TE Vwgh Erkenntnis 2006/6/28 2006/08/0194

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Veröffentlicht am 28.06.2006
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §69 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Dr. Christian Hadeyer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 12/Arkade, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 6. April 2006, Zl. BMSG-124466/0001-II/A/3/2006, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens zur Feststellung der Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in 4010 Linz, Gruberstraße 77, 2. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, 4. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Oberösterreich in 4020 Linz, Europaplatz 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde, dem ihr beigeschlossenen angefochtenen Bescheid und dem hg. Erkenntnis vom 24. September 2004, Zl. 2002/08/0257 und 0258 ergibt sich Folgendes:

Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom 13. September 2002 im Instanzenzug festgestellt, dass GW in der Zeit vom 1. Jänner 1995 bis 31. August 1996 bei der Beschwerdeführerin hinsichtlich seiner ausgeübten Tätigkeit als Tankwart, Servicemann und Techniker in einem der Pflichtversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) und der Arbeitslosenversicherung unterliegenden Beschäftigung stand. Die dagegen von GW und der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof hat dieser mit Erkenntnis vom 22. September 2004, Zlen. 2002/08/0257 und 0258, als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin brachte - der Begründung des angefochtenen Bescheides und dem Beschwerdevorbringen zufolge - am 18. August 2004 bei der erstmitbeteiligten Gebietskrankenkasse (u.a.) den Antrag auf

"Aufhebung/Rückrechnung der Beitragsschuld (Beitragsnachverrechnungen 1995 bis 1998 zu Kontonummer 0121740705)

a)

infolge unrichtig angenommener Beweislage durch die Kasse und

b)

wegen neuer Beweise (Zeugenaussagen) ihrer ehemaligen Dienstnehmer"

ein.

Diesem Antrag, den die belangte Behörde inhaltlich als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Feststellung der Pflichtversicherung von G.W., welches mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 2002 abgeschlossen worden war, gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG gewertet hat, wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben.

Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Beschwerdeführerin zwei namentlich genannte ehemalige Dienstnehmer angegeben, die jeweils bestätigen könnten, dass G.W. in den Jahren 1995 bis 1997 nicht bei ihr beschäftigt gewesen sei.

Begründend führt die belangte Behörde weiters aus, dass sich die Beschwerdeführerin formal zwar nur auf beitragsrechtliche Fragen beziehe, jedoch sei aus dem gesamten Vorbringen zu erkennen, dass sie nach wie vor beweisen möchte, dass G.W. nicht als Dienstnehmer für sie als Dienstgeberin beschäftigt gewesen sei.

Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens sei, dass es durch Bescheid abgeschlossen und ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht (mehr) zulässig sei. Das Wiederaufnahmeverfahren habe jedoch nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels im Wege über die Wiederaufnahme eines Verfahrens zu sanieren. Zur Frage, warum die genannten Beweismittel im bisherigen Verfahren nicht geltend gemacht worden seien, nehme die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag ausdrücklich Stellung, wobei der Antrag im angefochtenen Bescheid wörtlich wie folgt zitiert wird:

"Ich kann nicht ausschließen, dass ich mit meinen Beschwerden erneut an irgendwelchen Formalien oder Beweisnotstand scheitere, wie in den bisherigen Verfahren auch. Daher habe ich meinen ehemaligen Mitarbeitern meine Not vorgetragen und war ziemlich angetan, als diese mir spontan Hilfe im Rahmen der Möglichkeiten zusagten, nämlich zu bestätigen, was die Wahrheit ist ..."

Im gegenständlichen Fall komme lediglich der Wiederaufnahmegrund der Neuerungen gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG in Betracht. Die Antragstellerin beantrage die Einvernahme neuer Zeugen. Diese Zeugen seien ihr jedoch bereits während des gesamten bisherigen Verfahrens bekannt gewesen, da sie bereits in den Jahren 1995 bis 1997 bei ihr beschäftigt gewesen seien. Die Beschwerdeführerin habe keinen plausiblen Grund vorgebracht, weshalb sie diese Zeugen als Beweismittel erst im Antrag vom 18. August 2004 benannt habe. Die Antragstellerin habe im bisherigen dreigliedrigen Instanzenzug ausreichend Gelegenheit gehabt, diese Zeugen, die ihr nachweislich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bekannt gewesen seien, namhaft zu machen.

Es sei der Beschwerdeführerin durchaus zumutbar gewesen, die Zeugen im bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren zu beantragen. Die Benennung der Zeugen erst im Wiederaufnahmeantrag vom 18. August 2004 stelle somit ein Verschulden, zumindest im Bereich der Fahrlässigkeit, dar. Da es sich somit nicht um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG handle und auch keine Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 und 3 AVG vorlägen, habe dem Wiederaufnahmeantrag nicht stattgegeben werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Gemäß § 69 Abs. 4 AVG steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem.

2. Die belangte Behörde hat den verfahrensgegenständlichen Antrag, der - wie sich aus der Wiedergabe im angefochtenen Bescheid sowie auch in der Beschwerde ergibt - undeutlich formuliert war, als Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 13. September 2002 abgeschlossenen Verfahrens über die Feststellung der Versicherungspflicht betreffend G. beurteilt. Die Beschwerde tritt dieser Beurteilung nicht entgegen, sondern macht vielmehr geltend, dass die belangte Behörde dem solcherart eingebrachten Wiederaufnahmeantrag hätte stattgegeben müssen.

3. Verfahrensgegenstand des Verwaltungsverfahrens, hinsichtlich dessen der Wiederaufnahmeantrag der Beschwerdeführerin gestellt wurde, war die Feststellung der Pflichtversicherung eines Dienstnehmers der Beschwerdeführerin zu ihr als Dienstgeberin im Zeitraum vom 1. Jänner 1995 bis 31. August 1996. Die von der Beschwerdeführerin in ihrem als Wiederaufnahmeantrag gewerteten Schreiben benannten Personen, welche nach ihren Angaben hätten bestätigen können, dass G.W. nicht bei ihr als Dienstgeberin beschäftigt gewesen sei, waren - nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin - im relevanten Zeitraum bei ihr als Dienstnehmer beschäftigt. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass ihr diese Zeugen während des gesamten Verfahrens, dessen Wiederaufnahme sie beantragt, bekannt waren.

4. Die Beschwerdeführerin macht in der Beschwerde zusammengefasst geltend, dass die belangte Behörde auf Grund des Grundsatzes der Offizialmaxime verpflichtet gewesen wäre, "entweder die Beschwerdeführerin dahingehend anzuleiten, die Einvernahme der ehemaligen Dienstnehmer als Zeugen zu beantragen" oder von Amts wegen tätig zu werden. Die Behörde hätte den Sachverhalt von Amts wegen festzustellen gehabt und der Beschwerdeführerin könne daher kein Verschulden angelastet werden, da die Behörde auch ohne Beweisanträge der Beschwerdeführerin die Einvernahme der Zeugen zur Feststellung des Sachverhalts anzuordnen und durchzuführen gehabt hätte.

Dieses Vorbringen verkennt, dass es nicht auf ein Verschulden der Behörde am Ausbleiben gebotener Ermittlungsschritte im Verfahren, dessen Wiederaufnahme begehrt wird, ankommt, sondern auf die Verschuldensfreiheit der Partei in der rechtzeitigen Geltendmachung der für ihren Verfahrensstandpunkt sprechenden Umstände (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 1994, Zl. 94/07/0097).

Die Beschwerdeführerin hätte im Verwaltungsverfahren, dessen Wiederaufnahme sie beantragt, ausreichend Gelegenheit gehabt, die Einvernahme der nunmehr namhaft gemachten Zeugen zu beantragen.

Das Beschwerdevorbringen geht in diesem Zusammenhang ausführlich auf eine von der Beschwerdeführerin angenommene erweiterte Manuduktionspflicht ein, vermag jedoch damit nicht darzulegen, dass sie nicht in der Lage gewesen wäre, die Einvernahme der nunmehr namhaft gemachten Zeugen im Verfahren, dessen Wiederaufnahme sie begehrt, zu beantragen.

Soweit die Unterlassung der Einvernahme der nunmehr genannten Zeugen, wie die Beschwerdeführerin meint, als Verletzung der Offizialmaxime bzw. als Folge einer Verletzung der Manuduktionspflicht gerügt wird, betrifft dieser behauptete Verfahrensmangel das Verfahren, dessen Wiederaufnahme beantragt wurde, nicht aber das allein beschwerdegegenständliche Verfahren über den von der Beschwerdeführerin gestellten Wiederaufnahmeantrag.

5. Da die belangte Behörde zutreffend das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 verneint hat, braucht auf die Frage, ob die Frist für die Einbringung des Antrages auf Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 2 AVG eingehalten wurde, nicht mehr eingegangen zu werden.

6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. Juni 2006

Schlagworte

Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova producta Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhaltsänderung Verschulden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006080194.X00

Im RIS seit

14.08.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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