TE OGH 1993/2/25 2Ob506/93

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Veröffentlicht am 25.02.1993
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am ***** geborenen mj. Tobias Maximilian K*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Mag.Christoff B*****, vertreten durch Dr.Thomas Wanek und Dr.Helmut Hoberger, Rechtsanwälte in Perchtoldsdorf, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Oktober 1992, GZ 3 R 464/92-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18.Mai 1992, GZ 6 P 166/91-19, zum Teil bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Antrag des mj.Tobias Maximilian K*****, den Vater Mag.Christoff B***** für die Zeit vom 4.2.1988 bis 30.11.1989 zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 1.500,-- S zu verpflichten, abgewiesen wird.

Text

Begründung:

In der am 9.3.1987 vor dem Bezirksjugendamt ***** aufgenommenen Niederschrift erklärte die Mutter des Antragstellers, sie möchte dessen Vater nicht angeben. Über die Möglichkeit einer späteren Anerkennung der Vaterschaft und der Schaffung eines Unterhaltstitels wurde sie informiert, sie nahm zur Kenntnis, daß eine rückwirkende Verpflichtung (des Vaters) zur Unterhaltsleistung nach dem derzeitigen (damaligen) Stand der Rechtsprechung nicht möglich sei. Sie beantragte, das Bezirksjugendamt ***** vom Amt des gesetzlichen Amtsvormundes zu entheben und selbst zur Vormünderin bestellt zu werden. Diesem Antrag wurde mit Beschluß vom 20.3.1987 Folge gegeben.

Mit der am 4.2.1991 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der nunmehrige Antragsteller die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten Christoff B***** (nunmehriger Antragsgegner) sowie die Zahlung eines monatlichen Unterhaltes von S 2.800,-- ab 16.2.1987 (Tag der Geburt). Nach Anerkennung der Vaterschaft durch den Beklagten wurde die Klage von Amts wegen als ohne Verzicht auf den Anspruch für zurückgenommen erklärt und der Unterhaltsantrag ins Pflegschaftsverfahren überwiesen.

Der Beklagte (nunmehriger Antragsgegner) wendete hinsichtlich des Unterhaltsanspruches für die Vergangenheit ein, erst durch Zeitungsartikel von der Geburt seines Sohnes Kenntnis erhalten zu haben. Er sei in der Zeit vom 16.2.1987 bis Dezember 1990 niemals aufgefordert worden, Unterhaltszahlungen zu leisten, erst am 10.1.1991 sei er formell als Vater bezeichnet worden. Es könne von ihm daher nicht verlangt werden, daß er für noch nicht gestellte Ansprüche Rückstellungen vornehme, vielmehr sei er dazu berechtigt gewesen, die ihm zur Verfügung stehenden Geldmittel zu verbrauchen und keine Vorsorge für zukünftige Unterhaltsleistungen zu treffen. Die Bejahung eines Unterhaltsanspruches würde bedeuten, daß er zwar verpflichtet wäre, zum Unterhalt beizutragen, jedoch die rückwirkende Geltendmachung seiner väterlichen Rechte nicht mehr möglich wäre.

Das Erstgericht verpflichtete im Punkt 1 des Beschlusses vom 18.5.1992 den Antragsgegner zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages

a) für die Zeit vom 4.2.1988 bis 30.11.1989 in der Höhe von S 1.500,--,

b) für die Zeit vom 1.12.1989 bis 31.7.1990 in der Höhe von monatlich

S 597,--,

c) für die Zeit vom 1.8.1990 bis 31.12.1991 in der Höhe von monatlich

S 1.500,-- und

d) ab 1.1.1992 in der Höhe von monatlich S 1.650,--.

Mit Punkt 2 des Beschlusses wurde der Unterhaltsfestsetzungsantrag für die Zeit vom 16.2.1987 bis 3.2.1988 wegen Verjährung zurückgewiesen und im Punkt 3 das Mehrbegehren

a) für die Zeit vom 4.2.1988 bis 30.11.1989 in der Höhe von monatlich

S 1.300,--,

b) für die Zeit vom 1.12.1989 bis 31.7.1990 in der Höhe von monatlich

S 2.203,--,

c) für die Zeit vom 1.8.1990 bis 31.12.1991 in der Höhe von monatlich

S 1.300,-- und

d) ab 1.1.1992 in der Höhe von monatlich S 1.150,--,

abgewiesen.

Das von beiden Teilen angerufene Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes hinsichtlich seines Punktes 1 a, im übrigen wurde diese Entscheidung - soweit sie nicht als nicht in Beschwerde gezogen unberührt blieb - aufgehoben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

In der Begründung der Entscheidung wurde ausgeführt, im Bestätigungsbereich seien Rechtsfragen der im § 14 Abs.1 AußStrG genannten Qualifikation gegeben.

Hinsichtlich des für das Revisionsrekursverfahren allein relevanten bestätigenden Teiles seiner Entscheidung vertrat das Rekursgericht die Ansicht, daß die Mutter dann, wenn sie - wie dies in einem Familienverband naheliege - Geld nicht zum Nutzen des unterhaltspflichtigen Vaters, sondern gleichsam vorschußweise für das ihrer Obsorge anvertraute Kind in der Absicht, dessen berechtigte Ansprüche nicht zum Erlöschen zu bringen, verwendet habe, um sich allenfalls nach Durchsetzung der unberührt gebliebenen Unterhaltsansprüche des Kindes Ausgleich zu verschaffen, keinen Anspruch nach § 1042 ABGB gegen den Vater habe und dieser an das Kind das Geschuldete weiterhin zu leisten habe (3 Ob 606/90).

Gegen den bestätigenden Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes (betreffend Punkt 1 a der Entscheidung des Erstgerichtes) richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, das Unterhaltsbegehren für den Zeitraum vom 4.2.1988 bis 3.11.1989 abzuweisen.

Der Antragsgegner macht in seinem Rechtsmittel geltend, die Mutter des Kindes habe während der ersten vier Lebensjahre keinen Kontakt zu ihm gesucht und weder gerichtlich noch außergerichtlich finanzielle Forderungen gestellt; sie habe auch bei der der Geburt folgenden Befragung den Kindesvater nicht angegeben. Es sei ihm dadurch die Möglichkeit zur Ausübung seiner Vaterrolle genommen worden, Jahre später könne nun nicht die Mutter vollkommen autonom entscheiden, daß er rückwirkend zur Erfüllung seiner väterlichen Pflichten herangezogen werde. Der hier zu beurteilende Sachverhalt weiche von jenem der Entscheidung 3 Ob 606/90 ab; in diesem Verfahren sei dem Antragsgegner seine Vaterschaft seit Jahren bekannt und von ihm auch anerkannt worden. Im vorliegenden Fall habe sich die Mutter des Kindes offenbar für den Weg der "Alleinerziehung" entschieden, sodaß nicht mehr von einem bloßen Vorschuß von Geldbeträgen durch die Mutter an ihr Kind gesprochen werden könne. Vielmehr seien die Ansprüche des Kindes gegenüber dem Vater durch die Leistungen der Mutter erloschen. Ein Anhaltspunkt für eine Schenkungsabsicht der Mutter sei darin gelegen, daß sie den Antragsgegner über seine Unterhaltspflicht nicht informiert und ihn auch nicht in Anspruch genommen habe. Weiters habe das Kind offenbar im fraglichen Zeitraum an keinem materiellen Mangel gelitten. Durch eine Leistung ex post wäre das Kind nunmehr bereichert, ohne daß sein Wohl dadurch eine Steigerung erfahren würde. Der Grundsatz von Treu und Glauben und jener der guten Sitten stehe einer Geltendmachung der Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit entgegen, weil die Mutter durch Jahre hindurch auf deutliche Weise ihr Desinteresse an der Teilnahme des Vaters an der Familie und der Kindesobsorge bekundet habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage der Unterhaltspflicht in einem Fall, in welchem die Mutter, die den Unterhalt leistete, den Vater nicht angab, noch nicht befaßte, er ist auch berechtigt.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erlischt der Unterhaltsanspruch des Unterhaltsgläubigers und die Unterhaltsverpflichtung des Unterhaltsschuldners dann nicht, wenn der Dritte - wie dies im Familienverband naheliegt - Leistungen lediglich vorschußweise erbringt (SZ 63/202 = JBl. 1991, 309; 1 Ob 633/90; 6 Ob 529/91; 8 Ob 1666/92). In diesen Entscheidungen wurde dargelegt, daß auch im außerstreitigen Verfahren die Frage, ob der vom Kind erhobene Unterhaltsanspruch gegen den Vater erloschen ist, weil die Mutter bereits in der Erwartung des Ersatzes vom Vater geleistet hat, nur zu untersuchen ist, wenn der Vater diesen Einwand erhebt oder sich sonst im Verfahren hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben.

Die Leistungen des Dritten (im vorliegenden Fall der Mutter) können in der Absicht erfolgen, die Unterhaltspflicht des Schuldners zu erfüllen und ihm die Leistung zu schenken oder von ihm Ersatz einzuklagen. Im ersten Fall steht ihm kein, im zweiten Fall ein Anspruch nach § 1042 ABGB gegen den zur Leistung Verpflichteten zu. In beiden Fällen ist aber der Anspruch des Kindes, weil für den Schuldner geleistet wurde, durch Erfüllung erloschen. Verwendete aber die Mutter, wie dies im Familienverband naheliegt, Geld nicht zum Nutzen des unterhaltspflichtigen Vaters, sondern gleichsam vorschußweise für das ihrer Obsorge anvertraute Kind in der Absicht, dessen berechtigte Ansprüche nicht zum Erlöschen zu bringen und sich allenfalls nach Durchsetzung der unberührt gebliebenen Unterhaltsansprüche des Kindes Ausgleich zu verschaffen, so hat sie keinen Anspruch nach § 1042 ABGB gegen den Vater und dieser hat weiter an das Kind das Geschuldete zu leisten. Es besteht sohin die Möglichkeit, daß die Mutter a) für den Vater leistete und sich von ihm Ersatz holen wollte oder b) auf den Ersatz verzichten und ihre Leistung dem Vater schenken wollte oder c) im Zuge der Versorgung des Kindes Beträge vorschießen wollte, ohne für den Vater zu leisten und diesen entlasten zu wollen und ohne selbst Ersatz von ihm zu verlangen. Nur im letzteren Fall steht dem Kind ein Unterhaltsanspruch zu, während in den ersten beiden Fällen der Anspruch des Kindes, weil für den Schuldner geleistet wurde, durch Erfüllung erloschen ist (siehe insbesondere 6 Ob 629/91).

Im vorliegenden Fall kann der dem Antragsteller Unterhalt leistenden Mutter nicht unterstellt werden, sie wolle im Zuge der Versorgung des Kindes Beträge vorschießen, um sich allenfalls nach Durchsetzung der unberührt gebliebenen Unterhaltsansprüche des Kindes Ausgleich zu verschaffen, weil sie davon ausgehen mußte, eine rückwirkende Verpflichtung zur Unterhaltsleistung sei nicht möglich. Unter Zugrundelegung dieser - damals herrschenden - Rechtsansicht kann nicht davon ausgegangen werden, daß sie vorschußweise für das ihrer Obsorge anvertraute Kind in der Absicht leistete, dessen berechtigte Ansprüche nicht zum Erlöschen zu bringen und sich allenfalls nach Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes Ausgleich zu verschaffen. Wenn die Mutter annehmen mußte, daß das Kind für die Vergangenheit keinen Unterhalt begehren könne, kann sie die Unterhaltsleistung nur für den Vater - ob schenkungsweise oder in der Absicht, von ihm Ersatz zu verlangen, kann hier dahingestellt bleiben - erbracht haben, was zum Erlöschen des Unterhaltsanspruches des Kindes führt.

Es war sohin dem Revisionsrekurs stattzugeben und in dem von der Anfechtung betroffenen Umfang der Antrag des Minderjährigen abzuweisen.

Anmerkung

E30701

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0020OB00506.93.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19930225_OGH0002_0020OB00506_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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