TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/15 2005/18/0697

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.03.2006
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs2 Z2;
StGB §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des E, geboren 1980, vertreten durch Dr. Ernst Schillhammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 12/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. August 2005, Zl. SD 435/05, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 17. Jänner 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, angeblich ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen und gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. August 2005 wurde der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung (des Beschwerdeführers) keine Folge gegeben und dieser Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe bestätigt, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung zu entfallen habe.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer, dessen Identität mangels Dokumente nicht geklärt sei, am 4. Mai 2004 illegal in das Bundesgebiet gelangt sei und einen Asylantrag gestellt habe, der erstinstanzlich abgewiesen worden sei. Das diesbezügliche Berufungsverfahren sei anhängig.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. August 2004 sei über den Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 und 2 Z. 2 erster Fall Suchtmittelgesetz - SMG, § 15 StGB eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verhängt worden, wovon ein Teil von sieben Monaten bedingt nachgesehen worden sei. Er habe am 31. Juli 2004 eine Kugel Heroin an einen Abnehmer verkauft und vier weitere Kugeln Kokain zum unmittelbaren Weiterverkauf bereitgehalten.

Ferner sei der Beschwerdeführer durch das Landesgericht für Strafsachen Wien am 21. Dezember 2004, ebenfalls gemäß § 27 Abs. 1 und 2 Z. 2 erster Fall SMG, zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt worden.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten und keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, insbesondere der Suchtgiftkriminalität, und zum Schutz der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, in Österreich angeblich Schutz vor Verfolgung suche und dann hier wiederholt dem gewerbsmäßigen Suchtgifthandel nachgehe, lasse seine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Dazu komme, dass insbesondere der Suchtgiftkriminalität nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überaus hohe Wiederholungsgefahr anhafte, die im Fall des Beschwerdeführers geradezu bestätigt erscheine. Solcherart sei eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose nicht möglich. Es könne kein Zweifel bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und sohin im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst zu bedenken gewesen, dass der Beschwerdeführer auf keine maßgebliche, aus der Dauer seines (inländischen) Aufenthaltes ableitbare Integration verweisen könne, sei er doch lediglich auf Grund des gestellten Asylantrages zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt und werde die einer jeglichen Integration zu Grunde liegende soziale Komponente durch das dargestellte strafbare Verhalten entsprechend an Gewicht gemindert. Darüber hinaus befinde er sich bereits einen Gutteil seines Aufenthaltes in Haft. Auch angesichts des Mangels jeglicher familiärer Bindungen sei das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzuschreibende Interesse an einem Weiterverbleib in Österreich gering. Dem stehe das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse am Verlassen des Bundesgebietes. Die Erlassung dieser Maßnahme erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 leg. cit. als zulässig.

Ein Sachverhalt gemäß § 38 leg. cit. sei nicht gegeben gewesen.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Das anhängige Asylverfahren stelle solche besonderen Gründe nicht dar, erweise sich das Aufenthaltsverbot doch auch im Sinn des Asylgesetzes als zulässig und komme eine vorzeitige Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes vor Abschluss des Asylverfahrens ohnedies nicht in Betracht.

Die durch die Erstbehörde festgesetzte unbefristete Gültigkeitsdauer erscheine gerechtfertigt. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten einerseits und auch unter Bedachtnahme auf die aktenkundige Lebenssituation des Beschwerdeführers andererseits könne nicht vorhergesehen werden, wann die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 5. Dezember 2005, B 3298/05).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellte der Beschwerdeführer den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen zu den Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Die Beschwerde bestreitet auch nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend das der Verurteilung vom 26. August 2004 zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers. Danach hat dieser am 31. Juli 2004 eine Kugel Heroin an einen Abnehmer verkauft und vier weitere Kugeln Kokain zum unmittelbaren Weiterverkauf bereitgehalten, wobei er gewerbsmäßig, das heißt in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Straftat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB), vorging. Unbestritten wurde er wegen seiner - wiederholt verübten - Straftaten zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten und einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer war am 4. Mai 2004 (illegal) in das Bundesgebiet eingereist und nach nicht einmal drei Monaten seines inländischen Aufenthaltes in massiver Weise straffällig geworden. In Anbetracht des obgenannten Fehlverhaltens und der Suchtdelikten erfahrungsgemäß innewohnenden Wiederholungsgefahr (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 2006, Zl. 2006/18/0001) begegnet die - bekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

3.1. Die Beschwerde bekämpft weiters den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel des § 37 Abs. 1 und 2 FrG und bringt vor, dass der Beschwerdeführer einen Anspruch darauf habe, "einen seinem Individuum entsprechenden Bereich zu sichern, in welchem er seine Persönlichkeit frei entwickeln und entfalten kann, unabhängig davon, ob er Familienangehörige im Bundesgebiet hat oder nicht". Im Übrigen sei festzuhalten, dass er durch seinen Asylantrag entsprechende Maßnahmen ergriffen habe, um den rechtmäßigen Aufenthalt sicherzustellen. Dem gegenüber stelle gerade der angefochtene Bescheid eine "vorgelagerte Beschränkungsmaßnahme" dar, indem gerade durch ihn verhindert werde, dass der rechtmäßige Aufenthalt erzielt werde. Die belangte Behörde habe die familiären Bindungen des Beschwerdeführers nicht geprüft und unter völliger Außerachtlassung der Verfahrensvorschriften die negative Beantwortung dieser Frage "lediglich in Verbindung mit der Tatsache postuliert", dass der Beschwerdeführer im Strafverfahren verurteilt worden sei. Ferner sei dem Beschwerdeführer das Recht auf Parteiengehör nicht ausreichend gewährt worden.

3.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde berücksichtigt, dass sich der Beschwerdeführer seit 4. Mai 2004 im Bundesgebiet aufhält. Die aus der verhältnismäßig kurzen Dauer seines inländischen Aufenthalts resultierenden, und daher mit schwach ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers werden in ihrem Gewicht weiters dadurch relativiert, dass er sich nur auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 rechtmäßig hier aufhält.

Entgegen der Beschwerdeansicht hat die belangte Behörde die Frage der familiären Bindungen des Beschwerdeführers nicht ungeprüft gelassen. So hat sie im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass er keine familiären Bindungen in Österreich hat. Dass sich - entgegen dieser Bescheidfeststellung - Familienangehörige des Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufhielten, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Wenn die Beschwerde rügt, dass dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend Parteiengehör gewährt worden sei, so ist diese Verfahrensrüge bereits deshalb nicht zielführend, weil sie nicht darlegt, welches Vorbringen er auf Grund des behaupteten Verfahrensmangels nicht habe erstatten können. Die vorzitierte Feststellung der belangten Behörde (betreffend das Fehlen von familiären Bindungen im Bundesgebiet) begegnet daher keinen Bedenken.

In Anbetracht dieser (aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes resultierenden) privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet hat die belangte Behörde zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Ebenso zutreffend hat sie jedoch - unter Bedachtnahme auf diese privaten Interessen - die Ansicht vertreten, dass die Erlassung dieser Maßnahme zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit anderer) dringend geboten sei, steht doch dem besagten, wie dargetan nur gering zu gewichtenden privaten Interesse des Beschwerdeführers das ungleich höher zu bewertende Allgemeininteresse an der Verhinderung gewerbsmäßig begangener Suchtgiftdelikte gegenüber. Von daher ist auch die Auffassung der belangten Behörde, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme (§ 37 Abs. 2 FrG), frei von Rechtsirrtum.

4. Schließlich kann - entgegen der weiteren Beschwerdeansicht - der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, ergeben sich doch weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid Umstände, die eine Ermessensübung im Grund des § 36 Abs. 1 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

5. Wenn sich die Beschwerde dagegen wendet, dass die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen worden sei, übersieht sie, dass der diesbezügliche, im erstinstanzlichen Bescheid getroffene Ausspruch mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG (ersatzlos) behoben wurde.

6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. März 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005180697.X00

Im RIS seit

10.04.2006

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten