TE OGH 1993/4/20 1Ob531/93

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Veröffentlicht am 20.04.1993
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf S*****, vertreten durch Dr. Walter Brandt und Dr. Karl Wagner, Rechtsanwälte in Schärding, wider die beklagte Partei Franziska S*****, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried i.I. als Berufungsgerichtes vom 23. Februar 1993, GZ R 40/93-23, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Schärding vom 12. Oktober 1992, GZ 1 C 30/92y-14, als verspätet zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

In Anwesenheit beider Parteien verkündete das Erstgericht am 12. Oktober 1992 das Urteil, wonach die Ehe der Streitteile wegen Verschuldens beider Ehegatten geschieden wurde. Beide Parteien ersuchten um Zustellung einer Ausfertigung dieses Urteils an ihre Rechtsvertreter (GZ 1 C 30/92-13). Die schriftliche Ausfertigung des Urteils wurde beiden Parteien am 22. Oktober 1992 zugestellt (AS 73). Mit Schriftsatz vom 5.11.1992 beantragte die Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Berufung gegen das Urteil vom 12. Oktober 1992, und meldete zugleich gegen dieses Urteil das Rechtsmittel der Berufung an (GZ 1 C 30/92-16). Dem Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 23.11.1992 stattgegeben (GZ 1 C 30/92y-19). Am 23.12.1992 langte die am 22.12.1992 zur Post gegebene Berufung der Beklagten gegen das Urteil vom 12.10.1992 beim Erstgericht ein (GZ 1 C 30/92-20).

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht diese Berufung als verspätet zurück. Gemäß § 464 Abs. 1 ZPO betrage die Berufungsfrist 4 Wochen. Die Frist habe mit der an die Parteien erfolgten Zustellung der Urteilsausfertigung zu laufen begonnen. Die Berufungsanmeldung, die im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfolgt sei, habe keinen Einfluß auf den Lauf der Berufungsfrist.

Der Rekurs der Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, daß die fristgerechte Anmeldung einer Berufung gegen ein in Anwesenheit beider Parteien mündlich verkündetes Urteil Voraussetzung dafür ist, daß Berufung erhoben werden kann (§ 461 Abs. 2 ZPO). Die Anmeldung der Berufung hat aber keinerlei Einfluß auf die vierwöchige Berufungsfrist gemäß § 464 Abs. 1 ZPO, die gemäß § 464 Abs. 2 ZPO mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung an die Partei zu laufen beginnt. Lediglich für den Fall, daß eine die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei innerhalb der Berufungsfrist die Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt, wird der Beginn der Berufungsfrist gemäß § 464 Abs. 3 ZPO hinausgeschoben. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Anmeldung der Berufung hatte nur zur Folge, daß die Berufungsanmeldung als rechtzeitig anzusehen ist, sie hat aber keinerlei Einfluß auf den Beginn der Frist zur Erhebung der Berufung, weil für einen solchen Fall eine den Beginn der Berufungsfrist gemäß § 464 Abs. 2 ZPO ändernde gesetzliche Bestimmung nicht existiert (vgl. EvBl. 1951/388). Die Berufungsfrist begann für die Beklagte daher am 22.10.1992 zu laufen, weshalb die von ihr erst am 22.12.1992 zur Post gegebene Berufung verspätet ist. Die Beklagte hätte innerhalb der Berufungsfrist ihre Berufung einbringen müssen, und hätte das Berufungsgericht diese Berufung nach Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrags gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Berufung dann in der Sache selbst behandeln müssen.

Dem Rekurs ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

Textnummer

E31166

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0010OB00531.93.0420.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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