TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/28 2005/06/0221

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.02.2006
beobachten
merken

Index

L07007 Landesgesetzblatt Kundmachung Verlautbarung Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
BauO Tir 2001 §16 Abs3 idF 2005/035;
BauO Tir 2001 §45 Abs3 idF 2005/035;
StGB §288;
StGB §289;
VerlautbarungsG Tir 1982;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde der D-GmbH in W, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke und Dr. Wolfgang Broesigke, Rechtsanwälte in Wien 6, Gumpendorfer Straße 14, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 7. Juli 2005, Zlen. I-Rm- 00089e/2004, II-AL-0001e/2004, betreffend die Untersagung der Ausführung eines angezeigten Bauvorhabens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15. Oktober 2003 wurde der Beschwerdeführerin die von ihr mit Eingabe vom 4. September 2003 angezeigte Aufstellung einer freistehenden Werbeeinrichtung in Form einer Plakattafel auf der Liegenschaft K-Gasse 21, mit Front zur P-Brücke, unter Hinweis auf § 45 iVm § 5 Abs. 2 und 3 der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) untersagt. Die Berufung der Beschwerdeführerin blieb erfolglos; der abweisliche Berufungsbescheid vom 5. März 2004 wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 14. September 2004, Zl. 2004/06/0056, (unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 30. März 2004, Zl. 2003/06/0061) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben (weil der Umstand, dass die projektierte Plakattafel allenfalls über die Straßenfluchtlinie rage, kein Versagungsgrund nach § 45 TBO 2001 sei).

Im fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde ein Gutachten eines Amtssachverständigen der Magistratsabteilung III, Stadtplanung, vom 22. November 2004, ein. Im Befund dieses Gutachtens erfolgt zunächst eine Baubeschreibung. Es heißt dort, die bereits bestehende Plakatwand im Ausmaß von 10,20 m x 2,40 m sei an der südlichen Grundgrenze am Böschungsfuß (Anmerkung: zur Straße) in einer Höhe von 2,50 m über dem bestehenden Gelände aufgestellt. Die Fläche diene der allgemeinen Wirtschaftswerbung. Die farbliche Gestaltung der Fläche bestehe somit aus den allgemeinen bunten Papierdrucken, die mehrmals pro Jahr neue Darstellungen zeigten. Auf Grund der Tatsache, dass die Plakate mehrmals pro Jahr wechselten, ändere sich die farbliche Gestaltung ständig und sei jede Art von Motiven, Farben und Schriften möglich.

Sodann folgt eine Beschreibung des Gebietes: Der Aufstellungsort befinde sich im Stadtteil V an der Nordseite der G-Straße, vor dem letzten Gebäude westlich des Bahnhofsareals, im städtebaulich sensiblen Bereich direkt am Beginn der P-Brücke. Die G-Straße bilde einen Teil des T-Ringes, der eine Haupterschließungsstraße von Innsbruck darstelle und damit auch eine für die Gesamtstadt "imageprägende Funktion" (Zitat im Original) ausübe. Sie diene aber auch der Haupterschließung der Innenstadt zu wichtigen städtischen Einrichtungen und Bereichen (diese werden näher beschrieben). Dieser Straßenzug sei somit nicht als eine Art Autobahn oder als periphere Verlängerung zu verstehen, sondern als eine wesentliche urbane Verbindung vom Zentrum der Stadt zu den jeweiligen Stadtteilen und als Verbindung der Stadtteile untereinander (wurde näher ausgeführt).

Die fragliche Liegenschaft sei durch das dort befindliche Gebäude mit einfacher verputzter Fassade mit Einzelfensteröffnung und Satteldach sowie den für Innsbruck in der offenen Bauweise typischen, mit Wiese, Sträuchern und hochstämmigen Bäumen bepflanzten Bereich zwischen der Fahrbahn gekennzeichnet, der ab Ende der P-Brücke beginne und nahezu bis zum Kreuzungsbereich des T-Rings mit der S-Straße reiche. Der gegenständliche Straßenabschnitt westlich der neu sanierten P-Brücke stelle einen markanten städtebaulichen Bereich dar, weil die Verkehrsfläche zum einen in Richtung Westen von der Brückenüberhöhe wieder zum normalen Niveau herunterführe und zum anderen in Richtung Norden als stark geneigte Böschung ebenfalls wieder zum üblichen Geländeniveau abfalle. Der Aufstellungsort der Plakatwand selbst befinde sich zwar am Böschungsfuß des Brückenbauwerkes, die Wand sei aber auf hohen Stützen montiert, sodass die Werbefläche über der Böschungskrone zu liegen komme. Hinter der Plakatwand befinde sich ein Gebäude mit blassgelber Fassadenfarbe, das zum größten Teil durch die Werbeeinrichtung verdeckt werde bzw. von dem nur mehr der Giebel sichtbar sei. Der Gehsteig werde von der Grünfläche und Böschung mittels Rundholzgeländer abgegrenzt.

Es folgt sodann eine Beschreibung der Werbeeinrichtungen im "ortsbildrelevanten Bereich" (in Entfernungen von ca. 130 m, ca. 80 m und, auf der dem Aufstellungsort gegenüberliegenden Straßenseite, 2 Plakatwände und 6 "Citylights" sowie eine Betriebsstandortbezeichnung, Entfernung ca. 40 m). Nach Hinweis auf das örtliche Raumordnungskonzept sowie auf verschiedene rechtliche Grundlagen und auf einen Stadtsenatsbeschluss vom 18. Februar 2004, der stadtgestalterischen Richtlinien für großflächige Werbeanlagen betreffe, wonach an bestimmten Straßenzügen und in bestimmten Bereichen keine Großflächenwerbungen zulässig seien (wobei sich der fragliche Aufstellungsort der Plakatwand an einem derartigen Straßenzug befinde), folgt das eigentliche Gutachten:

"GUTACHTEN

Wie im Befund angeführt, befindet sich die ggst. Liegenschaft am T-Ring der nicht als eine 'Autobahn' oder als periphere Verlängerung zu verstehen ist, sondern als eine wesentliche urbane Verbindung vom Zentrum der Stadt zu den jeweiligen Stadtteilen. Es ist ein wichtiger städtischer Raum, der von der F-Brücke bis zum Autobahnanschluss I - mit einer Länge von 4 km - reicht und in dem attraktive und wichtige städtische Nutzungen integriert sind. An dieser Verkehrsfläche finden sich die verschiedensten stadträumlichen Bereiche, die von offener Einfamilienhaus-, geschlossener Blockrandbebauung, Platzbildungen, U-Friedhof, Sondernutzungen, U-Bahnhof bis hin zu großkörnigen Bauten wie Sporteinrichtungen und Einkaufszentrum reichen.

Nachdem sich entlang dieses Straßenzuges vor kurzem fertig gestellte und mit hohen gestalterischen Ansprüchen errichtete Gebäude und bauliche Anlagen (P-Halle, K-Halle; P-Brücke) befinden, gilt es diese gestalterische Qualität des attraktiven öffentlichen Raumes am Übergang zum innerstädtischen Bereich zu sichern.

Neben der L-Allee und der H-Straße stellt der T-Ring eine der Haupterschließungsstraßen von Innsbruck dar und übt somit auch eine für die Gesamtstadt 'imageprägende Funktion' aus. Es gilt diesen urbanen Bereich durch eine besondere Gestaltung und Nutzung aufzuwerten und damit ein attraktives Entree der Stadt zu bilden. Dies ist jedenfalls durch eine Werbeanlage in der Art des ggst. Ansuchens nicht möglich, da der Passant nicht die Möglichkeit hat, den stadträumlichen Bereich, anhand der ihm eigenen, spezifischen Merkzeichen zu identifizieren. Auf Grund der exponierten Lage der ggst. Liegenschaft am Beginn bzw. Ende der P-Brücke wird der Teil der 'Stadteinfahrt', auf die diese Werbeanlage gerichtet ist durch die qualitätlose, bunte und deplatzierte 'Großflächenwerbung' gestört und optisch überlastet woraus ein zufälliges und inhomogenes Straßen- und Ortsbild mit einer aufdringlichen Wirkung entsteht. Das Absinken des stadtgestalterischen Niveaus ist die Folge.

Durch die besondere städtebauliche Situation, in der sich der Betrachter der Werbeeinrichtung sowie die Plakatwand selbst auf Höhe der Böschungskrone am Ende des Brückenbauwerkes befindet, tritt die Plakatwand in der gleichen Ebene wie das oberste Geschoß des dahinter liegende Gebäudes in Erscheinung und verdeckt einen Großteil des Gebäudes - von dem nur mehr der Giebel und Fensterfragmente hinter der Werbeeinrichtung hervorragen. Dadurch geht ein wesentliches Element des Straßenraumes optisch teilweise verloren und entsteht in Folge ein unharmonischer und untypischer Gesamteindruck.

Die dortige Liegenschaft ist - wie bereits im Befund ausgeführt - durch den für Innsbruck in der offenen Bauweise typischen, begrünten und mit hochstämmigen Bäumen bepflanzten Bereich zwischen der Fahrbahn und den Gebäuden gekennzeichnet, woraus ein geordneter und einheitlicher optischer Gesamteindruck resultiert. Der straßenbegleitende Grünstreifen beginnt ab Ende der P-Brücke und reicht nahezu bis zum Kreuzungsbereich des T-Rings mit der S-Straße. Dieser, das Straßenbild prägende bepflanzte Grünraum geht in der Flut von optischen Reizen unter. Die bestehende Charakteristik des Orts-und Straßenbildes kann durch eine Werbeanlage mit nackter Wandfläche direkt im begrünten bzw. bepflanzten Vorgarten nicht kompensiert werden und stellt einen Fremdkörper im Grün- und Straßenraum dar.

Als eklatant muss die Beeinträchtigung des Straßenraumes durch die Plakatwand für die Benutzer des Gehsteiges bezeichnet werden, die eine über 10 m breite Plakatwand in einem Abstand von ca. 10 m passieren und die Werbeanlage daher den überwiegenden Teil des Gesichtsfeldes einnimmt.

(Es folgt ein Foto)

Die dortige Bepflanzung und die Gebäude werden je nach Betrachtungsstandort teilweise überlagert und durch die Applikation der Werbeanlage zur Nebensächlichkeit degradiert, lässt die, das Straßenbild prägenden, Elemente visuell und real in den Hintergrund rücken, womit diese überflüssig werden und damit die Werbeanlage zum dominierenden Element des Straßenbildes wird.

(Es folgt ein Foto)

Dem homogenen Gesamterscheinungsbild mit den vorhandenen Elementen Gebäude, Rundholzgeländer, hochstämmigen Baumpflanzungen, Büschen wird ein fremdes Material (Papier) und dem vorhandenen Farben (blasses Gelb, Grün) fremde, konträre und deplatzierte 'bunte' Farben und Schriften aufoktroyiert.

Die mehrmals pro Jahr wechselnden Motive, Farben und Schriftzüge erhöhen die aufmerksamkeitserregende Wirkung und verstärken dieses ungeordnete und penetrante Erscheinungsbild noch weiter.

Die beantragte Werbeeinrichtung weist weder eine Sensibilität noch eine Dialogqualität auf, ignoriert die vorhandenen Dimensionen und Elemente des Bereiches und erregt durch die geplante Positionierung, Ausführung und Größe in intensiver Weise die Aufmerksamkeit des Betrachters.

Nachdem es sich hier zudem nicht um eine Objektwerbung sondern um eine Produktwerbung handelt, entspricht die ggst. Werbeanlage auch nicht den grundsätzlichen stadtgestalterischen Kriterien für Werbeeinrichtungen.

Weiters wird der ggst. Bereich des Aufstellortes der Plakatwand entsprechend der Festlegungen im ÖROKO als 'Besonderes städtebauliches Entwicklungs- und Umstrukturierungsgebiet', eine städtebauliche - und damit auch ortsbildrelevante - Neugestaltung entlang der S-Straße (Bereich H-Kloster bis T-Ring) erfahren. Eine entsprechende Studie wurde von Arch. L bereits fertig gestellt, wobei das Ziel bestand, diesen urbanen Bereich durch eine besondere Gestaltung und Nutzung aufzuwerten bzw. die vorhandenen städtebaulichen und stadtgestalterischen Qualitäten zu erhalten bzw. noch weiter zu verbessern und damit ein attraktives Entree der Stadt zu bilden.

In diesen imageprägenden Bereichen und Straßenabschnitten will sich die Stadt Innsbruck primär mit ihrer gegebenen baulichen Qualität und ihrem Selbstverständnis als kulturell anspruchsvolle, touristisch bedeutsame Stadt darstellen, dort hat die Stadt das vorrangige Recht auf ortsspezifische Präsentation ihres weitgehend qualitätsvollen, einzigartigen Orts- und Straßenbildes.

Diese Informationen sollten also nicht durch für die Stadt untypische, dominierende Botschaften der Werbewirtschaft erfolgen, da damit eine qualitative Abwertung und (auch im Sinne der StVO) bedenkliche Reizüberflutung. sowie eine Abminderung der urbanen Wirkung und des urbanen Empfindens verbunden ist.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass in Übereinstimmung der fachlichen und politischen Zielsetzungen, u. a. gegenüber von Wohnungen und an Stadteinfahrten keine Großflächenwerbungen zugelassen werden sollen. Daher wurden am 18.2.2004 vom Stadtsenat der Landeshauptstadt Innsbruck die stadtgestalterischen Richtlinien für großflächige Werbeanlagenbeschlossen. Entsprechend diesen Richtlinien ist die beantragte Plakatwand nicht zulässig, da sie sich an einer 'Visitenkarte' der Stadt, einer die Stadt prägenden Stadteinfahrts- u. Durchfahrtsstraße (Straße der Kategorie 1 - schwarze durchgehende Linie) befindet.

(Es folgt ein Plan, "Auszug aus den stadtgestalterischen Richtlinien")

Zu den bestehenden großflächigen Werbeeinrichtungen im dortigen Bereich wird mitgeteilt, dass aus heutiger Sicht die meisten Plakatwände im Hinblick auf das Ort- und Straßenbildes jedenfalls nicht mehr bewilligungsfähig wären, da ebenso wie in allen anderen Lebensbereichen im Laufe der Zeit auch die Qualitätsansprüche im Hinblick auf das Orts- und Straßenbild gestiegen sind. Da die dortigen Werbeeinrichtungen bereits vor langer Zeit bewilligt wurden, entsprechen diese nicht mehr den heutigen gestalterischen Anforderungen bzw. einem zeitgemäßen Standard und werden von der Stadtplanung auch entsprechend kritisch d.h. negativ gesehen. Nachdem das Tiroler Baurecht der Behörde jedoch keine Anpassung von Baubewilligungen an geänderte - z.B. gehobene gestalterische und baukünstlerische - Anforderungen erlaubt, müssen diese vorhandenen Werbeeinrichtungen wohl oder übel akzeptiert werden, was nicht bedeutet, dass diese als Vorbild für weitere das Orts- und Straßenbild erheblich beeinträchtigende, bauliche Anlagen dienen können.

Zusammenfassend betrachtet, wird festgestellt, dass die - ohne besondere Qualität - gestaltete Werbeeinrichtung im Unterschied zum Bestand auf Grund Ihrer Lage, Größe, Materialbeschaffenheit und Farbgebung das derzeit optisch ruhige, und homogene Erscheinungsbild des Bereiches künftig dominiert, die das derzeitige Straßenbild prägenden Elemente teilweise abdeckt und einen Fremdkörper für den dortigen Bereich darstellt, wodurch insgesamt eine erhebliche Beeinträchtigung des Orts-, und Straßenbildes hervorgerufen wird und zudem im Widerspruch zu den Zielen der Örtlichen Raumordnung und den vom Stadtsenat beschlossenen stadtgestalterischen Richtlinien stehen."

Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2005 legte die Beschwerdeführerin ein Gegengutachten des Architekten DI F. G. vom 24. Jänner 2004 vor und beantragte die Durchführung eines Ortsaugenscheines mit Ladung des Amtssachverständigen und des Sachverständigen F. G. Das Gutachten, dem 26 Lichtbilder angeschlossen sind, kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass das (unterdurchschnittlich schutzwürdige) umgebende Orts- und Straßenbild durch das Vorhaben nicht erheblich gestört werde.

Über Ersuchen der belangten Behörde gab der Amtssachverständige eine vierseitige (ablehnende) Stellungnahme vom 22. April 2005 zu diesem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gegengutachten ab (wobei diese Stellungnahme vom 22. April 2005 der Beschwerdeführerin vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zur Kenntnis gebracht wurde, sie ist im angefochtenen Bescheid vollständig wiedergegeben).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat hierauf die belangte Behörde der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid abermals keine Folge gegeben und die bekämpfte Entscheidung vollinhaltlich bestätigt. Nach zusammengefasster Wiedergabe des Verfahrensganges sowie Wiedergabe des (eigentlichen) Gutachtens des Amtssachverständigen (ohne Befund), des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gegengutachtens, und der Äußerung des Amtssachverständigen zum Gegengutachten sowie Rechtsausführungen heißt es begründend, aus dem schlüssigen Gutachten des Amtssachverständigen vom 22. November 2004 gehe hervor, dass die gegenständliche Werbeeinrichtung auf Grund ihrer Lage, Größe, Materialbeschaffenheit und Farbgebung das derzeit optisch ruhige und homogene Erscheinungsbild des Bereiches künftig dominiere, die das ganze derzeitige Straßenbild prägenden Elemente teilweise abdecke und einen Fremdkörper für den dortigen Bereich darstelle, wodurch insgesamt eine erhebliche Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes hervorgerufen werde. Zum vorgelegten Gegengutachten habe sich der Amtssachverständige in seiner Stellungsnahme vom 22. April 2005 im Wesentlichen dahingehend geäußert, dass sich die positive Bewertung im Gegengutachten auf ein Punktebewertungssystem stütze, welches eine reine Behauptung ohne Beweiskraft darstelle, weil die Kriterien bzw. das gesamte System im Gutachten nicht dargelegt seien. Das System stelle außerdem eine persönliche Behandlungsmethode für Ortsbildgutachten des Privatgutachters dar. Der Amtssachverständige habe sich zu allen vom Privatgutachter vorgebrachten Punkten geäußert und sie in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise entkräftet.

Damit stehe fest, dass die gegenständliche Werbeeinrichtung eine erhebliche Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes darstelle. Vor allem die überdurchschnittliche Größe (10,2 m x 2,4 m, die Standardgröße betrage in Innsbruck 5,10 m x 2,40 m), die Farbe (es seien extrem grelle und bunte Farben der Plakate möglich) und die Materialbeschaffenheit (Papier sei im derzeitigen Straßenbild nicht vorhanden) der Werbeeinrichtung wirkten sich gemäß dem Gutachten des Amtssachverständigen in diesem Zusammenhang negativ aus. Daran könne der Umstand, dass der Standort an einer stark befahrenen Straße liege oder es sich um eher "temporäres Bauwerk" (im Original unter Anführungszeichen) handle, nichts ändern, weil die Verkehrsbelastung und die Zeitdauer der Aufstellung, wie vom Amtssachverständigen ausgeführt, keine Kriterien für die Beeinträchtigung des Ortsbildes durch eine Plakatwand darstellten. Zur Verneinung der Schutzwürdigkeit des Aufstellungsortes durch den Privatgutachter führe der Amtssachverständige aus, dass sich die Beeinträchtigung des Ortsbildes zwar proportional zum Schutzwürdigkeitsgrad verhalte, aber bei einem noch vorhandenen schutzwürdigen Ortsbild zusätzliche Kriterien zu berücksichtigen seien.

Demnach sei das vorgelegte Gegengutachten nicht geeignet, das Gutachten des Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften, oder die im Einklang mit der Gesetzeslage stehende Zielsetzung der Stadt Innsbruck bezüglich eines qualitätsvoll gestalteten Stadtbildes in Zweifel zu ziehen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall hatte die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 35/2005, anzuwenden.

Maßgeblich ist im Beschwerdefall § 45 TBO 2001, der nähere Bestimmungen zu Werbeeinrichtungen trifft.

Hier ist insbesondere Abs. 3 dieses Paragraphen von Bedeutung, wonach die Errichtung, Aufstellung oder Änderung einer anzeigepflichtigen Werbeeinrichtung unzulässig ist, wenn durch die Materialbeschaffenheit, Größe, Form, Farbe oder Lichtwirkung der Werbeeinrichtung das Orts- oder Straßenbild erheblich beeinträchtigt würde.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, das von ihr vorgelegte Gegengutachten stamme von einem Ziviltechniker und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen. Dieser habe somit "einen höheren Ausbildungsgrad und beruflichen Standard" als der Amtssachverständige, der überdies nicht unabhängig, sondern weisungsgebunden sei. Das Gegengutachten befinde sich daher "auf einer höheren fachlichen Ebene". Diese Auffassung trifft nicht zu. Schon generell kann nicht gesagt werden, dass ein solcher "höherer Ausbildungsgrad" jedenfalls eine "höhere fachliche Ebene" des Gutachtens zur Folge hätte, wie auch, dass dem Gutachten eines nicht amtlichen Sachverständigen schon gleichsam ohne weiteres höheres Gewicht beizumessen wäre als jenem eines (in die behördliche Organisation eingebundenen) Amtssachverständigen. Auch ist ein Amtssachverständiger hinsichtlich des Inhaltes seines Gutachtens jedenfalls insoferne an keine Weisungen gebunden, als er unter der Strafdrohung der §§ 288 und 289 StGB keinen falschen Befund und kein falsches Gutachten erstatten darf. Im Beschwerdefall war die Durchführung eines Ortsaugenscheines durch die belangte Behörde unter Beiziehung der beiden Sachverständigen gesetzlich nicht zwingend geboten, und ist es auch sonst nicht ersichtlich, dass der Umstand, dass die belangte Behörde einem entsprechenden Begehren der Beschwerdeführerin nicht entsprach, das Ermittlungsverfahren mit einem wesentlichen Mangel belastete.

Der Kritik der Beschwerdeführerin am Gutachten des Amtssachverständigen kann aber jedenfalls im Ergebnis Berechtigung nicht abgesprochen werden:

Das Gutachten des Amtssachverständigen vom 22. November 2004 nennt als wesentliche "Vorgabe" (auch) einen Stadtsenatsbeschluss (also einen Beschluss der belangten Behörde) vom 18. Februar 2004, wonach - so die Wiedergabe im Gutachten - die dort genannten "großflächigen Werbeanlagen" offensichtlich in bestimmten Bereichen generell als unzulässig eingestuft werden. Dem ist allerdings entgegen zu halten, wie (zwischenzeitig) schon im hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2005, Zl. 2004/06/0132, zum rechtlich gleich gelagerten § 16 Abs. 3 TBO 2001 ausgeführt wurde, dass solche stadtplanerische Wunsch- und Zielvorstellungen, die weder als Rechtsvorschrift erlassen noch als solche kundgemacht sind, der belangten Behörde den im (nunmehrigen) Beschwerdefall maßgeblichen § 45 Abs. 3 TBO 2001 nicht abzuändern vermögen. Daher ist im Einzelfall zu untersuchen, ob das konkrete Vorhaben (hier) den Vorgaben des § 45 Abs. 3 TBO 2001 entspricht oder nicht. Dem entgegen muss aber nach der Diktion des Gutachtens vom 22. November 2004 wie auch des angefochtenen Bescheides (der das Gutachten ohne Einschränkung als zutreffend qualifiziert und auch auf die "Zielsetzung der Stadt Innsbruck bezüglich eines qualitätsvoll gestalteten Stadtbildes" verweist) davon ausgegangen werden, dass darin dem angenommenen Widerspruch des Vorhabens zum Stadtsenatbeschluss vom 18. Februar 2004 wesentliche Bedeutung zugemessen wurde, womit das Gutachten von unzutreffenden Beurteilungskriterien ausging, was demnach gleichermaßen für den angefochtenen Bescheid gilt.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, das Amtsgutachten und die Stellungnahme des Amtsgutachters zum Gegengutachten seien schon ihrer Wortwahl nach geprägt von "einer gegen Plakatwände gerichteten Grundeinstellung. Der Amtsgutachter verbreitet sich in einer negativen Schilderung des Wesens einer Plakattafel und von Plakaten". Dem § 45 TBO 2001, der sich ausschließlich auf Werbeeinrichtungen, also zu einem großen Teil auf Plakattafeln beziehe, sei aber nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber Plakattafeln schon an sich als erheblich störend ansehe, wie dies der Amtssachverständige und die belangte Behörde offenbar meinten (wird näher ausgeführt).

Den entsprechenden Ausführungen des Amtssachverständigen und auch der belangten Behörde (die dabei dem Gutachten des Amtssachverständigen folgte) ist hiezu zu entgegnen, dass solche Werbetafeln konventionelle Werbeeinrichtungen sind, was gleichermaßen für Plakate aus Papier gilt. Typischerweise werden solche Plakate auch immer wieder gewechselt, wodurch sich immer wieder Änderungen in Motiv und Farbe ergeben (einen solchen Wechsel der Motive und auch der Farbgebung gibt es im Übrigen ja nicht nur bei Papierplakaten, sondern auch bei Werbeeinrichtungen anderer Art). Der Beurteilung der belangten Behörde (und auch des Amtssachverständigengutachtens), die tendenziell dahin geht, dass diese Umstände gleichsam vorweg jedenfalls zu einer erheblichen Störung des Orts- und Stadtbildes führen würden, ist nicht beizutreten, weil dem § 45 Abs. 3 TBO ein Hinweis auf eine derart restriktive Zulässigkeit solch konventioneller Werbeträger und Werbemittel nicht zu entnehmen ist. Damit sind die belangte Behörde wie auch das von ihr eingeholte Sachverständigengutachten von einem unzutreffenden Verständnis des § 45 Abs. 3 TBO 2001 ausgegangen.

Die Beschwerdeführerin bemängelt weiters, dass sich der Amtssachverständige mit (2) "Standortfotos, die nur die fragliche Tafel (samt Hintergrund)" zeigten, begnügt habe, wohingegen der von ihr herangezogene Gegengutachter das Ortsbild durch 26 Lichtbilder dokumentiert habe. Diese umfangreiche Lichtbilddokumentation widerlege die "überzeichneten Beschreibungen" des Amtssachverständigen zum Ortsbild. Auch dieses Vorbringen ist erheblich: Zunächst fällt auf, dass der Amtssachverständige die seiner Auffassung nach negative Auswirkung der Plakattafeln auf den "imageprägenden" Bereich hervorhebt, aber nicht weiter auf die gemäß seinem Gutachten auf der anderen Straßenseite befindlichen Werbeeinrichtungen eingeht (wobei es sich dabei, wie aus der umfangreichen Lichtbilddokumentation des Gegengutachtens ersichtlich ist, ebenfalls um sehr große Plakatflächen handeln dürfte, womit sich der nächste Zweifel ergibt, ob denn die gegenständliche Tafel wirklich so ungewöhnlich groß ist). Wie sich aus den beiden Lichtbildern im Amtsgutachten ergibt, trifft es zu, dass die gegenständliche Plakattafel große Teile des dahinter befindlichen Gebäudes abdeckt, dies aber dann, wenn man unmittelbar davor steht. Aus einem anderem Blickwinkel ist aber das dahinter befindliche Gebäude mit gelber Fassade (samt einem davor angebauten Holzschuppen) problemlos zu sehen, wie sich aus den Fotos im Gegengutachten ergibt. Es ist auch richtig, dass sich zwischen der Fahrbahn und dem Gebäude Bäume und offenbar Sträucher befinden (in der Beschwerde als "Gestrüpp" bezeichnet), das gilt aber, wie ebenfalls aus den Lichtbildern im Gegengutachten zu ersehen ist, möglicherweise nur für einen Teilbereich der Liegenschaft (die wohl gewerblich genützt sein dürfte, weil auch eine große Abstellfläche mit Fahrzeugen zu sehen ist, und davor eben keine Bäume).

Das Gutachten des Amtssachverständigen erscheint daher jedenfalls aus diesen Gesichtspunkten ergänzungsbedürftig.

Da die belangte Behörde die Mängel des zugrundegelegten Amtsgutachtens verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Februar 2006

Schlagworte

Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1 Besondere Rechtsgebiete Anforderung an ein Gutachten Verfahrensbestimmungen Diverses Sachverständiger Weisungsgebundenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005060221.X00

Im RIS seit

31.03.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten