TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/21 2004/02/0405

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Veröffentlicht am 21.04.2006
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
25/01 Strafprozess;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

MRKZP 07te Art4 Abs1;
MRKZP 07te Art4;
StGB §88 Abs1;
StPO 1975 §90;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs6 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde der SP in U, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 7. Dezember 2004, Zl. VwSen-109821/15/Bi/Be, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Dezember 2004 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig befunden, sie habe am 28. Februar 2004 um 05.35 Uhr einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw an einem näher genannten Ort in einem durch Alkohol beeinträchtigten und fahruntüchtigen Zustand gelenkt, weil bei einer Messung mittels Atemalkoholmessgerät ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,64 mg/l festgestellt werden habe können. Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1a StVO begangen, weshalb über sie eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde; dieser hat erwogen.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu ersehen, dass die Bundespolizeidirektion Linz zunächst an das Bezirksgericht Linz Strafanzeige wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 89 StGB erstattete. In weiterer Folge teilte die Staatsanwaltschaft Linz, Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Linz, mit Schreiben vom 14. Mai 2004 der Bundespolizeidirektion Linz mit, dass die gegen die Beschwerdeführerin erstattete Anzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt worden sei. In der Kurzbegründung wird Folgendes ausgeführt: "Einstellung aufgrund des Kraftfahrzeug-Sachverständigen-GA - konkrete Gefährdung der D. H. aufgrund der tatsächlichen Anstoßkonstellation techn. nicht gegeben."

Die Beschwerdeführerin wendet u.a. ein, es sei nicht zur Durchführung eines strafgerichtlichen Verfahrens nach § 89 StGB gekommen, sondern es habe die Bezirksanwältin nach Einholung eines kraftfahrzeug-technischen Sachverständigengutachtens durch das Bezirksgericht Linz die Anzeige zurückgelegt, weswegen umso genauer zu prüfen sei, ob § 89 StGB verwirklicht worden sei. Im Gegensatz zum ersten Deliktsfall des § 89 StGB (Gefährdung der körperlichen Sicherheit unter besonders gefährlichen Verhältnissen im Sinne des § 81 Abs. 1 Z. 1 leg. cit.) müssten beim zweiten Deliktsfall (§ 81 Abs. 1 Z. 2 leg. cit.) zur Alkoholisierung keine weiteren Momente hinzutreten, welche Gefahren erhöhten; neben dem Vorliegen eines sogenannten Minderrausches sei nur noch als zweites Tatbestandsmerkmal die konkrete Gefährdung des Lebens, der Gesundheit oder der körperlichen Sicherheit eines anderen gegeben. Beide Tatbestandselemente würden im Beschwerdefall vorliegen.

§ 89 StGB lautet:

"Wer in den im § 81 Abs. 1 Z. 1 bis 3 bezeichneten Fällen, wenn auch nur fahrlässig, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen."

§ 81 Abs. 1 StGB lautet:

"§ 81. (1) Wer fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt

1.

unter besonders gefährlichen Verhältnissen,

2.

nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch Genuss von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen können, dass ihm eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei, oder

              3.              dadurch, dass er, wenn auch nur fahrlässig, ein gefährliches Tier entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag hält, verwahrt oder führt,

ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Juni 2005, Zl. 2003/02/0120, unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 2. September 2004, Beschwerde Nr. 77431/01, im Fall Bachmaier gegen Österreich (vgl. ÖJZ 2005, S. 359) ausgesprochen hat, verletzt die Verfolgung eines Beschwerdeführers wegen einer Übertretung der StVO (§ 5 Abs. 1 leg. cit.) dessen Rechte nach Art. 4 des 7. ZPMRK dann nicht, wenn das Gericht den Grad der Alkoholisierung des Beschwerdeführers nicht prüfte, weil es bereits zuvor aus einem anderen Grund die gerichtliche Strafbarkeit für nicht gegeben erachtete.

Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters im Erkenntnis vom 23. November 2001, Zl. 98/02/0287, die Rechtsansicht - von der abzugehen die weitwendigen Ausführungen der Beschwerdeführerin keinen Anlass geben - vertreten, eine Verletzung des in Art. 4 des

              7.              ZPMRK normierten Grundsatzes "ne bis in idem" sei bei einer Verfügung des Staatsanwaltes nach § 90 StPO, die an ihn gelangte Anzeige zurückzulegen (wie es auch im vorliegenden Beschwerdefall zutrifft), auszuschließen, kommt es doch dazu dann, wenn der Staatsanwalt - von vornherein oder nach Durchführung von Vorerhebungen - erkennt, dass die Anzeige haltlos, die angezeigte Tat nicht strafbar oder nicht verfolgbar ist. Im Übrigen sei auf die erwähnte "Kurzbegründung" zur gegenständlichen Verfügung nach § 90 StPO (wonach eine "konkrete Gefährdung - siehe zu dieser Voraussetzung für eine Bestrafung gemäß § 89 StGB etwa Foregger/Fabrizy, Strafgesetzbuch, 7. Auflage, Seite 290 zu § 89 StGB - nicht gegeben sei) verwiesen.

Somit fehlte es an einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung im Sinne des § 99 Abs. 6 lit. c StVO. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass Zweck der Regelung des § 99 Abs. 6 lit. c StVO gerade die Vermeidung einer verfassungswidrigen Doppelbestrafung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPMRK ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1996, VfSlg. Nr. 14.696).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 21. April 2006

Schlagworte

Alkoholbeeinträchtigung von 0,8 %o und darüber

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004020405.X00

Im RIS seit

24.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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