsbegründung aus, die Herkunft des - am 19. Februar 1979 dem Vertreter der Gläubigerin übergebenen - Betrages von 60.000,-- S sei nicht feststellbar. Die Mutter der Klägerin habe das Geld aus ihrer Gesellschaft mbH entnommen. Es sei möglich, daß der Kläger seine Mutter um Geld gebeten und diese ihm daraufhin den Geldbetrag zur Begleichung seiner Schulden schenkungsweise zur Verfügung gestellt habe. Es sei aber auch ebenso möglich, daß die Beklagte die Schwiegermutter ihrer Schwester um das Geld gebeten und diese ein entsprechendes Darlehen gegen Rückzahlung nach Tunlichkeit und Möglichkeit gewährt habe. Dem Kläger sei der ihm oblegene Beweis für seine anspruchsbegründenden Tatsachen nicht gelungen.

In teilweiser Stattgebung der vom Kläger ergriffenen Berufung änderte das Berufungsgericht das klagsabweisende erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des Kapitalbetrages von 60.000,-- S sowie im Zinsenpunkt hinsichtlich der gesetzlichen Zinsen von 4 % ab dem mit 24.Januar 1992 angenommenen Tag der Fälligstellung im klagsstattgebenden Sinn ab. Dazu sprach es aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht befand die einander widersprechenden Behauptungen der Streitteile über den Rechtsgrund für die Hingabe des Geldes durch die Mutter des Klägers als unerheblich. Es wertete vielmehr schon aufgrund der unbekämpft gebliebenen erstinstanzlichen Feststellungen die - in Anwesenheit der Beklagten als Hauptschuldnerin und deren Schwester als Mitbürgin erfolgte - Behändigung des Geldbetrages durch den Kläger an den Vertreter der Gläubigerin als eine Zahlung des Klägers (und nicht als dessen bloße Botenleistung). Daraus folgerte das Berufungsgericht einen Übergang der bereits exekutiv betriebenen Darlehensforderung der Kreditunternehmung gemäß § 1358 ABGB auf den seine Bürgenverpflichtung erfüllenden Kläger. (Es nahm allerdings keine vor dem 24.Januar 1992 erfolgte Fälligstellung der auf den Kläger übergegangenen Forderung an.)

Die Beklagte ficht das Berufungsurteil (nach ihrem Rechtsmittelantrag entgegen der floskelhaft zu weit gehaltenen Anfechtungserklärung) in seinem stattgebenden Teil mit einem auf Wiederherstellung des das Klagebegehren zur Gänze abweisenden erstinstanzlichen Urteiles zielenden Abänderungsantrag an. Die Revisionswerberin macht geltend, daß das Berufungsurteil bei der Wertung der Geldübergabe durch den Kläger als dessen regreßbegründende Bürgenzahlung in einer nach § 502 Abs 1 ZPO qualifizierten Weise den Umstand für unentscheidend erklärt habe, wessen Vermögen durch die Geldhingabe verringert worden sei, das der Hauptschuldnerin oder das des Bürgen. Überdies warf die Rekurswerberin dem Berufungsgericht vor, ohne Beweiswiederholung andere entscheidungswesentliche Tatsachen zugrundegelegt zu haben als das Prozeßgericht erster Instanz.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Kläger gemäß § 508a Abs 2 ZPO die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt. Mit dieser bestreitet der Kläger das Vorliegen der Revisionszulässigkeitsvoraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO; hilfsweise strebt er die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den darzulegenden Erwägungen zulässig und auch berechtigt:

Die Hauptschuldnerin und ihre beiden Bürgen, gegen die alle drei die Gläubigerin bereits Zwangsvollstreckung führte, erschienen gemeinsam beim anwaltlichen Vertreter der Gläubigerin, um die gegen sie betriebene Forderung durch Zahlung zu tilgen. Einer von ihnen, nämlich der eine der beiden Bürgen, übergab dem Gläubigervertreter den Geldbetrag und ließ sich diesen Umstand schriftlich bestätigen. Andererseits bestätigte der Gläubigervertreter sämtlichen Verpflichteten in der schriftlichen Einstellungsermächtigung die Bezahlung ihrer offenen Exekutionsschuld.

Bei dieser Sachlage ist es für das Verhältnis zwischen Hauptschuldnerin und Bürgen entgegen der berufungsgerichtlichen Ansicht auch in dem Fall, daß der Bürge nicht bloß als Überbringer des Geldes auf die Schuld der anwesenden Hauptschuldnerin, sondern als Zahler bloß auf seine eigene Bürgenschuld anzusehen wäre, entscheidend, zu Lasten wessen Vermögens die Aufbringung der Geldmittel zur Zahlung erfolgte. Nicht die sachenrechtliche Stellung zu den übergebenen Zahlungsmitteln, sondern die Verfügungsmacht über diese Geldmittel ist wesentlich.

Handelte es sich, wie die Beklagte eingewendet hat, um einen Geldbetrag, den ihr ihr Schwager von seiner Mutter als ein ihr gewährtes Darlehen zu überbringen hatte und den dieser im Sinne einer Widmung der Hauptschuldnerin, aber zugleich auch im Interesse der Bürgen, sowie möglicherweise im Sinne einer ausdrücklich oder stillschweigenden Auflage der Mutter des Klägers als Darlehensgeberin unmittelbar zur Tilgung der Hauptschuld und dem damit verbundenen Erlöschen der Bürgenverpflichtungen dem Gläubigervertreter aushändigte, läge auch in einer dem Bürgen als Rechtshandlung zuordenbaren Zahlung eine Art Geschäftsführung für die Hauptschuldnerin mit deren Mittel, für welchen Fall ein Verzicht auf die Geltendmachung einer etwa gemäß § 1358 ABGB vom betreibenden Gläubiger auf den zahlenden Bürgen übergegangenen Hauptschuld zumindest schlüssig als vereinbart anzusehen wäre.

In dem vorliegenden besonderen Fall, daß bereits eine Judikatsverpflichtung zur ungeteilten Hand der Hauptschuldnerin und der beiden Bürgen gegenüber der Gläubigerin bestand, käme aus dem besonderen Verhältnis der Bürgschaft zwar nur ein von der Hauptschuldnerin an den Bürgen zu leistender Ausgleich in Betracht, der aber im Sinne des § 896 ABGB voraussetzte, daß der Bürge die Schuld "aus dem Seinigen" und nicht mit Mitteln der Hauptschuldnerin abgetragen hätte.

Im Falle einer widmungswidrigen Verwendung des Geldes durch den Bürgen lediglich zur Tilgung seiner Bürgenschuld und nicht zur Tilgung der Hauptschuld, ließe ein darauf beruhender Ausgleichsanspruch der Hauptschuldnerin einen sogenannten Bürgenregreß überhaupt nicht erst zur Entstehung kommen.

Handelte es sich dagegen, dem Klagsstandpunkt entsprechend, bei dem dem Gläubigervertreter übergebenen Geldbetrag um ein Geschenk der Mutter des Klägers an diesen, träfen die berufungsgerichtlichen Erwägungen zu.

Die Frage nach dem Rechtsgrund, aus welchem die Mutter des Klägers diesem einen zur Bezahlung der betriebenen Forderung zu verwendenden Geldbetrag zur Verfügung stellte, ist daher für die Entscheidung des Rechtsstreites entgegen der berufungsgerichtlichen Ansicht nicht unerheblich. Soweit bei der Anspruchsableitung des Klägers die Regelung des § 896 ABGB zum Tragen käme, träfe jedenfalls den Kläger die Beweislast dafür, daß die Zahlung "aus dem Seinigen" erfolgt sei.

Das Prozeßgericht erster Instanz ist nach seiner Beweiswürdigung davon ausgegangen, daß dem Kläger der Beweis für die von ihm behauptete darlehensweise Vorstreckung eines ihm von seiner Mutter hiezu geschenkten Geldbetrages an die Beklagte nicht gelungen sei. Diese Beweiswürdigung hat der Kläger in seiner Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht wird sich der Erledigung dieser Beweis- und Feststellungsrüge nicht entziehen können.

Dazu war in Stattgebung der außerordentlichen Revision der Beklagten das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht rückzuverweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E32456

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0060OB00505.93.0121.000

Dokumentnummer

JJT_19930121_OGH0002_0060OB00505_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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