TE OGH 1993/4/14 9Ob901/93

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Veröffentlicht am 14.04.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Petrag, Dr.Bauer und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sieghard U*****, Bauarbeiter, ***** vertreten durch Dr.Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei DDr.Johann N*****, Wirtschaftstreuhänder, ***** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S*****-Bau GesmbH., wegen Feststellung einer Forderung (Streitwert S 118.511,10) und Feststellung (Streitwert S 3.000,-), infolge Rekurses des Klägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 16. Dezember 1992, GZ 2 R 202/92-7, womit infolge Berufung des Klägers das Versäumungsurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 14.Juli 1992, GZ 25 Cg 177/92-3, einschließlich des bisher durchgeführten Verfahrens teilweise als nichtig aufgehoben und die Klage insoweit zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Aus Anlaß des Rekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen als nichtig aufgehoben.

Das Verfahren ist vom Erstgericht in der in § 11 und § 12 ASGG vorgesehenen Gerichtsbesetzung fortzuführen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung:

Über das Vermögen der S*****-Bau GesmbH wurde am 5.8.1991 der Konkurs eröffnet und der beklagte Wirtschaftstreuhänder zum Masseverwalter bestellt. Der Kläger meldete in diesem Konkurs eine Forderung an "Bezügen" in Höhe von S 118.511,10 an. Diese Forderung wurde vom Masseverwalter bei der Prüfungstagsatzung am 10.9.1991 bestritten.

Der Kläger begehrte:

1.) Die Feststellung des aufrechten Bestehens der im Konkurs angemeldeten Forderung, sowie

2.) Die Feststellung, daß ihm diese Forderung aus seiner Tätigkeit als Bauarbeiter bei der Gemeinschuldnerin zustehe.

Der Kläger richtete die Klage an das Erstgericht als Arbeits- und Sozialgericht, stellte jedoch gleichzeitig den Antrag, die Rechtssache an das Erstgericht als Konkursgericht zu überweisen. Er

brachte vor, daß er sich aus einer familiären Verpflichtung zur Übernahme von Geschäftsanteilen der Gemeinschuldnerin bereiterklärt habe und pro forma als Geschäftsführer aufscheine, ohne Geschäftsführertätigkeiten entfaltet zu haben, noch hiezu auf Grund seiner Ausbildung und seiner Kenntnisse in der Lage gewesen zu sein. Die tatsächlichen Geschäftsführungsaufgaben hätte ein Dritter besorgt; dem Wunsch des Klägers, ihn als Strohmann-Geschäftsführer abzuberufen, sei nicht entsprochen worden. Er sei lediglich als Bauarbeiter beschäftigt gewesen und habe nur als solcher Gehaltsansprüche. Er hätte keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld nach dem IESG, soferne seine Gehaltsansprüche nicht aus seiner Tätigkeit als Bauarbeiter, sondern als Geschäftsführer abgeleitet würden. Er habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß ihm die als Konkursforderung geltend gemachten Gehaltsansprüche auf Grund seines Beschäftigungsverhältnisses als Bauarbeiter zustehen.

Das Erstgericht entschied durch den Einzelrichter; es stellte die Forderung des Klägers mit Versäumungsurteil in Höhe von S 118.511,10

als Konkursforderung fest und wies das weitere

Feststellungsbegehren (Pkt 2.) ab.

Das Berufungsgericht hob auf Grund der Berufung des Klägers den abweisenden Teil des Versäumungsurteiles einschließlich des hierüber durchgeführten Verfahrens als nichtig auf und wies die Klage insoweit zurück.

Es vertrat die Rechtsmeinung, daß das Feststellungsbegehren (Pkt 2.) über den Inhalt der Forderungsanmeldung hinausgehe, weil in dieser der Rechtsgrund der Bezüge (Lohn und/oder Gehaltsforderungen als Bauarbeiter und/oder Geschäftsführer ?) offengeblieben sei. Die Prüfungsklage sei auf den in der Anmeldung der Forderung angegebenen Rechtsgrund zu stützen und dürfe nicht über den Umfang der Anmeldung hinausgehen. Die Begrenzung der Prüfungsklage sei jederzeit von Amts wegen zu beachten. Die begehrte Feststellung würde das Arbeitsamt gemäß § 7 Abs 1 IESG bei der Beurteilung des Vorliegens eines gesicherten Anspruches im Sinne des § 1 Abs 2 IESG binden. Das Gericht dürfe eine über die Feststellung der Forderung des Klägers als Konkursforderung hinausgehende Feststellung nicht treffen und müsse die Beurteilung, ob es sich beim Anspruch des Klägers um einen nach den IESG gesicherten Anspruch handle, dem Arbeitsamt bzw. dem Masseverwalter überlassen. Der Mangel der Anmeldung im Konkurs bilde ein Prozeßhindernis vom Gewicht einer Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässige Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, die Entscheidungen der Vorinstanz im Sinne der Stattgebung des Feststellungsbegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß des Rekurses ist folgende Nichtigkeit wahrzunehmen:

Gegenstand des Prüfungsprozesses gemäß § 110 Abs 1 KO ist nur die Feststellung einer im Prüfungsverfahren bestrittenen bestimmten Forderung, die in der Anmeldung gemäß § 103 Abs 1 KO, ausreichend substantiiert und konkretisiert wurde (Bartsch-Heil, Grundriß des österreichischen Insolvenzrechts4 Rz 293; Heil, Insolvenzrecht Rz 162 u 168; auch RdW 1987, 292; 4 Ob 4/84). Das Klagebegehren kann gem § 110 Abs 1 KO nur auf den Grund, der in der Anmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegeben worden ist, gestützt werden. Es darf nicht über den Umfang der Anmeldung hinausgehen (Heil aaO Rz 168; Bartsch-Heil aaO Rz 299).

Alle Prüfungsbegehren haben auf die Feststellung einer Geldforderung zu lauten (§ 14 KO; Bartsch-Pollak3, I 512, 515). Das vom Kläger geltend gemachte Feststellungsbegehren (Pkt 2.), das nicht die Richtigkeit (und Rangordnung) einer Konkursforderung betraf, hätte selbst bei einer Anmeldung im Konkurs nicht Gegenstand eines Prüfungsprozesses sein können. Es war nicht anmeldefähig.

Mit diesem Anspruch macht der Kläger neben dem vom ausschließlich zuständigen Konkursgericht (§ 111 Abs 1 KO; Fink, Das Verfahren in Arbeitsrechtssachen vor dem Konkurs- und Ausgleichsgericht, DRdA 1988, 205 [207]) im Prüfungsprozeß bereits erledigten Feststellungsanspruch nach § 110 Abs 1 KO einen weiteren Feststellungsanspruch aus dem Arbeitsvertrag zwischen ihm und der Gemeinschuldnerin geltend. Die Geschäftsführereigenschaft bedeutet nicht notwendigerweise den Ausschluß aus dem Kreis der Arbeitnehmer (Schwarz-Holler-Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz2, 65; EvBl 1990/90).

Feststellungsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern, die Rechte oder Rechtsverhältnisse aus dem Arbeitsvertrag zum Gegenstand haben (§ 228 ZPO), sind Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gemäß § 50 Abs 1 Z 1 ASGG, die in die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes fallen, auch wenn die im gerichtlichen Verfahren als Hauptsache zu lösende Frage des Bestehens des Rechtes oder Rechtsverhältnisses im Verwaltungsverfahren eine gemäß § 38 AVG zu beurteilende Vorfrage bildet (infas 1993 A 26).

Die Frage ob ein bestimmter Gerichtshof in einer Rechtssache als Arbeits- und Sozialgericht oder in anderen Funktion entschieden hat,

ist (ausgenommen im Verhältnis zum ASG Wien und zum Handelsgericht Wien) eine Frage der Gerichtsbesetzung des jeweiligen Spruchkörpers (EvBl 1990/90 mwH; 9 Ob A 1/92). Für die Wahl der richtigen Gerichtsbesetzung ist ausschließlich der Inhalt des Begehrens und des ihm zugrundeliegenden Vorbringens maßgeblich (EvBl 1990/90 mwH). Eine unrichtige Gerichtsbesetzung durch Tätigwerden eines unrichtigen Spruchkörpers ist ein Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO (SZ 60/233; RZ 1988/25 mwH; 9 Ob A 41/88).

Über den geltend gemachten Feststellungsanspruch zu Pkt 2.) hatte daher das Landesgericht Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht zu entscheiden so daß die Entscheidung durch das Landesgericht Klagenfurt als Konkursgericht nichtig ist. Der Verstoß gegen die unrichtige Gerichtsbesetzung kann gemäß § 37 Abs 1 ASGG iVm § 260 Abs 4 ZPO, nicht mehr berücksichtigt werden, wenn die Parteien zur Zeit des Verstoßes qualifiziert vertreten waren und sich in die mündliche Streitverhandlung über dieses Begehren eingelassen haben, ohne diesen Umstand geltend zu machen (SZ 60/233; RZ 1988/25).

Im vorliegenden Fall ist die Heilung der unrichtigen Besetzung nicht eingetreten, da der Beklagte säumig und überdies nicht qualifiziert vertreten war (§ 40 Abs 1 ASGG). Beide Parteien müssen nämlich die Möglichkeit haben, die unrichtige Besetzung in der Verhandlung geltend zu machen, was bei Abwesenheit nicht der Fall ist (Kuderna ASGG 174; 1 Ob 597/92). Ein Wirtschaftstreuhänder gehört nicht zum Personenkreis des § 40 Abs 1 ASGG.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher als nichtig aufzuheben.

Das Erstgericht hat den Rechtsstreit durch einen gemäß §§ 11 ff ASGG gebildeten Senat weiterzuführen (EvBl 1990/90).

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 51 ZPO.

Anmerkung

E32345

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0090OB00901.93.0414.000

Dokumentnummer

JJT_19930414_OGH0002_0090OB00901_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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