TE Vwgh Erkenntnis 2006/6/27 2006/06/0028

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Veröffentlicht am 27.06.2006
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs2;
BauG Vlbg 2001 §28;
BauG Vlbg 2001 §5 Abs4;
BauG Vlbg 2001 §56 Abs3;
BauRallg;
B-VG Art139;
B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
RPG Vlbg 1996 §22 Abs3;
RPG Vlbg 1996 §35 Abs3;
StGG Art5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. der Mag. GP in S, und 2. der Mag. HS, W, beide vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 30. November 2004, Zl. BHBR-I- 3300.00-2004/0007, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. JS in W, und 2. Gemeinde W, vertreten durch den Bürgermeister),

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen. Im Übrigen

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Dem Erstmitbeteiligten ist im Jahre 1970 die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses (bestehend aus Keller-, Erd- sowie erstem und zweitem Obergeschoß) erteilt worden.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde erteilte mit Bescheid vom 24. Jänner 1985 die Baubewilligung für die Aufstockung dieses Gebäudes um einen 45 Grad steilen Mansardendachstuhl und für den Einbau einer Wohnung für den Betriebsinhaber.

Im Zuge des nunmehr verfahrensgegenständlichen Umbaues soll im Untergeschoß der Einbau einer Tiefgarage für sechs Pkw erfolgen. Im Erdgeschoß sowie im ersten und zweiten Obergeschoß werden jeweils drei Wohnungen sowie eine kleine Büroeinheit eingebaut. Die Wohnung im Dachgeschoß bleibt bestehen, der dazugehörige Dachaufsatz wird abgebrochen.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde erteilte mit Bescheid vom 25. Februar 2004 dem Erstmitbeteiligten die Baubewilligung für diesen beabsichtigten Umbau des Wohn- und Geschäftshauses. Der Bürgermeister genehmigte in diesem Bescheid auch eine Abstandsnachsicht gegenüber der S-Gasse, GSt. Nr. 1580/1, und er wies die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen teils als unbegründet ab bzw. als unzulässig zurück.

Die Berufungskommission der mitbeteiligten Marktgemeinde gab der dagegen erhobenen Berufung der Erstbeschwerdeführerin mit Bescheid vom 30. Juni 2004 keine Folge.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid ab.

Die belangte Behörde führte in dieser Entscheidung im Wesentlichen aus, der Sachverhaltsdarstellung des Berufungsbescheides könne entnommen werden, dass ein bestehendes, im Jahre 1970 bewilligtes Wohn- und Geschäftshaus zu einem Wohngebäude mit zwei kleinen Büroeinheiten umgebaut werden solle. Das Gebäude solle weitgehend dergestalt umgebaut werden, dass im Gebäudeinneren baurechtlich relevante Maßnahmen gesetzt würden. Die Außenmaße des Objektes blieben gleich. Im Zuge des Umbaues und der damit verbundenen Sanierung des Altbestandes solle lediglich eine 12 cm starke Wärmedämmfassade mit einem Außenputz (1 cm) aufgebracht werden. Ein nordseitig bestehender kleiner Anbau (Garage) und ein Dachaufsatz im Bereich des Dachgeschoßes würden abgebrochen. Das Objekt werde mit einer Tiefgarage versehen, deren Einfahrt ostseitig, im Bereich der Einfahrtsmauer das Nachbargrundstück Nr. 1580/6, KG W., berührend, zu liegen komme.

Entgegen dem Vorstellungsvorbringen gäben die Einreichpläne, erstellt von der S. Sch. GmbH vom 24. Dezember 2003 den Bestand sowie die vorgesehenen Änderungen wieder. Bestand, Abbruch und Neubau seien darin planlich maßstabsgetreu wiedergegeben und farbig unterschiedlich dargestellt. Die vorgesehenen Maßnahmen an der Außenfassade mit Anbringung der Wärmedämmfassade ergäben sich aus der Baubeschreibung und seien ebenfalls in den Projektplänen ersichtlich.

Dem Bauakt lasse sich weiters entnehmen, dass am 24. Oktober 2003, also am Tag der Bauverhandlung, vom Bauwerber, dem Erstmitbeteiligten, ein Abstandsflächenplan im Maßstab 1:200 nachgereicht worden sei, aus dem zu ersehen sei, dass die Abstandsflächen gegenüber den nordseitigen Liegenschaften GSt. Nr. 3532 (der Zweitbeschwerdeführerin) und Gst. Nr. 3533 (der Erstbeschwerdeführerin), beide KG W., ausschließlich auf dem Baugrundstück zu liegen kämen. Darin sei die für die Berechnung der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 2 Vbg. BauG relevante Gebäudehöhe mit 10,10 m angegeben, was einen baurechtlichen Mindestabstand von 6,06 m gegenüber der Nachbarliegenschaft GSt. Nr. 3532, KG W., ergebe. Nach dem Abstandsflächenplan grenze die Abstandsfläche lediglich im nordwestseitigen Grundstückseck an die Nachbarliegenschaft, rage jedoch nicht darüber hinaus.

Der im Berufungsverfahren auf Antrag der Erstbeschwerdeführerin ergänzend beigebrachte Vermessungsplan (Geometerplan) des staatlich befugten und beeideten Ziviltechnikers Dipl. Ing. R.K. vom 14. April 2004 zeige eine geringfügige Abweichung zum Abstandsflächenplan vom 24. Oktober 2003 dahingehend, als die relevante Gebäudehöhe nur mit 10,03 m und der Gebäudeabstand zur Nachbarliegenschaft Gst. Nr. 3532, KG W., mit 6,33 m gemessen worden sei, sodass die Gebäudeabstandsfläche (einschließlich Berücksichtigung der Dämmfassade und des Außenputzes) nicht nur - wie laut Abstandsflächenplan vom 24. Oktober 2003 - ausschließlich auf dem Baugrundstück zu liegen komme, sondern an keiner Stelle bis zur Grundgrenze der nördlich angrenzenden beiden Liegenschaften reiche.

Aus dem Vermessungsplan sei sogar ersichtlich, dass die Liegenschaft der Erstbeschwerdeführerin lediglich dergestalt nordostseitig an die Bauliegenschaft angrenze, dass die Abstandsfläche des Objektes des Erstmitbeteiligten selbst bei Verletzung des baurechtlichen Mindestabstandes nur auf dem Grundstück der Zweitbeschwerdeführerin und nicht auch auf dem Grundstück der Erstbeschwerdeführerin zu liegen käme.

Der Vermessungsplan von Dipl. Ing. R.K. sei der Erstbeschwerdeführerin mit Schreiben der Baubehörde vom 29. April 2004 zum Parteiengehör übermittelt worden. Auf Grund der von der Erstbeschwerdeführerin mit Eingabe vom 17. Mai 2004 beantragten Ergänzung des bautechnischen Sachverständigengutachtens sei eine Stellungnahme des bautechnischen Sachverständigen Dipl. Ing. D. vom 19. Mai 2004 nachgereicht worden.

Zu dem Vorbringen betreffend die Planunterlagen bzw. die Abstandsfrage sei zusammenfassend festzuhalten, dass im Bauverfahren das Parteiengehör der Erstbeschwerdeführerin nicht verletzt worden sei. Die eingereichten Plan- und Beschreibungsunterlagen, einschließlich des ergänzenden Vermessungsplanes, entsprächen der Baueingabeverordnung, LGBl. Nr. 62/2001, und seien für die Beurteilung des Bauvorhabens ausreichend. Die von der Erstbeschwerdeführerin behaupteten Planabweichungen vom Baubestand bzw. Falschdarstellungen seien nicht nachvollziehbar und daher unzutreffend. Eine Verletzung der Abstandsvorschriften gegenüber der Liegenschaft der Erstbeschwerdeführerin liege weder vor noch wäre eine solche überhaupt möglich gewesen.

Zur behaupteten Verletzung der Verordnung der Gemeinde über die Festlegung der Baunutzungszahl sei festzuhalten, dass einem Nachbarn nach § 26 Abs. 1 Vbg. BauG diesbezüglich keine Parteistellung zukomme. Dieses Vorbringen sei daher schon von der Baubehörde erster Instanz zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden.

Im Übrigen schließe sich die belangte Behörde den Ausführungen im Berufungsbescheid an, wonach, abgesehen von energietechnisch sinnvollen Dämmmaßnahmen an den Grundmaßen des Objektes, das unstrittig bereits auf Grund einer im Jahre 1970 erteilten Baubewilligung errichtet worden sei, keine Änderung vorgenommen werde, weshalb die erst 1985 für das gesamte Gemeindegebiet von W erlassene Verordnung über die Festlegung einer Baunutzungszahl von maximal 50 im gegenständlichen Bauverfahren keine Anwendung finde.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2004, per Fax bei der belangten Behörde eingelangt am 19. August 2004, sei eine Ergänzung der Vorstellung nachgereicht worden. Darin sei insbesondere geltend gemacht worden, dass auch die Zweitbeschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Baubescheid Berufung eingebracht habe, worüber die Baubehörde nicht, und schon gar nicht - wie geboten - in einem gemeinsamen Berufungsbescheid, abgesprochen habe. Dies stelle einen verfahrensrechtlichen Mangel dar, weshalb auch aus diesem Grund der angefochtene Bescheid aufzuheben sei.

Zu dieser Vorstellungsergänzung werde ausgeführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Baubescheid vom 25. Februar 2004 kein Rechtsmittel eingebracht habe. Eine Berufung liege im Bauakt nicht vor. Die Baubehörde habe dazu in der Stellungnahme vom 13. September 2004 mitgeteilt, dass die Zweitbeschwerdeführerin zwar mündlich eine Berufung angekündigt habe, eine solche aber nicht eingegangen sei. Das Vorliegen eines behaupteten Verfahrensmangels aus diesem Grund sei daher von der belangten Behörde nicht mehr zu prüfen.

Hinsichtlich der Ausführungen in der Vorstellungsergänzung zur Berechnung der Abstandsfläche werde auf die zutreffende Begründung dazu im Berufungsbescheid vom 30. Juni 2004 verwiesen, wonach bei der Ermittlung der Abstandsflächen das Ansteigen oder Abfallen des Geländes zwischen Außenwand und Grundgrenze unerheblich sei, da der sogenannte Schattenpunkt nach § 5 Abs. 3 Stmk. BauG maßgeblich sei, der sich aus dem Schnittpunkt zwischen einer vom Fußpunkt aus gedachten Waagrechten mit dem Einfallswinkel von 45 Grad ergebe, und nicht die Grundgrenze. Nach § 5 Abs. 4 Vbg. BauG ergebe sich der jeweilige Fußpunkt nach Abs. 3 an der Schnittstelle der Außenwand mit der bestehenden Oberfläche des Geländes. Sei die Geländeoberfläche durch eine Bauführung oder im Hinblick auf eine beabsichtigte Bauführung verändert, so sei von der Geländeoberfläche vor dieser Veränderung auszugehen. Untergeordnete Geländeerhebungen und -vertiefungen seien nicht zu berücksichtigen. Dazu sei festzuhalten, dass in diesem Sinne zu berücksichtigende Geländeerhebungen bzw. - vertiefungen weder vorliegen noch von der Erstbeschwerdeführerin geltend gemacht worden seien. In der Vorstellungsergänzung würden offenbar Geländeaufschüttungen angesprochen, die im Zuge der seinerzeitigen Errichtung des Gebäudes vorgenommen worden seien. Dazu sei jedoch auf § 56 Abs. 3 Vbg. BauG, LGBl. Nr. 52/2001 (Übergangsbestimmungen) zu verweisen, wonach Veränderungen der Geländeoberfläche durch eine Bauführung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes (1. Jänner 2002) nicht als Veränderungen im Sinne des § 5 Abs. 4 zweiter Satz Vbg. BauG gälten.

Die Behandlung der zunächst dagegen beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. Dezember 2005, B 40/05-11, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab. Nach einem entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerinnen trat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. Jänner 2006, B 40/05- 13, die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin ist nicht zulässig:

Der angefochtene Bescheid betrifft allein die Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin. Auch wenn im angefochtenen Bescheid eine Stellungnahme der Baubehörde erwähnt wird, wonach die Zweitbeschwerdeführerin keine Berufung erhoben habe, kommt diesen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides keine bindende Wirkung zu. Die Zweitbeschwerdeführerin kann durch diese Ausführungen nicht in Rechten verletzt sein. Der Zweitbeschwerdeführerin könnte sich gegen die Ansicht der Baubehörde, sie habe keine Berufung erhoben, mit einem Devolutionsantrag an das gemäß dem B-VG (Art. 118 Abs. 5) in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches (wie der vorliegenden Bausache) oberste Gemeindeorgan, den Gemeinderat (vgl. u.a. den hg. Beschluss vom 14. Oktober 2005, Zl. 2005/05/0287), wehren.

Wenn in der Beschwerde die Ansicht vertreten wird, dass die Beschwerdeführerinnen eine einheitliche Streitpartei im Sinne des § 11 ZPO bildeten, genügt es, dem entgegenzuhalten, dass § 11 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zur Anwendung kommt.

Es ist somit ausgeschlossen, dass die Zweitbeschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in Rechten verletzt sein könnte.

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit zurückzuweisen.

2. Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin:

Gemäß § 26 Abs. 1 Vbg. Baugesetz (BauG), LGBl. Nr. 52/2001, hat der Nachbar im Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung der folgenden Vorschriften geltend zu machen:

"a) § 4 Abs. 3, soweit mit Auswirkungen auf sein Grundstück zu rechnen ist;

b)

§§ 5 bis 7, soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen;

c)

§ 8, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist."

Gemäß § 26 Abs. 2 BauG sind Einwendungen des Nachbarn, mit denen die Verletzung anderer als im Abs. 1 genannter öffentlichrechtlicher Vorschriften behauptet wird, als unzulässig zurückzuweisen.

Die Erstbeschwerdeführerin wendet sich dagegen, dass sie nach Ansicht der belangten Behörde in Bezug auf die Einhaltung der Baunutzungszahl keine Parteistellung haben solle. Sie verweist dabei auf § 35 Abs. 3 Vbg. Raumplanungsgesetz (RPG), nach dem ein Verstoß gegen eine Bebauungs- oder Baunutzungsverordnung mit Nichtigkeit bedroht sei.

Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. Die den Eigentümern benachbarter Grundstücke im Baubewilligungsverfahren zustehenden Nachbarrechte sind im § 26 Abs. 1 BauG taxativ aufgezählt. Die Erhebung von Einwendungen des Nachbarn in Bezug auf die Einhaltung der festgelegten Baunutzungszahl ist dem Nachbarn danach nicht eingeräumt.

Wenn die Erstbeschwerdeführerin weiters meint, dass der verfahrensgegenständliche Umbau technisch und vor allem ökonomisch betrachtet einen Neubau darstelle, der eben nur deshalb als Umbau beantragt worden sei, um unter dem Siegel des Bestandsschutzes vom Bebauungsplan abweichen zu können, ist ihr entgegenzuhalten, dass für die Beantwortung der Frage, ob ein Umbau oder ein Neubau vorliegt, die Definition betreffend den Umbau gemäß § 2 Abs. 1 lit. n) BauG maßgeblich ist. Danach ist ein Umbau die wesentliche Umgestaltung des Inneren oder Äußeren eines Gebäudes; auch der Abbruch ganzer Geschoße eines Gebäudes oder eines selbständig benützbaren Gebäudeteiles und die Errichtung neuer Geschoße an deren Stelle stellt einen Umbau dar. Dass das vorliegende Bauvorhaben im Sinne dieser Definition keinen Umbau darstellte, wird in der Beschwerde nicht behauptet.

Die Erstbeschwerdeführerin macht auch geltend, man müsse davon ausgehen, dass für das Baugrundstück in Abweichung von den angrenzenden Grundstücken eine Baunutzungszahl von 176 mit Verordnung festgelegt sei. Dies wäre das 3 1/2-fache der für die angrenzenden Grundstücke geltenden Baunutzungszahl. Dies wäre eine sachlich nicht gerechtfertigte Sonderregelung für das Baugrundstück, es werde daher die Anfechtung der Verordnung über die Baunutzungszahl angeregt.

Dem genügt es entgegenzuhalten, dass die nach dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin 1985 erlassene Baunutzungsverordnung mangels einem entsprechendem Nachbarrecht der Erstbeschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren jedenfalls nicht präjudiziell ist. Abgesehen davon kann der Umstand, das der Verordnungsgeber den rechtskräftig bewilligten Baubestand unberührt lässt, nicht dahin ausgelegt werden, er hätte diesbezüglich für dieses Grundstück die durch ihren Bestand gegebene Baunutzungszahl festgelegt. Das Unberührtlassen des rechtskräftig bewilligten Bestandes durch den Verordnungsgeber entspricht aber grundsätzlich dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatz gemäß Art.7 Abs. 1 B-VG und dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art. 5 StGG.

Die Erstbeschwerdeführerin erhebt weiters Bedenken gegen § 26 Abs. 2 BauG, weil Verstöße gegen Verordnungen nach dem RPG, die in diesem Gesetz (§ 22 Abs. 3 und § 35 Abs.3 RPG) mit Nichtigkeit sanktioniert seien, von den Nachbarn nicht geltend gemacht werden könnten. Der Verwaltungsgerichtshof kann diese Bedenken nicht teilen. Die im RPG vorgesehenen Bestimmungen betreffend Nichtigkeitsgründe in Bezug auf erteilte Baubewilligungen stehen allein im öffentlichen Interesse, um in diesen Fällen der Rechtsrichtigkeit gegenüber der Rechtssicherheit zum Erfolg zu verhelfen.

Weiters wendet sich die Erstbeschwerdeführerin gegen die Übergangsbestimmung des § 56 Abs. 3 BauG, nach der Veränderungen der Geländeoberfläche durch eine Bauführung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht als Veränderungen im Sinne des § 5 Abs. 4 zweiter Satz BauG gelten.

Dazu ist Folgendes auszuführen: § 5 Abs. 4 erster Satz BauG sieht im Zusammenhang mit der Ermittlung der Abstandsflächen vor, dass sich der jeweilige Fußpunkt nach Abs. 3 an der Schnittstelle der Außenwand mit der bestehenden Oberfläche des Geländes ergibt. Gemäß § 5 Abs. 4 zweiter Satz BauG ist von der Geländeoberfläche vor dieser Veränderung auszugehen, wenn die Geländeoberfläche durch eine Bauführung oder im Hinblick auf eine beabsichtigte Bauführung verändert wurde. Es erscheint dem Verwaltungsgerichtshof gleichheitsrechtlich nicht bedenklich, wenn der Landesgesetzgeber ab dem Inkrafttreten des BauG 2001 in § 5 Abs. 4 BauG für die Annahme des Fußpunktes im Zusammenhang mit der Ermittlung des Schattenpunktes anordnet, dass im Falle der Veränderung der Oberfläche bei der Bauführung nunmehr von der Geländeoberfläche vor dieser Veränderung auszugehen ist, und u.a. für die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bewilligten und errichteten baulichen Anlagen gemäß der Übergangsbestimmung in § 56 Abs. 3 BauG auf die entsprechend der alten Rechtslage maßgebliche Geländeoberfläche nach der Bauführung weiterhin abstellt, um insbesondere auch zu vermeiden, dass für lange zurückliegende Bauführungen die Beschaffenheit der Geländeoberfläche im Nachhinein ermittelt werden müsste (vgl. den in Germann - Hämmerle, Das Vorarlberger Baugesetz, 2002, S. 183, abgedruckten Motivenbericht zur Regierungsvorlage zum BauG 2001, Blg. 45/2001, 27. LT). Auch der Verfassungsgerichtshof hält dem diesbezüglichen Vorbringen in seinem Ablehnungsbeschluss entgegen, dass die Beschwerde nicht ausreichend berücksichtige, dass gemäß § 6 Abs. 2 BauG 19723 - mangels ausdrücklicher Regelung - für die Ermittlung des Fußpunktes der Außenwand "das projektierte bzw. das vorgeschriebene Gelände" und nach der neuen Rechtslage ausdrücklich die Geländeoberfläche vor der Änderung durch eine (beabsichtigte) Bauführung maßgeblich war bzw. ist und somit nach der neuen Rechtslage - unabhängig von der Übergangsregelung - "missbräuchliche" Geländeaufschüttungen verhindert werden sollen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Erstbeschwerdeführerin geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. Juni 2006

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006060028.X00

Im RIS seit

26.07.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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