TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/5 2006/18/0198

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Veröffentlicht am 05.09.2006
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des M A, geboren 1970, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. Mai 2006, Zl. SD 342/06, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. Mai 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Rückkehrverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 11. März 2002 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der in erster Instanz abgewiesen worden sei. Das diesbezügliche Berufungsverfahren sei noch anhängig.

Mit Urteil vom 16. Juni 2005 sei der Beschwerdeführer wegen gefährlicher Drohung gemäß § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sowie wegen des Vergehens gemäß § 50 Abs. 1 Z. 3 und Z. 4 Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden.

Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 23. November 2004 von Kräften des WEGA in Wien am Mexikoplatz mit einer funktionstüchtigen Handgranate, einer Gaspistole und einem Einhandmesser bewaffnet gefasst worden sei, obwohl gegen ihn ein Waffenverbot bestanden habe. Am 3. März 2005 habe sich der Beschwerdeführer zu einem Kaffeehaus im 10. Wiener Gemeindebezirk begeben, mit dessen Inhaber er sich bereits mehrere Jahre in Streit befinde. Etwa 20 m vor dem Lokal habe er mit einer Gaspistole zweimal in Richtung des Lokalinhabers geschossen, um ihn einzuschüchtern.

Auf Grund der Verurteilung sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Das dargestellte gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß, sodass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet und für zwei Kinder sorgepflichtig; er lebe mit diesen Familienangehörigen im gemeinsamen Haushalt. Die Gattin und die Kinder hielten sich lediglich auf Grund von Asylerstreckungsanträgen, die sich im Berufungsstadium befänden, im Bundesgebiet auf. Das Rückkehrverbot sei mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz der körperlichen Integrität und Gesundheit Dritter) dringend geboten. Wer, wie der Beschwerdeführer, in Österreich angeblich Schutz vor Verfolgung suche und dann im dargestellten Ausmaß straffällig werde, lasse die Geringschätzung maßgeblicher österreichischer Rechtsvorschriften erkennen. Die solcherart vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sei von solchem Gewicht, dass die Erlassung des Rückkehrverbots dringend geboten und daher im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei auf die aus der bisherigen Aufenthaltsdauer ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Dieser Integration komme insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die soziale Komponente durch das strafbare Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Die familiären Bindungen des Beschwerdeführers wögen zwar schwer, jedoch sei zu berücksichtigen, dass sich das Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen ausschließlich auf den Asylantrag des Beschwerdeführers stütze und sie den asylrechtlichen Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers teilten. Der Schulbesuch der beiden minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers entspreche der im Inland geltendenden Schulpflicht und sei daher nicht als besonderer Umstand zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Nach den Behauptungen des Beschwerdeführers lebten auch drei Brüder und eine Schwester im Bundesgebiet. Den insgesamt zweifellos erheblichen persönlichen Interessen stünden die genannten großen öffentlichen Interessen gegenüber. Die Auswirkungen des Rückkehrverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf Grund der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers ist die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, unbedenklich.

2. Der Beschwerdeführer wurde - obwohl gegen ihn bereits ein Waffenverbot verhängt worden war - am 23. November 2004 mit einem Einhandmesser, einer Gaspistole und einer funktionstüchtigen Handgranate bewaffnet auf einem öffentlichen Platz betreten. Trotzdem hat er sich nur wenig später, nämlich am 3. März 2005, neuerlich mit einer Gaspistole bewaffnet und mit dieser Waffe auf offener Straße auf einen Lokalinhaber, mit dem er sich in Streit befindet, geschossen.

Auf Grund dieses Verhaltens geht vom Beschwerdeführer eine sehr große Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aus.

Im Hinblick darauf, dass der bereits mit einem Waffenverbot belegte Beschwerdeführer nur kurze Zeit nachdem er im Besitz von Waffen und sogar Kriegsmaterial (funktionstüchtige Handgranate) betreten worden ist, eine Waffe zur gefährlichen Bedrohung einer anderen Person verwendet hat, ist der von der Beschwerde ins Treffen geführte Zeitraum des Wohlverhaltens von etwa einem Jahr und zwei Monaten seit der letzten Straftat am 3. März 2005 viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung öffentlicher Interessen zu schließen.

Aus diesen Gründen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, keinen Bedenken.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 62 Abs. 3 iVm § 66 FPG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers die Dauer des inländischen Aufenthalts, die Haushaltsgemeinschaft mit der Gattin und den beiden Kindern sowie den inländischen Aufenthalt von drei Brüdern und einer Schwester berücksichtigt. Zu Recht hat die belangte Behörde auf die aus den Straftaten - die die mangelnde Verbundenheit des Beschwerdeführers mit den in Österreich geschützten Werten zeigen - resultierende Minderung der Integration in ihrer sozialen Komponente hingewiesen. Ebenso zutreffend hat die belangte Behörde die Beziehung zur Gattin und zu den beiden Kindern als relativiert angesehen, weil sich diese Angehörigen nur auf Grund eines Asylerstreckungsantrages zum Asylantrag des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhalten.

Den insgesamt dennoch beachtlichen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die - oben

2. dargestellte - aus dem Fehlverhalten des Beschwerdeführers resultierende große Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Unter gehöriger Abwägung dieser Interessenlage kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 5. September 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006180198.X00

Im RIS seit

03.10.2006

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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