TE OGH 1993/3/11 2Ob516/93

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.1993
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus E***** *****, vertreten durch Dr.Gerd Tschernitz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Renate F*****, vertreten durch Dr.Norbert Moser,Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Räumung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 18.September 1992, GZ 1 R 350/92-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 21.Mai 1992, GZ 24 C 380/91i-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.899,22 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 483.20 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Fehlt es an einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, so kann sich das Revisionsgericht auf die Ausführung der für die Zurückweisung der ordentlichen Revision maßgeblichen Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Streitteile unterhielten eine Lebensgemeinschaft und wohnten mit dem dieser Verbindung entstammenden Kind zuletzt seit Beginn des Jahres 1991 in einer Mietwohnung in dem der Bau- und Siedlungsgenossenschaft "Fortschritt" gehörigen Haus in Klagenfurt, Georg-Lora-Straße 12, die auf Ersuchen beider Streitteile von der Landeshauptstadt Klagenfurt dem damals allein verdienenden Kläger als Mieter "zugewiesen" worden war. Nachdem die Lebensgemeinschaft der Streitteile aufgelöst worden war, zog der Kläger im September 1991 aus der Wohnung aus, in der seither die Beklagte mit dem gemeinsamen Kind der Streitteile wohnt.

Das Erstgericht gab dem vom Kläger im Dezember 1991 mit der Behauptung, die Beklagte habe die Wohnung nur prekaristisch mitbenützt und bewohne diese seit Widerruf des Prekariums titellos, erhobenen Räumungsbegehren statt.

Das Gericht zweiter Instanz änderte infolge Berufung der Beklagten dieses Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab, wobei es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000,-- S übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Ausgehend von den nicht bekämpften und daher vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes, wonach beide Streitteile die Stadt Klagenfurt um die Zuweisung einer Wohnung ersucht haben, die Stadt Klagenfurt diesem Ersuchen nur entsprochen hat, weil die Wohnung nicht vom Kläger als Einzelperson, sondern von den Streitteilen samt Kind bezogen werden sollte, der Nutzungsvertrag von der Wohnbaugenossenschaft nur deshalb mit dem Kläger allein abgeschlossen wurde, weil nur er damals einer Beschäftigung nachgegangen war, der Kläger zwar für den Baukostenbeitrag aufgekommen ist, die Beklagte dafür aber für den wesentlichen Teil des Unterhaltes des gemeinsamen Kindes gesorgt hat, die neue Wohnung mit den von den Streitteilen gemeinsam angeschafften Einrichtungsgegenständen möbliert worden ist und die neue Wohnung auch der Unterbringung des gemeinsamen Kindes der Streitteile dienen sollte (und noch dient), gelangte das Berufungsgericht zu der Ansicht, daß die Absicht der Streitteile auf Begründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zwecke des Erwerbs und der Nutzung der gegenständlichen Wohnung gerichtet war, sodaß der Beklagten unabhängig von der Lebensgemeinschaft ein Rechtstitel an der Benützung dieser Wohnung zusteht, den zu respektieren der Kläger trotz Auflösung der Lebensgemeinschaft vor allem im Hinblick auf seine im Rahmen seiner dem Kind gegenüber bestehenden Unterhaltsverpflichtung verhalten sei. Nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen könne der Kläger bei diesem Sachverhalt gegenüber der Mutter nicht auf Räumung dringen, solange nicht die Rückstellung des von der Beklagten für die Erlangung und Errichtung der Wohnung indirekt geleisteten Beitrages (alleiniges Aufkommen für den Unterhalt des Kindes), die Real- oder Naturalteilung der den Streitteilen gemeinsam gehörigen Möbel und die Unterbringung des Kindes (dessen Obsorge zwar der Mutter allein zustehe, die aber durch das Verhalten des Klägers diesbezüglich vor ein schwer zu lösendes Problem gestellt werde) geregelt seien. Das der Beklagten somit zustehende obligatorische Recht zur Benützung der Wohnung stünde dem Räumungsbegehren entgegen, weshalb die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung dieses Begehrens abzuändern gewesen sei.

Gegen diese berufungsgerichtliche Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen und hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage, ob unter den festgestellten Umständen die Lebensgefährtin trotz Auflösung der Lebensgemeinschaft dem Räumungsbegehren des anderen Lebensgefährten mit Erfolg widersprechen könne, solange nicht die aufgeworfenen offenen Fragen geregelt seien, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Dem kann nicht gefolgt werden.

Das Berufungsgericht hat sich im Rahmen der von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelten Grundsätze gehalten, wonach zwar mit Aufnahme einer Lebensgemeinschaft allein noch kein dingliches, obligatorisches oder familienrechtliches Wohnrecht begründet wird, eine Ausnahme allerdings dann besteht, wenn die (der) ehemalige Lebensgefährtin (Lebensgefährte) einen von der Lebensgemeinschaft unabhängigen Rechtstitel besitzt (1 Ob 62/73; 1 Ob 695/76; 2 Ob 573/82; 8 Ob 528/86 ua), die Begründung eines Wohnungsrechtes auch durch schlüssige Handlungen erfolgen kann (MietSlg 21.043, 23.044; 1 Ob 62/73; 2 Ob 573/82; 8 Ob 528/86; 7 Ob 703/87 ua), und die Prüfung dieser Frage unter Berücksichtigung der Übung des redlichen Verkehrs nach objektiven Maßstäben vorzunehmen ist (MietSlg 23.044; 2 Ob 573/82; 8 Ob 528/86 ua). Es entspricht auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, daß in der Eingehung der Lebensgemeinschaft an sich noch nicht der Abschluß eines Gesellschaftsvertrages erblickt werden kann, jedoch auch Personen, die nicht Ehegatten sind, die Gründung einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts dadurch konkludent vereinbaren können, daß sie ihre Mühe, ihr Einkommen oder sonstige Sachen zum gemeinsamen Nutzen vereinigen (SZ 53/20; JBl 1991, 789 ua), und die Frage, ob durch das Zusammenwirken von Personen schlüssig eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts errichtet wurde, immer nur nach den Umständen des einzelnen Falles beurteilt werden kann (EFSlg 36.108, 38.514; 1 Ob 649, 650/83; JBl 1989, 587; 5 Ob 512/91 ua).

Das Berufungsgericht hat im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung ausführlich die Umstände im einzelnen dargestellt, aus welchen es die Absicht der Streitteile auf Begründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zwecke des Erwerbs und der Nutzung der gegenständlichen Wohnung ableitete. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß all diese Umstände insgesamt unter Berücksichtigung der Übung des redlichen Verkehrs den unzweifelhaften Schluß auf das Zustandekommen einer derartigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen den Streitteilen zulassen. Damit hat aber die Beklagte ein obligatorisches Wohnrecht an der Wohnung erworben, sodaß von einer bloß prekaristischen Mitbenützung der Wohnung durch die Beklagte - wie der Kläger in der Klage behauptete - keine Rede sein kann.

Der Kläger hat das Räumungsbegehren ausschließlich auf den Sachverhalt des Widerrufs des Prekariums und damit auf titellose Benützung der Wohnung gestützt. Erweist sich der allein geltend gemachte Rechtsgrund als nicht gegeben, so ist das Gericht daran gebunden und nicht berechtigt, dem Klagebegehren aus einem anderen (nicht geltend gemachten) Rechtsgrund stattzugeben (vgl MGA ZPO14, § 226 ZPO E.161). Da das Verfahren ergeben hat, daß die Beklagte die klagegegenständliche Wohnung nicht bloß prekaristisch bewohnt, ist es dem Gericht verwehrt, die Frage zu prüfen, ob und unter welchen Umständen dem Räumungsbegehren wegen Beendigung des bestehenden Gesellschaftsverhältnisses stattzugeben wäre (vgl MietSlg 38.775). Der vom Berufungsgericht zur Begründung seines Ausspruches über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision relevierten Frage kommt daher für die Entscheidung über die vorliegende Klage keine rechtserhebliche Bedeutung zu.

Damit erweist sich aber die Revision als unzulässig, weshalb sie zurückgewiesen werden mußte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E31126

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0020OB00516.93.0311.000

Dokumentnummer

JJT_19930311_OGH0002_0020OB00516_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten