TE OGH 1993/3/23 14Os11/93

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Veröffentlicht am 23.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kirschbichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert E***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 12.November 1992, GZ 19 Vr 614/92-8, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert E***** - abweichend von der auf das Vergehen der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB lautenden Anklage - des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 3.Mai 1992 in Hainfeld Martina K***** mit Gewalt, nämlich durch Festhalten mit beiden Händen an der Taille bzw. versuchtes Mundzuhalten bei gleichzeitiger Aufforderung, mit ihm den Geschlechtsverkehr durchzuführen, zur Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer (undifferenziert ausgeführten) nominell auf die Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs. 1 Z 8 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Eine Überschreitung der Anklage (Z 8) erblickt die Beschwerde darin, daß der gegen den Beschwerdeführer wegen des Vergehens der versuchten geschlechtlichen Nötigung erhobene Anklagevorwurf - bei dem die Anklagebehörde offensichtlich davon ausgegangen sei, daß er "auch gar nicht mehr in der Lage war, einen Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichgestellte geschlechtliche Handlung durchzuführen" - das ihm vom Schöffengericht stattdessen angelastete Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nicht decke; dies jedoch zu Unrecht.

Von einer Überschreitung der Anklage und damit einer Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 8 StPO kann nur dann gesprochen werden, wenn das Urteil den Angeklagten eines Verhaltens schuldig erkennt, das nicht Gegenstand der Anklage war. Den Gegenstand der Anklage aber bildet die Beteiligung des Angeklagten an einem historischen Ereignis, das irgendeinen nach Ansicht des Anklägers strafgesetzwidrigen Erfolg herbeigeführt hat (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 1 f zu § 262; ENr. 8 zu § 281 Z 8). Nur an diesen Anklagevorwurf ist das Gericht (gemäß §§ 262, 267 StPO) gebunden. Im übrigen hat es jedoch das Verhalten des Angeklagten in bezug auf das angeklagte Ereignis nach allen Richtungen zu erforschen und sich ohne Rücksicht auf die in der Anklage vertretene Anschauung ein Urteil darüber zu bilden, in welcher Art sich das Ereignis abgespielt und in welcher Form sich der Angeklagte daran schuldbar beteiligt hat (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 25 ff zu § 262). Im gegenständlichen Fall legte die Anklagebehörde dem Beschwerdeführer das eingangs bezeichnete Verhalten zur Last. Über diesen Anklagevorwurf hat das Erstgericht auch erkannt. Daß es dabei das Tatverhalten des Angeklagten - anders als die Anklage - (zutreffend) als tatbestandsmäßig im Sinn des Verbrechens nach §§ 15, 201 Abs. 2 StGB wertete (vgl. Leukauf-Steininger Komm.3 § 202 RN 13), bedeutet keine Überschreitung der Anklage, weil hiedurch die Identität mit dem historischen Anklagesachverhalt nicht verlorengegangen ist (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 28 zu § 281 Z 8) und das Gericht gemäß § 267 StPO an die vom Ankläger vorgenommene rechtliche Beurteilung der angeklagten Tat nicht gebunden ist (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 3 zu § 262). Welche Bedeutung einer in diesem Zusammenhang unsubstantiiert behaupteten - nicht einmal in der eigenen Verantwortung des (wegen des versuchten Verbrechens nach § 201 Abs. 2 StGB bereits vorbestraften) Angeklagten Deckung findenden und im übrigen auch rechtlich belanglosen (Leukauf-Steininger aaO § 201 RN 25) - alkoholbedingten Beeinträchtigung der Beischlafsfähigkeit zukommen soll, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.

Die Rechtsrüge, welche der Sache nach unter Anrufung der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO eine Tatbeurteilung (anklagekonform) als Vergehen nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB mit dem Hinweis anstrebt, dem Urteil lasse sich nicht entnehmen, daß der Angeklagte das für den Tatbestand des Verbrechens nach § 201 Abs. 2 StGB erforderliche Nötigungsmittel der Gewalt eingesetzt habe, ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie von der (übrigens auch rechtlich zutreffend: Leukauf-Steininger aaO § 201 RN 19, § 202 RN 13) getroffenen Feststellung abweicht, wonach der Angeklagte die Martina K***** durch Erfassen mit beiden Händen an den Hüften und "Ziehen gegen seine Vorderseite, wobei er nunmehr sehr fest zugriff" und durch Zuhalten des Mundes Hilferufe des Tatopfers zu unterbinden trachtete (US 5, 6, 10 f), jedenfalls bereits nicht ganz unerhebliche physische Kraft zur Überwindung des Widerstandes der Martina K***** gegen die von ihm beabsichtigte Vornahme des Beischlafs angewendet hat. Der Beschwerdeführer bringt folglich den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund, dessen Vorliegen auch bei der Behauptung von Feststellungsmängeln nur durch einen Vergleich des im Urteil tatsächlich als erwiesen angenommenen vollständigen relevanten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Strafgesetz dargetan werden kann, nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Soweit die Beschwerde dabei (sachlich) eine Bekämpfung nicht der rechtlichen Beurteilung, sondern der - dieser zugrundeliegenden - Tatsachenfeststellungen im Auge hat (Z 5), unternimmt sie in Wahrheit lediglich den Versuch, die vom Erstgericht verwerteten Verfahrensergebnisse umzuwürdigen, und damit einen unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs. 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vom Angeklagten erhobene Berufung fällt demnach in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien (§ 285 i StPO).

Anmerkung

E31390

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0140OS00011.9300006.0323.000

Dokumentnummer

JJT_19930323_OGH0002_0140OS00011_9300006_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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