TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/29 2004/08/0075

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Veröffentlicht am 29.03.2006
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde von 1. G (Erstbeschwerdeführer) und 2. Ing. R (Zweitbeschwerdeführer), beide in V und beide vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Dr. Gernot Murko, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 10. März 2004, Zl. 128.781/1-3/04, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Kärntner Gebietskrankenkasse, 9021 Klagenfurt, Kempfstraße 8; 2. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65;

4. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Kärnten, 9021 Klagenfurt, Rudolfsbahngürtel 42), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von je EUR 25,75 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Antrag der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. November 1998 hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse das Vorliegen einer Pflichtversicherung des Erstbeschwerdeführers in der Voll- und Arbeitslosenversicherung auf Grund seiner Tätigkeit beim Zweitbeschwerdeführer als angelernter Arbeiter ab 18. Juni 1996 sowie das Vorliegen einer Formalversicherung gemäß § 21 ASVG verneint.

Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch der Beschwerdeführer hat der Landeshauptmann von Kärnten mit Bescheid vom 16. Mai 2001 keine Folge gegeben und festgestellt,

"dass für (den Erstbeschwerdeführer) hinsichtlich seiner in der Anmeldung vom 24.6.1996 angegebenen und mit Arbeitsbeginn 18.6.1996 erfolgten Tätigkeit für (den Zweitbeschwerdeführer)

1. keine Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (Vollversicherung) nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG besteht und die mit 18.6.1996 erstattete Anmeldung zur Sozialversicherung storniert wird,

2. keine Formalversicherung in der Pflichtversicherung nach § 21 Abs. 1 ASVG eingetreten ist und

3. keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung nach § 1 Abs. 1 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1997 vorliegt."

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die gegen den Einspruchsbescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführer abgewiesen und festgestellt, dass der Erstbeschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit für den Zweitbeschwerdeführer als "angelernter Arbeiter im Zeitraum vom 18.06.1996 bis 4.02.1997 nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlag".

In der Begründung gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder, stellte die einschlägige Rechtslage dar und ging von folgendem Sachverhalt aus:

"(Der Zweitbeschwerdeführer) war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Eigentümer des Hauses in der (R.) Straße. Im Parterre dieses Hauses befand sich ein Büroraum des (Zweitbeschwerdeführers). Die restlichen Räumlichkeiten bewohnten die Mutter (des Zweitbeschwerdeführers) und sein Bruder (der Erstbeschwerdeführer). (Der Erstbeschwerdeführer) ist gelernter Industriekaufmann, hat jedoch Kenntnisse hinsichtlich Ausbesserungsarbeiten am Dachausbau. (Der Erstbeschwerdeführer) hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine andere Tätigkeit ausgeübt. Da sich (der Zweitbeschwerdeführer) berufsbedingt langjährig im Ausland aufhielt und das Dach des Hauses zu sanieren war, kamen (der Zweitbeschwerdeführer) und (der Erstbeschwerdeführer) darüber überein, dass (der Erstbeschwerdeführer) diese Aufgabe übernimmt. Es wurde weder die Bezahlung eines Entgeltes vereinbart noch unterstand (der Erstbeschwerdeführer) irgend einer Kontrolle oder Aufsicht seitens Herrn R. S. (gemeint wohl: des Zweitbeschwerdeführers). Zwischen (dem Erstbeschwerdeführer) und (dem Zweitbeschwerdeführer) wurden auch keinerlei Sanktionen für den Fall vorgesehen, dass (der Erstbeschwerdeführer) die Dachausbesserungen nicht ordnungsgemäß vornimmt. Bereits vor dem Zeitpunkt der Anmeldung hatte (der Erstbeschwerdeführer) - in seinem Geburtshaus - unentgeltlich viele Tätigkeiten verrichtet, wie zum Beispiel die Sanierung des Kamins. Am 20.06.1996 hat (der Erstbeschwerdeführer), zusammen mit zwei Bekannten an der Sanierung des Daches gearbeitet. Am Ende des Arbeitstages ließ man das diesbezügliche Werkzeug am Dach, da man am nächsten Tag weiter arbeiten wollte. Auf Grund schlechter Witterungsverhältnisse stieg (der Erstbeschwerdeführer) nach 0.00 Uhr auf das selbst errichtete Gerüst und wollte das Werkzeug ordnungsgemäß wegräumen. Dabei stürzte er ca. 8 Meter auf den Boden und verletzte sich schwer. Am 24.06.1996 langte bei der (mitbeteiligten) Gebietskrankenkasse eine Anmeldung für (den Erstbeschwerdeführer), als angelernter Arbeiter, beim Dienstgeber (Zweitbeschwerdeführer), rückwirkend ab dem 18.06.1998 ein. Im Zeitraum vom 18.06.1996 1996 bis einschließlich 4.02.1997 wurden seitens der (mitbeteiligten) Gebietskrankenkasse Beiträge vorgeschrieben, welche auch einbezahlt wurden. Seitens der Steuerberatungs- und Unternehmensberatungskanzlei (N.), wurden mit Datum vom 23.09.1996 und 24.09.1996 drei Anträge auf Erstattung gemäß § 8 Entgeltfortzahlungsgesetz gestellt. Diese Anträge umfassten den Zeitraum 21.06.1996 bis 30.06.1996, wobei als fortgezahltes Bruttoentgelt ATS 5.372,88 angegeben wurden, den Zeitraum 1.07.1996 bis 31.07.1996, wobei als fortgezahltes Bruttoentgelt ATS 18.039,80 angegeben wurden und den Zeitraum 1.08.1996 bis 15.08.1996, wobei als fortgezahltes Bruttoentgelt ATS 7.070,-- angegebenen wurden. Auf diesem Weg erhielt (der Erstbeschwerdeführer) einen Betrag in der Höhe von ATS 30.482,68."

In der Beweiswürdigung verwies die belangte Behörde auf die in sich und untereinander widersprüchlichen Aussagen der Beschwerdeführer und eines - weiteren - Bruders hinsichtlich des Entgelts, der vor den in Rede stehenden Arbeiten durchgeführten Sanierungsarbeiten am Haus sowie betreffend einzuhaltender Arbeitszeiten, erteilter Weisungen und durchgeführter Kontrollen.

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde von einer Vereinbarung zwischen den Beschwerdeführern über die Durchführung der Sanierungsarbeiten am Hause aus. Diese seien jedoch auch im Interesse des Erstbeschwerdeführers gelegen, weshalb dieser "damit aus eigenwirtschaftlichen Gründen heraus gehandelt (hat) und nicht auf Rechnung und Gefahr des (Zweitbeschwerdeführers), weswegen dieser auch nicht als Dienstgeber des (Erstbeschwerdeführers) in Betracht kommt". Obwohl sich schon aus diesem Grund eine Behandlung der Frage nach dem Vorliegen eines Verhältnisses persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit erübrige, sei darauf hingewiesen, dass sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Erstbeschwerdeführers vom Zweitbeschwerdeführer vorgelegen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Ebenso hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde und Ersatz des Schriftsatzaufwandes erstattet. Die übrigen Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die Beschwerdeführer in der Beschwerde das Fehlen einer Entscheidung über das Vorliegen einer Formalversicherung rügen, sind sie darauf zu verweisen, dass sie in ihrer Berufung vom 31. Mai 2001 zwar beantragt haben, den Einspruchsbescheid aufzuheben, jedoch eine Abänderung des Einspruchsbescheides nur hinsichtlich der Feststellung der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht beantragt haben. Die belangte Behörde konnte daher schon deshalb über die Formalversicherung nicht absprechen. Im übrigen steht gemäß § 415 ASVG die Berufung an den Bundesminister für (nunmehr) soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz in den Fällen des § 413 Abs. 1 Z. 1 ASVG (gegen Einspruchsbescheide des Landeshauptmannes) nur zu, wenn über die Versicherungspflicht oder die Berechtigung zur Weiter- oder Selbstversicherung entschieden worden ist. In Angelegenheiten der Formalversicherung steht die Berufung an den Bundesminister nicht zu (vgl. die Erkenntnisse vom 18. Dezember 2003, Zl. 2000/08/0199 und vom 3. April 2001, Zl. 96/08/0230).

In der Sache ist strittig, ob der Erstbeschwerdeführer Dienstnehmer des Zweitbeschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 2 ASVG gewesen ist.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgeschlossen ist, noch nach § 7 eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; dazu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Die Beantwortung der Frage, ob bei der Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht (also der Beschäftigung) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Arbeitsempfänger gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (z.B. aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist. Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Arbeitsempfängers) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 1992, Zl. 92/08/0062, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit (vgl. das Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 88/08/0200).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung zum Dienstnehmerbegriff kann angesichts des Umstandes, dass der Erstbeschwerdeführer nach den von den Beschwerdeführern in diesem Punkt weder als ergänzungsbedürftig noch als unrichtig erachteten Feststellungen keinen Weisungen unterlag und seine Tätigkeit nicht kontrolliert wurde, keine Rede davon sein, dass er eine versicherungspflichtige Tätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ausgeübt hat. Eine Weisungsgebundenheit des Erstbeschwerdeführers wurde auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Steht aber fest, dass der Erstbeschwerdeführer beim Zweitbeschwerdeführer nicht im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigt war, hat die belangte Behörde die Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG bzw. § 1 Abs. 1 Z. 1 AlVG zu Recht verneint. Bei diesem Ergebnis kann die Frage der Vereinbarung bzw. Bezahlung eines Entgelts ebenso wie die Frage, ob die Sanierungsarbeiten auch aus eigenwirtschaftlichen Gründen des Erstbeschwerdeführers erfolgt seien, dahinstehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, wobei der Aufwandersatz den unterlegenen Beschwerdeführern zur Bezahlung in gleichen Teilen aufzuerlegen war (vgl. das Erkenntnis vom 19. März 1996, Zl. 95/04/0171). Der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse stand kein Aufwandersatz zu, weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (vgl. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 96/08/0269).

Wien, am 29. März 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004080075.X00

Im RIS seit

27.04.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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