TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/26 2001/14/0110

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Veröffentlicht am 26.04.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §4 Abs3;
FinStrG §33 Abs1;
FinStrG §33 Abs3;
FinStrG §33 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Trefil, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Mag. Dr. Hans Winter, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 8010 Graz, Maygasse 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat I) vom 15. Dezember 2000, Zl. RV/12-10/00, betreffend Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Spruchsenates wurde der Beschwerdeführer wegen des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1 und 13 FinStrG schuldig erkannt, er habe vorsätzlich durch die Abgabe unrichtiger Abgabenerklärungen eine Verkürzung an Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für 1987 in Höhe von S 85.121,--, für 1988 in Höhe von S 121.231,--, für 1989 in Höhe von S 190.780,--, für 1990 in Höhe von S 272.276,--, für 1991 in Höhe von S 140.157,-- und für 1992 in Höhe von S 154.523,-- bewirkt. Er habe dadurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen und werde hiefür nach § 33 Abs. 5 FinStrG zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 360.000,--, an deren Stelle für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 72 Tagen tritt, verurteilt.

In einer dagegen erhobenen Berufung wurde ausgeführt, der Spruchsenat habe in seinem Erkenntnis ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei der Abgabe der ursprünglichen Steuererklärung und auch im Zuge des weiteren Abgabenverfahrens die "Gewinnermittlung nach der Bruttomethode" gewählt habe, weshalb ihm nunmehr die "Gewinnermittlung nach der Nettomethode" verwehrt sei. Es gehe nicht an, dass der Beschwerdeführer je nach Gutdünken in Bezug auf gleiche Zeiträume zuerst die eine und dann die andere (ihm allenfalls günstiger erscheinende) Methode wähle. Bei Anwendung der Nettomethode vermindere sich der strafbestimmende Wertbetrag von S 964.090,-- auf den Betrag von S 490.247,--. Dies zeige eindeutig, dass sich, je nachdem, welche Gewinnermittlungsmethode - Brutto- oder Nettomethode - in den einzelnen Jahren zur Anwendung komme, ein wesentlich anderer strafbestimmender Wertbetrag ergebe. Die Strafhöhe könne nicht davon abhängen, welche Gewinnermittlungsmethode in den einzelnen Jahren zur Anwendung komme. Im Strafrecht gelte eindeutig der Grundsatz "in dubio pro reo". Gemäß § 4 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 habe der Abgabepflichtige das Wahlrecht, Umsatz- und Vorsteuern als durchlaufende Posten außer Ansatz zu lassen (sogenannte umsatzsteuerliche Nettoverrechnung). Mangels gesetzlicher Bestimmungen könne dieses Wahlrecht für jedes Veranlagungsjahr aber auch im wiederaufgenommenen Verfahren ausgeübt werden. Im Erkenntnis werde ferner ausgeführt, dass "sofern der Beschuldigte höhere Betriebsausgaben für sich in Anspruch nehmen möchte, als von der Betriebsprüfung anerkannt, ist ihm das Ergebnis des gerichtlichen Strafverfahrens inklusive des Gutachtens des Sachverständigen entgegenzuhalten, wonach einerseits ohnehin 80 % des Umsatzes als Betriebsausgaben angesetzt wurden, obwohl für diesen Prozentsatz kein belegmäßiger Nachweis erbracht wurde, und andererseits der Beschuldigte für weitere Ausgaben keine zusätzlichen Beweise vorlegen" habe können. Aus diesem Grund bestünden für die Richtigkeit der Schätzung der Finanzbehörde nicht die geringsten Bedenken. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass bereits im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens nicht 80 % des Umsatzes als Betriebsausgaben angesetzt worden seien, sondern nur 80 % der nicht belegmäßig nachgewiesenen Arbeiten gemäß § 184 BAO als betriebsbedingt anerkannt worden seien. Wären 80 % des Nettoumsatzes als Fremdleistungen anerkannt worden, so hätten sich daraus völlig andere Werte errechnet. Hinsichtlich der im Zuge der Betriebsprüfung nicht anerkannten Betriebssteuern werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese in den Jahresabschlüssen bereits vom seinerzeitigen Steuerberater offen in der Gewinnermittlung als Betriebsausgabe ausgewiesen gewesen seien, und daher die Abgabenbehörde die Möglichkeit gehabt hätte, diese bei der Veranlagung der einzelnen Jahre zu überprüfen. Als im Zuge der Selbstanzeige die (neue) steuerliche Vertretung übernommen worden sei, habe der Beschwerdeführer keine Kontonachrichten über die Vorjahre gehabt, da diese sich in den Akten des bisherigen steuerlichen Vertreters befunden hätten und der nunmehrige steuerliche Vertreter diese trotz Anforderung nicht erhalten habe. Man hätte daher - da im Zuge der Selbstanzeige rasches Handeln erforderlich gewesen sei - davon ausgehen können, dass die bisher beim Finanzamt bereits eingereichten Jahresabschlüsse hinsichtlich der Betriebssteuern stimmten, da sie einerseits von einem Berufskollegen erstellt und andererseits in den vorliegenden Steuerbescheiden seitens der Abgabenbehörde keine Änderungen vorgenommen worden seien. Da sich der Beschwerdeführer eines berufsmäßigen Parteienvertreters bedient habe, könne man den unrichtigen Ausweis der Betriebssteuern nicht dem Beschuldigten zur Last legen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung insofern teilweise Folge gegeben, als das Finanzstrafverfahren betreffend die Jahre 1987 und 1988 hinsichtlich des insoweit strafbestimmenden Wertbetrages von S 206.352,-- gemäß §§ 136, 157 Finanzstrafgesetz eingestellt wurde. Für die dem Beschwerdeführer weiterhin zur Last fallenden Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG (hinsichtlich der die Jahre 1989 bis 1992 betreffenden Tathandlungen) wurde der Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG zu S 200.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 40 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Da ursprünglich der Verdacht einer 1 Mio S übersteigenden Dimension des strafbestimmenden Wertbetrages gegeben gewesen sei, sei es zunächst vor dem Landesgericht für Strafsachen zu einem gerichtlichen Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer gekommen, welches - auf der Grundlage des vom dort befassten Sachverständigen erstatteten Gutachtens - mit Freispruch gemäß § 214 FinStrG geendet habe. Unter Orientierung an diesem Gutachten habe der Spruchsenat die Reklamation des - seiner abgabenrechtlichen Verfehlungen dem Grunde nach geständigen - Beschwerdeführers in Richtung überhöhter strafbestimmender Wertbeträge wegen der Gewinnermittlung nach der Brutto-, anstatt der Umsatz- und Vorsteuer als Durchlaufposten unberücksichtigt lassenden, Nettomethode im Wesentlichen mit der Begründung verworfen, dass es der Beschwerdeführer selbst gewesen sei, der seinen Steuererklärungen die Gewinnermittlung nach der Bruttomethode zu Grunde gelegt habe und ihm im Übrigen ohnedies 80 % seines Umsatzes als Betriebsausgaben anerkannt worden seien, obwohl ein belegmäßiger Nachweis in dieser Dimension gar nicht vorgelegen sei. Mangels stichhältiger Problematisierung sei der Spruchsenat den abgabenbehördlichen Erhebungsergebnissen gefolgt und habe im Hinblick auf ein ersichtlich über einen Zeitraum von sieben Jahren konsequent verfolgtes Hinterziehungskonzept durch bloß unvollständige Erlösoffenlegung vor dem Hintergrund gravierender wirtschaftlicher Schwierigkeiten sämtliche Voraussetzungen für "dolos fortgesetzte deliktische Begehensweise" bejaht. Was in Ausführung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gegen den Schuldspruch vorgebracht werde, vermöge "insgesamt nicht" zu überzeugen. Vorweg sei der Berufungsargumentation grundsätzlich zu folgen, dass die Wahl der Gewinnermittlungsmethode für die Gewichtung und Ahndung inkriminierter Abgabenhinterziehungsakte auf das jeweilige Beurteilungsergebnis nicht durchschlagen solle, weil sowohl Bruttoals auch Nettoermittlungsmethode "in der Totalgewinnbetrachtung vom Beginn eines Unternehmens bis zur Schließung eines Unternehmens zu gleichen Ergebnissen" führten. Dass diese (gesetzlich durch die eingeräumte Wahlfreiheit vorausgesetzte) Ergebniskonkurrenz nur dann eintrete, wenn ein und dieselbe Gewinnermittlungsmethode kontinuierlich durch alle Veranlagungsjahre angewendet werde, verstehe sich von selbst. Gerade diese "Interdependenz" des in den einzelnen Veranlagungsjahren (einheitlich) beachteten methodischen Vorgehens mache einen abschnittsweisen gewillkürten Umstieg von einer Gewinnermittlungsmethode auf die andere zwangsläufig unzulässig. Ohne Rücksicht auf die Begleitumstände, die zu dem vom Beschwerdeführer relevierten Wechsel in seiner steuerlichen Vertretung geführt hätten, wäre er daher verhalten gewesen, an der ursprünglich gewählten Bruttogewinnermittlungsmethode auch für jene Jahre festzuhalten, in denen sich - isoliert betrachtet - ein nach der Nettomethode günstigeres Detailergebnis errechnen ließe. Der diesen Aspekt vernachlässigenden abweichenden Berufungsreklamation sei daher insoweit der Boden entzogen. Davon ausgehend fehle es den Berufungsanträgen sowohl hinsichtlich einer Herabsetzung des strafbestimmenden Wertbetrages auf bloß S 490.247,-- durch Anwendung der Nettomethode als auch einer solchen auf S 519.197,-- durch eine "durchgehende Orientierung an 80 % des Nettoumsatzes für Betriebsausgaben an einer ausreichenden sachlichen Fundierung". Der Berufung, soweit sie sich gegen den Ausspruch über die Schuld richte, sei demnach der Erfolg zu versagen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Keine Verletzung in seinen Rechten zeigt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen auf, die Aussage der belangten Behörde, wonach "ohnehin 80 % des Umsatzes als Betriebsausgaben angesetzt wurden, obwohl für diesen Prozentsatz kein belegmäßiger Nachweis erbracht wurde, entspreche keineswegs den Tatsachen, da im Zuge der Betriebsprüfung lediglich 80 % der nicht belegmäßig nachgewiesenen Fremdleistungen gemäß § 184 BAO als betriebsbedingt anerkannt worden seien. Die belangte Behörde hat sich ebenso wie der Spruchsenat diesbezüglich lediglich im Ausdruck vergriffen, wenn jeweils davon gesprochen wurde, dass "80 % des Umsatzes" als Betriebsausgaben angesetzt worden seien. Rechnerische Änderungen gegenüber den anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung diesbezüglich durchgeführten Berechnungen hat nämlich weder der Spruchsenat noch die belangte Behörde vorgenommen. Anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung wurden aber - wie der Beschwerdeführer selbst aufzeigt - 80 % der vom Beschwerdeführer geltend gemachten, nicht belegmäßig nachgewiesenen Fremdleistungen anerkannt bzw. die Anerkennung nur hinsichtlich 20 % dieser behaupteten Fremdleistungen verweigert. Gründe dafür, weshalb von der belangten Behörde nach Ansicht des Beschwerdeführers auch diese 20 % der nicht belegmäßig nachgewiesenen Fremdleistungen anzuerkennen gewesen wären, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde in sachlich fundierter Weise genannt. Gleiches gilt dafür, dass tatsächlich "80 % des Umsatzes" als Betriebsaugaben anzusetzen gewesen wären.

Tatsächlich unzureichend auseinandergesetzt hat sich die belangte Behörde allerdings mit dem darauf hinauslaufenden Berufungsvorbringen, dass dem Beschwerdeführer der unrichtige Ausweis der als Betriebsausgaben angesetzten Betriebssteuern (Umsatzsteuer und Gewerbesteuer, hinsichtlich derer anlässlich der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung festgestellt worden war, dass eine Entrichtung der entsprechenden Beträge beim Finanzamt nicht nachzuvollziehen gewesen sei) nicht zur Last gelegt werden könne. Diesbezüglich ist weder dem Erkenntnis des Spruchsenates noch dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen, woraus in diesem Zusammenhang ein vorsätzliches Handeln des Beschwerdeführers abgeleitet wurde.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass auch dem Vorbringen bezüglich der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages unter Berücksichtigung der "Gewinnermittlung nach der Nettomethode" (§ 4 Abs. 3, dritter Satz EStG 1988) - unabhängig von der Frage der Richtigkeit des im Beschwerdefall vom Beschwerdeführer errechneten Ausmaßes der Veränderung des strafbestimmenden Wertbetrages - insofern Berechtigung zukommt, soweit sich allein durch Anwendung der Bruttomethode maßgebliche Auswirkungen auf den strafbestimmenden Wertbetrag der Streitjahre ergeben haben.

Für das fortgesetzte Verfahren wird unter Berücksichtigung der Verfahrensdauer auf Art. 6 Abs. 1 EMRK verwiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. April 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2001140110.X00

Im RIS seit

21.06.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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