TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/23 2005/02/0248

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Veröffentlicht am 23.05.2006
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1994 §33 Abs1;
ASchG 1994 §35 Abs1 Z2;
AVG §37;
VStG §25 Abs2;
VStG §5 Abs1;
VStG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des HG in F, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in 8600 Bruck an der Mur, Herzog-Ernst-Gasse 2a, gegen Punkt 1.) des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 10. August 2005, Zl. UVS 30.15-8/2005-16, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Punkt 1.) des im Instanzenzug ergangenen Bescheides der belangten Behörde vom 10. August 2005 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher als gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der T GesmbH mit dem Sitz in E und Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 23. Oktober 2003 am Standort der Kompostieranlage der T GesmbH in R, als Verwaltungsübertretung zu verantworten, dass bei den von den Arbeitnehmern K und J durchgeführten Reparaturarbeiten an der Hydraulikanlage des Radladers der Type Liebherr L 524 entgegen der Bedienungsanleitung des Herstellers keine geeignete Abstützvorrichtung verwendet wurde um die Schaufel bzw. das Hubgerüst gegen einen unbeabsichtigten Niedergang zu sichern.

Er habe dadurch eine Übertretung gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 35 Abs. 1 Z. 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 159/2001, begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 290,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen) verhängt.

Gegen diesen Bescheidpunkt richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des ASchG lauten:

"§ 33. (1) Die Benutzung von Arbeitsmitteln sind alle ein Arbeitsmittel betreffenden Tätigkeiten wie In- und Außerbetriebnahme, Gebrauch, Transport, Instandsetzung, Umbau, Instandhaltung, Wartung und Reinigung.

§ 35. (1) Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln folgende Grundsätze eingehalten werden:

1.

...

2.

Bei der Benutzung von Arbeitsmitteln sind die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer sowie die für sie geltenden elektrotechnischen Vorschriften einzuhalten.

§ 38. (1) Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass Arbeitsmittel während der gesamten Dauer der Benutzung durch entsprechende Wartung in einem Zustand gehalten werden, der den für sie geltenden Rechtsvorschriften entspricht. Bei der Wartung sind die Anleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer zu berücksichtigen."

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, "zum Zeitpunkt der Strafverfügung vom 2. Februar 2004" sei "die Sitzverlegung" von der im Spruch angelasteten Adresse E 11 auf die neue Adresse E 37 "bereits im offenen Firmenbuch eingetragen gewesen", die neue Adresse wäre als "Deliktsort" anzuführen. Damit verkennt er, dass es bei einer zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossenen Übertretung auf den Tatort - den Sitz des Arbeitgebers - zum Tatzeitpunkt ankommt. Zu diesem Zeitpunkt war der Sitz der T GmbH aber - unabhängig von der Frage des Rechtsschutzinteresses (vgl. näher das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2003, Zl. 2003/03/0094) -

an der im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Adresse.

Der Beschwerdeführer rügt sodann, die belangte Behörde habe den Spruch des angefochtenen Bescheides außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist in unzulässiger Weise geändert, weil sie statt der im Bescheid der Behörde erster Instanz (nach § 38 ASchG) pönalisierten Wartungsarbeiten den Tatvorwurf auf "Reparaturarbeiten" geändert habe. Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer folgende in der Tatumschreibung (sowohl der Strafverfügung vom 2. Februar 2004 als auch) des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz enthaltene Passagen:

     "...Arbeitsunfall bei dem sich der Arbeitnehmer H bei

Reparaturarbeiten an der Hydraulikanlage eines Radladers ... Zum

Unfallszeitpunkt befand sich am Unfallort keine geeignete

Vorrichtung um die Schaufel bzw. das Hubgerüst gegen einen

unbeabsichtigten Niedergang zu sichern.

     ...nicht ... unter Verwendung einer geeigneten

Abstützvorrichtung gem. Punkt 2.5 der Betriebsanleitung des Laders Liebherr L 524 durchgeführt worden."

Damit war im Tatvorwurf der Behörde erster Instanz bereits von Reparaturarbeiten die Rede, weshalb der belangten Behörde schon deshalb (vgl. im Übrigen die nachstehenden Ausführungen zu § 33 Abs. 1 ASchG) keine unzulässige Spruchänderung vorgeworfen werden kann.

Punkt 2.5.1. der genannten Betriebsanleitung lautet:

"Arbeiten Sie nicht unterhalb der Ausrüstung, solange diese nicht sicher auf dem Boden aufliegt oder abgestützt (Hervorhebung mittels Unterstreichen durch den Verwaltungsgerichtshof) ist."

Hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation war die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG berechtigt und verpflichtet, im Rahmen der Sache und unter Beachtung des Verbotes der reformatio in peius ihre Anschauung an die der Behörde erster Instanz zu setzen (vgl. zB die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens6, Seite 908, E 134, wiedergegebene hg. Rechtsprechung), wobei hinsichtlich einer rechtlichen Qualifikation keine Verfolgungsverjährung eintreten kann (vgl. die in Hauer/Leukauf, aaO, Seite 1525, Anm 8, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Auf Grund der im Straferkenntnis enthaltenen Tatbestandselemente hat die belangte Behörde die rechtliche Subsumtion zu Recht auf § 33 Abs. 1 (betreffend die Definition der "Benutzung von Arbeitsmitteln") iVm § 35 Abs. 1 Z. 2 ASchG (betreffend Unterlassung der Sorge für die Einhaltung der für den gegenständlichen Lader geltenden Betriebsanleitung des Herstellers) gestützt. Die (teilweise) auf andere Normen (deren Übertretung dem Beschwerdeführer nicht zur Last gelegt wurde) gestützten Argumente des Beschwerdeführers gehen schon deshalb an der Sache vorbei, weil sie völlig außer Acht lassen, dass es hier nur darum geht, dass der Arbeitgeber nicht entsprechende Sorge getragen hat zu verhindern, dass trotz fehlender Abstützung der Radladerschaufel unter dieser gearbeitet wurde.

Im Übrigen ist das weitwendige Vorbringen des Beschwerdeführers zum Unterschied zwischen "Wartungs-" und "Reparaturarbeiten" schon deshalb bedeutungslos, weil gemäß § 33 Abs. 1 AschG beide Arten von Arbeiten (Anmerkung:

Reparaturarbeiten = Tätigkeiten zur Instandsetzung) gleichermaßen als "Benutzung von Arbeitsmitteln" gelten und daher beide Arten von Arbeiten den hiefür geltenden Normen unterliegen.

Sodann bringt der Beschwerdeführer vor, es könne ihm kein Verschulden angelastet werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, ist für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften entscheidend die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2005, Zl. 2005/02/0018).

Der Beschwerdeführer hat zwar allgemein das Bestehen eines Kontrollsystems behauptet, jedoch nicht erkennbar dargelegt, wie dieses Kontrollsystem im Einzelnen beim Gebrauch des Radladers auf der Kompostieranlage funktionieren hätte sollen. Hiezu wäre es - wie der Verwaltungsgerichtshof zu Fällen hierarchisch aufgebauter Kontrollsysteme ausgeführt hat - erforderlich gewesen aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet sei, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolge und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen habe, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, d.h. sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangten und dort auch tatsächlich befolgt würden. Nach der hg. Rechtsprechung reichen etwa stichprobenartige Überprüfungen und die Erteilung von Weisungen sowie Schulungen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus.

Ein solches "wirksames Kontrollsystem" musste die belangte Behörde zu Recht nicht als gegeben annehmen.

Soweit der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, der Arbeitnehmer H habe gewusst, dass er sich unter der angehobenen Baggerschaufel wegen Gefahr nicht aufzuhalten gehabt habe, eine eigenmächtige Handlung des H ("wissentliche Selbstgefährdung") aufzeigt, so verkennt er, dass es auch der ständigen hg. Rechtsprechung entspricht, dass gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen hat (vgl. zB. auch dazu das genannte hg. Erkenntnis vom 9. September 2005).

Zuletzt wendet der Beschwerdeführer noch ein, es bedürfe "im Hinblick auf den Betriebsstandort bzw. die gesonderte Betriebsabteilung im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes mit dem Standort Kompostieranlage R nicht der Bestellung eines verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen samt Meldung gemäß § 23 Arbeitsinspektionsgesetzes" (ArbIG), "zumal im Genehmigungsbescheid gemäß § 15 Abfallwirtschaftsgesetz" (AWG) "die Auflage erteilt" worden sei, dass "die Tätigkeit gemäß § 15 Abs. 15 AWG" (Anmerkung: § 15 AWG hat nur 5 Absätze) "nur unter der Geschäftsführung von H ausgeübt werden" dürfe. Weshalb dies im Beschwerdefall relevant sein soll, ist nicht erkennbar.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. Mai 2006

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht Arbeiterschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005020248.X00

Im RIS seit

03.07.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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