TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/14 2003/02/0120

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Veröffentlicht am 14.06.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
25/01 Strafprozess;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

MRKZP 07te Art4;
StGB §88 Abs1;
StGB §88 Abs3;
StGB §89;
StPO 1975 §259 Z3;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des EM in Wien, vertreten durch Dr. Helmuth Hackl, Mag. Michaela Fattinger und Mag. Christian Premm, Rechtsanwälte in Linz, Hauptplatz 23/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 25. März 2003, Zl. UVS- 03/P/16/1076/2003/7, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. März 2003 wurde der Beschwerdeführer u.a. für schuldig befunden, er habe am 8. Juli 2000 um 12.00 Uhr an einem näher umschriebenen Ort in Wien einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten LKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand von 0,9 mg/l Atemluftalkoholgehalt gelenkt. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 lit. a StVO begangen; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer am 8. Juli 2000 um 12.00 Uhr an dem näher genannten Tatort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als Lenker eines näher genannten LKW an einem Verkehrsunfall beteiligt war und dass er mit Urteil des Bezirksgerichts Wien Innere Stadt vom 18. Dezember 2001 vom Vorwurf, als "PKW-Lenker" in alkoholisiertem Zustand (ca. 1,8 Promille Blutalkoholgehalt) einen Verkehrsunfall aus Unachtsamkeit verursacht zu haben, indem er ohne die Änderung seiner Fahrspur anzuzeigen, die Fahrspur gewechselt habe und mit dem PKW einer näher genannten Person kollidiert sei, wobei diese eine Zerrung der Halswirbelsäule erlitten habe, wodurch diese Person am Körper verletzt worden sei, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen wurde. Begründend wurde vom Gericht festgestellt, dass kein Schuldbeweis vorliege.

Der Beschwerdeführer wendet insbesondere ein, die Frage der Alkoholisierung sei außer Streit gestanden. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde sei im Strafverfahren vor dem Bezirksgericht (kurz: BG) niemals bestritten worden, dass der Beschwerdeführer ein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt habe. Es könne der Entscheidung des BG nicht entnommen werden, dass eine Bestrafung wegen Lenkens eines Fahrzeugs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand der zuständigen Verwaltungsbehörde überlassen werden sollte. Damit aber stehe fest, dass der Beschwerdeführer auch wegen dieses Sachverhaltes im Sinne des Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur MRK vor Gericht gestanden sei und es nach dieser Bestimmung unzulässig sei, dass er wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeugs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand nochmals vor ein anderes Gericht (hier Verwaltungsstrafbehörde) gestellt werde. Es sei unverständlich, wieso die belangte Behörde davon habe ausgehen können, dass die Frage der Alkoholisierung vom Gericht nicht geprüft worden sei; die belangte Behörde sei aktenwidrig von der Nichtprüfung dieser Frage durch das Gericht ausgegangen. Dies könne mangels Vorliegens eines Hauptverhandlungsprotokolls nicht beurteilt werden.

Entgegen den Beschwerdeausführungen kann der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht die Feststellung entnommen werden, dass der Beschwerdeführer vor dem BG bestritten habe, ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben.

Nach § 259 Z. 3 StPO gelingt der Schuldbeweis u.a. dann nicht, wenn "der Gerichtshof erkennt, dass (...) der Tatbestand nicht hergestellt oder nicht erwiesen sei, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe".

Bereits von der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz wurde u. a. das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 18. Dezember 2001, welches das Gutachten eines Sachverständigen für Kraftfahrwesen enthält, beigeschafft und in Kopie dem Verwaltungsstrafakt angeschlossen. Der Beschwerdeführer gesteht in der Beschwerde selbst zu, es sei davon auszugehen, dass auf Grund der gekürzten Urteilsausfertigung ein maschinengeschriebenes Protokoll über den Inhalt der Verhandlung (mit Ausnahme des Sachverständigengutachtens, welches überlicherweise auf Tonband protokolliert werde) nicht vorliege.

Das vom Beschwerdeführer gerügte Fehlen des Vorliegens eines (vollständigen) Hauptverhandlungsprotokolls vermag mangels sonstiger Hinweise auf eine Prüfung und Qualifizierung der Tat des Beschwerdeführers durch das Strafgericht unter dem Gesichtspunkt der Begehung in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, zumal der Beschwerdeführer diesbezüglich auch nichts Konkretes vorzubringen vermag.

Ferner ist die Feststellung der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht aktenwidrig, es gehe weder aus dem Protokoll über die Hauptverhandlung noch aus dem Protokollsvermerk und der gekürzten Urteilsausfertigung vom 18. Dezember 2001 hervor, dass das BG die Frage der Alkoholisierung des Beschwerdeführers geprüft habe. Insbesondere fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass das BG die Tat des Beschwerdeführers auch unter dem (in der Beschwerde erwähnten) Gesichtpunkt des § 88 Abs. 3 bzw. § 89 StGB geprüft hätte.

Gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht hat in seinem Urteil vom 2. September 2004, Beschwerde Nr. 77431/01, im Fall Bachmaier gegen Österreich (vgl. ÖJZ 2005, S. 359) ausgesprochen, dass die Verfolgung eines Beschwerdeführers wegen einer Übertretung der StVO (§ 5 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 lit. a leg. cit.) dessen Rechte nach Art. 4 des 7. ZPMRK dann nicht verletzt, wenn das Gericht den Grad der Alkoholisierung des Beschwerdeführers nicht prüfte, weil es bereits zuvor nicht möglich war nachzuweisen, dass der Beschwerdeführer der "Unfallstäter" war (vgl. auch das den selben Fall betreffende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 2000, VfSlg. Nr. 15.821).

In jenem Beschwerdefall wurde lediglich das Tatbestandselement "fahrlässige Tötung" vom Gericht geprüft und ausgeschlossen. Das zusätzliche Tatbestandselement des Lenkens in alkoholisiertem Zustand wurde lediglich im nachfolgenden Verwaltungsstrafverfahren geprüft.

Wie aus dem den Verwaltungsakten zuliegenden Aktenvermerk des BG über das Urteil vom 18. Dezember 2000 hervorgeht, bezog sich im vorliegenden Beschwerdefall der Freispruch "von § 88/1 StGB" auf den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung. Aus dem Protokollsvermerk und der gekürzten Urteilsausfertigung i.V.m. den Ausführungen des Sachverständigen bei der Hauptverhandlung geht hervor, dass es das Strafgericht nicht als erwiesen ansah, dass der Beschwerdeführer eine fahrlässige Körperverletzung begangen hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen konnte nämlich "vorerst" nicht der Nachweis einer "unfallskausal verspäteten Reaktion" des Beschwerdeführers erbracht werden. Ob der Beschwerdeführer ein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt hatte, war im Hinblick auf dieses Verfahrensergebnis sohin für das Strafgericht nicht mehr von Bedeutung.

Der Beschwerdeführer wurde daher auch nicht in seinem Recht, keiner unzulässigen Doppelbestrafung unterzogen zu werden, verletzt.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 14. Juni 2005

Schlagworte

Alkoholbeeinträchtigung von 0,8 %o und darüber

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003020120.X00

Im RIS seit

05.08.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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