TE OGH 1997/10/22 7Rs261/97x

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Veröffentlicht am 22.10.1997
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Hellwagner (Vorsitzender), Dr. Mayrhofer und DDr. Huberger sowie die fachkundigen Laienrichter Dkfm.Ing.Heinrich Philipp (AG) und Mag. Monika Drs (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R***** G*****, *****, vertreten durch Dr. M***** Sch*****, Rechtsanwältin in *****, wider die beklagte Partei P*****, *****, wegen Invaliditätspension, infolge der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 2.5.1997, 7 Cgs 267/96x-8, nach mündlicher Berufungsverhandlung, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Berufung wird F o l g e gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten. 520

Begründung:

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem 1.8.1996 zu gewähren, abgewiesen. Dabei hat es die auf den Seiten 1 und 2 seiner Urteilsausfertigung (= AS 19 und 19 verso) dargestellten Feststellungen zugrundegelegt.

Daraus ist hervorzuheben:

Nach dem ärztlichen Sachverständigengutachten besteht bei dem 49-jährigen Kläger ein Zustand nach Magen- und Nabelbruchoperation, ein Verlust des dritten bis fünften Fingers links, eine Omarthrose rechts, eine Epicondylitis rechts und eine Spondylose der Lendenwirbelsäule.

Aufgrund dieses Gesundheitszustandes ist der Kläger in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten in jeder Körperhaltung in der normalen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen zu verrichten. Die linke Hand kann dabei nur als Hilfshand einfachste Bewegungen ausführen. Arbeiten, die mit Heben des rechten Armes über Kopf verbunden sind, können vom Kläger nicht ausgeführt werden. Der Kläger ist imstande Anmarschwege zumindest im städtischen Bereich zurückzulegen. Dieser Zustand ist seit Antragstellung gegeben und ist nicht wesentlich besserungsfähig.

Dieses medizinische Leistungskalkül ermöglicht dem Kläger nach den gerichtsbekannten Anforderungen, noch Arbeiten als unqualifizierter Fertigungsprüfer, Presser, Präger oder Stanzer, Werkzeugausgeber, Bürodiener und dergleichen zu verrichten, die nach ihren Erfordernissen den oben angeführten Einschränkungen entsprechen. Derartige Arbeitsposten sind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden, wobei frei Arbeitsplätze nicht berücksichtigt sind.

In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß der Kläger nicht invalide im Sinne des § 255 Abs. 3 ASVG sei, weil er noch die angeführten Hilfsarbeitertätigkeiten verrichten könne. Mangels überwiegender Ausübung einer erlernten oder angelernten Berufes während des Beobachtungszeitraumes und infolge des Alters des Klägers von unter 55 Jahren könne der Kläger keinen Berufsschutz in Anspruch nehmen und sei daher mit der ihm verbliebenen Arbeitskraft auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen.In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß der Kläger nicht invalide im Sinne des Paragraph 255, Absatz 3, ASVG sei, weil er noch die angeführten Hilfsarbeitertätigkeiten verrichten könne. Mangels überwiegender Ausübung einer erlernten oder angelernten Berufes während des Beobachtungszeitraumes und infolge des Alters des Klägers von unter 55 Jahren könne der Kläger keinen Berufsschutz in Anspruch nehmen und sei daher mit der ihm verbliebenen Arbeitskraft auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Insoweit der Kläger als mangelhaft rügt, daß kein Orthopäde zur Begutachtung seiner Leidenszustände beigezogen wurde, obwohl dies von ihm in der Klage beantragt wurde, ist folgendes auszuführen:

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt.

Das Berufungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 7.2.1997 zu 7 Rs 375/96k, (Seite 3 f der Urteilsausfertigung) ausgeführt, daß seit den Ärztegesetznovellen BGBl. 1989/138 (in der Entscheidung 7 Rs 375/96k aufgrund eines Schreibfehlers als BGBl. 1989/38 zitiert) und 1992/461 die Orthopädie und orthopädische Chirurgie ein völlig autonomes Gebiet und kein Zusatzfach zur Chirurgie mehr ist.

Diese Ansicht bedarf insoweit einer Einschränkung, als aufgrund der Ärztegesetznovellen BGBl. 1989/138 und 1992/461 die bereits praktizierenden Chirurgen nach wie vor das Recht haben, weiterhin auch orthopädische Leiden zu begutachten (siehe dazu die Ärzteausbildungsverordnung BGBl. 1994/152, insbesondere §§ 5 Abs. 1 Z. 6, 20 Abs. 1 Z. 29 sowie die Übergangsbestimmung § 32 Abs. 6; ebenso wurde dies nach Ansicht des Berufungsgerichtes bereits in der Verordnung BGBl. 1986/417 über die Änderung der Ärzte-Ausbildungsordnung zum Ausdruck gebracht).Diese Ansicht bedarf insoweit einer Einschränkung, als aufgrund der Ärztegesetznovellen BGBl. 1989/138 und 1992/461 die bereits praktizierenden Chirurgen nach wie vor das Recht haben, weiterhin auch orthopädische Leiden zu begutachten (siehe dazu die Ärzteausbildungsverordnung BGBl. 1994/152, insbesondere Paragraphen 5, Absatz eins, Ziffer 6,, 20 Absatz eins, Ziffer 29, sowie die Übergangsbestimmung Paragraph 32, Absatz 6 ;, ebenso wurde dies nach Ansicht des Berufungsgerichtes bereits in der Verordnung BGBl. 1986/417 über die Änderung der Ärzte-Ausbildungsordnung zum Ausdruck gebracht).

Danach ist der im erstgerichtlichen Verfahren zum Sachverständigen bestellte Facharzt für Chirurgie Dr. Gerhard Frömmel nach Ansicht des Berufungsgericht zwar grundsätzlich berechtigt, auch orthopädische Leiden zu begutachten, sofern er sich hiezu als kompetent erachtet. Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige aber in seinem Gutachten die Leidenszustände des Klägers "nur" chirurgischerseits begutachtet, ohne aus orthopädischer Sicht dazu Stellung zu nehmen.

Die Mängelrüge ist daher berechtigt.

Weiters macht der Kläger einerseits unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend, er sei im erstinstanzlichen Verfahren als Nichtvertretener vom Erstrichter nicht gesetzmäßig angeleitet worden, andererseits rügt er die Beweiswürdigung des Erstgerichtes dahingehend, daß unrichtige Feststellungen hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeit während der letzten 15 Jahre getroffen wurden. Diese knappen Ausführungen des Klägers lassen erkennen, daß das Erstgericht, ohne sich mit dem Vorbringen des Kläger auseinanderzusetzen bzw. ohne entsprechende Beweise aufzunehmen, die Feststellung getroffen hat, der Kläger sei während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag lediglich als Hilfsarbeiter in verschiedenen Branchen tätig gewesen.

Die Berufung erweist sich auch in diesem Punkt als berechtigt.

Es war daher der Berufung gemäß den §§ 2 ASGG, 496 Abs. 1 Z. 2 und Z. 3 ZPO Folge zu geben.Es war daher der Berufung gemäß den Paragraphen 2, ASGG, 496 Absatz eins, Ziffer 2 und Ziffer 3, ZPO Folge zu geben.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher das Erstgericht neuerlich den Sachverständigen für Chirurgie zu befragen haben, ob er sich aufgrund seiner Befugnis in der Lage sieht, Leidenszustände des Klägers aus orthopädischer Sicht zu begutachten und ob sich diesbezüglich an seinem Gutachten etwas ändert.

Ferner wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren den Kläger befragen müssen, welche Art der Tätigkeit er in den letzten 15 Jahren überwiegend ausgeübt hat. Für den Fall, daß ein ausreichendes Substrat dafür besteht, daß der Kläger überwiegend als Maler und Anstreicher gearbeitet hat, wie er dies in der Klage sowie anläßlich der Untersuchung durch den medizinischen Sachverständigen der beklagten Partei (siehe ärztliches Gutachten im Anstaltsakt, OZ 6, Seite 2) vorgebracht hat, wird durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet des Gewerbes der Maler und Anstreicher zu prüfen sein, ob der Kläger wesentliche Kenntnisse aus dem Beruf der Maler und Anstreicher erworben hat und ob ihm daher Berufschutz zukommt.

Eine Beweisergänzung durch das Berufungsgericht gemäß §§ 2 ASGG, 496 Abs. 3 ZPO kommt nicht in Betracht, weil das Erstgericht einen wesentlichen Teil des streitigen Themenkomplex nicht geprüft hat und eine Beweisergänzung durch das Berufungsgericht nicht dazu führen kann, daß den Streitteilen nur eine Tatsacheninstanz zur Verfügung steht.Eine Beweisergänzung durch das Berufungsgericht gemäß Paragraphen 2, ASGG, 496 Absatz 3, ZPO kommt nicht in Betracht, weil das Erstgericht einen wesentlichen Teil des streitigen Themenkomplex nicht geprüft hat und eine Beweisergänzung durch das Berufungsgericht nicht dazu führen kann, daß den Streitteilen nur eine Tatsacheninstanz zur Verfügung steht.

Da das ergänzende Verfahren zu anderen Feststellung und somit auch zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen kann, erübrigt es sich, zu den Ausführungen in der Rechtsrüge derzeit Stellung zu nehmen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 52 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 2, ASGG, 52 ZPO.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Anmerkung

EW00216 07S02617

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:1997:0070RS00261.97X.1022.000

Dokumentnummer

JJT_19971022_OLG0009_0070RS00261_97X0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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