Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herwig W*****, vertreten durch Dr.Heinz Napetschnig und Dr.Renate Studentschnig, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Firma Rudolf W*****, vertreten durch Dr.Gerhard Fink ua Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 131.000,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 14.Mai 1997, GZ 4 R 4/97h-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 30.Oktober 1996, GZ 24 Cg 5/96h-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.605,-- (darin enthalten S 1.267,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der PKW des Klägers Marke Renault 19 RN 17 wurde bei einem Unfall am 23.10.1995 schwer beschädigt. Der PKW war im Februar 1995 erstmals zugelassen worden. Der Neupreis (Listenpreis) betrug S 188.600 und inclusive der vorhandenen Sonderausstattung S 206.100. Zum Unfallszeitpunkt wies der PKW einen Kilometerstand von 14.000 auf. Sein Wert im unbeschädigten Zustand betrug damals S 150.000. Der Wrackwert unmittelbar nach dem Unfall betrug S 55.000. Die aufgrund des Unfalles erforderlichen Reparaturkosten sind mit etwa S 80.000 anzusetzen.
Führt eine Werkstätte eine solche Reparatur in Eigenregie durch, so ist lediglich der übliche Rabatt bei den Ersatzteilpreisen von 20 bis 22 % zu berücksichtigen. Die Ersatzteilkosten würden sich auf etwa S 37.000 belaufen, sodaß maximal eine Eigenersparnis von S 8.000 für die Werkstätte eingetreten wäre, falls diese ausgelastet ist. Eine Eigenersparnis bei der Arbeitszeit ist nur dann gegeben, wenn die Werkstätte nicht ausgelastet ist. Dann kann die Eigenersparnis mit 30 % der Arbeitskosten angesetzt werden. Bei einer Eigenreparatur fällt für die Arbeitszeit keine Mehrwertsteuer an. Es ist jedoch in der Branche nicht üblich, Schäden in dieser Größenordnung in Eigenregie zu reparieren. Meist werden die Wracks verkauft.
Der Kläger ließ den PKW in die Werkstätte der beklagten Partei abschleppen. Die Werkstätte der beklagten Partei war mit Arbeit ausgelastet. Barbara S*****, die bei der beklagten Partei für den Autoverkauf zuständig ist, erkundigte sich beim Werkmeister über die Schadenshöhe. Dieser nannte ihr einen Betrag von rund S 80.000. In einem solchen Fall war es bei der beklagten Partei üblich, den Kunden wegen eines Ankaufes eines neuen PKWs zu kontaktieren. Beim deshalb vereinbarten Gespräch am 24.10.1995 zwischen dem Kläger und Barbara S***** war sich der Kläger zunächst unschlüssig, ob er den PKW reparieren lassen soll. Es erschien ihm der für die Reparaturkosten genannte Betrag von S 80.000 zu hoch. Er meinte, daß "im Pfusch" alles billiger kommen würde. Letztlich einigte er sich mit Barbara S***** dahin, daß er das Wrack der beklagten Partei überlassen und einen Neuwagen erwerben werde. Der Neuwagen hatte einen Listenpreis von S 206.100, der durch Rabatte auf S 186.000 ermäßigt wurde. Für das havarierte Fahrzeug des Klägers wurde ein Betrag von S 55.000 veranschlagt, sodaß der Kläger den Betrag von S 131.000 auf den Neuwagen aufzahlen sollte. Bei der Niederschrift dieser Vereinbarung vertauschte Barbara S***** irrtümlich letztere Zahlen, sodaß im Kaufvertrag betreffend das havarierte Fahrzeug und in der Kaufvereinbarung betreffend den vom Kläger neu zu erwerbenden PKW für das havarierte Fahrzeug jeweils S 131.000 und in der Kaufvereinbarung der vom Beklagten zu zahlende Differenzbetrag mit S 55.000 eingesetzt wurde. Bei den Gesprächen war aber klar, daß der Kläger S 131.000 aufzahlen sollte. Barbara S***** entdeckte diesen Irrtum erst, als der bestellte Neuwagen bei der beklagten Partei eintraf. Als sie dem Kläger von ihrem Irrtum Mitteilung machte, meinte dieser, er sehe ein, daß da etwas nicht stimme. Mit Schreiben vom 24.1.1996 trat die beklagte Partei mit dem Hinweis darauf, daß der Kläger nicht bereit sei, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen, unter Setzung einer Nachfrist von den Vereinbarungen zurück.
Der Kläger begehrt S 131.000 als vereinbarten Kaufpreis für sein havariertes Fahrzeug.
Die beklagte Partei wendete ein, daß sie lediglich bereit gewesen sei, den havarierten PKW um S 55.000 zu erwerben, allerdings unter der Voraussetzung, daß der Kläger gleichzeitig einen neuen PKW um S 186.000 erwerben und S 131.000 aufzahlen werde. Die Zahlen seien auf den Kaufvertragsformularen irrtümlich vertauscht worden. Die beklagte Partei sei infolge verschuldeter Nichterfüllung durch den Kläger berechtigt, von sämtlichen Vereinbarungen zurückzutreten. Es handle sich um einen einheitlichen Vertrag. Es sei die Geschäftsgrundlage betreffend den Kaufvertrag für das havarierte Fahrzeug weggefallen. Der Vertrag werde auch wegen Irrtums und Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes angefochten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da der Beklagte seiner Verpflichtung zur Zahlung von S 131.000 trotz Nachfristsetzung nicht nachgekommen sei, sei die beklagte Partei zu Recht vom Vertrag zurückgetreten.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Ein sogenannter Doppelkauf im Sinne zweier selbständiger Kaufverträge bloß mit gegenseitiger Verrechnung der Preise liege nur dann vor, wenn die Parteien mit jeder der beiden Veräußerungen einen besonderen Umsatzzweck, eine für sich sinnvolle Absatzfunktion verbänden. Andernfalls sei die Vereinbarung als einheitlicher Kaufvertrag zu qualifizieren. Bei der üblichen und sehr verbreiteten und auch hier vorgenommenen Inzahlungnahme gebrauchter Sachen anläßlich des Ankaufes neuer, so wie hier eines Neuwagens durch Übergabe des noch dazu beschädigten Altwagens, sei nach der überwiegenden Lehre im Zweifel ein einziges Geschäft anzunehmen, weil ein einheitliches Umsatzziel angestrebt werde. Die eine Verabredung sei mit der anderen eng verknüpft und ohne sie nicht gewollt. Die Annahme zweier selbständiger Vertragsverhältnisse wäre gekünstelt. Bei der üblichen Inzahlungnahme eines Altwagens bei Kauf eines Neuwagens sei demnach im Zweifel ein einheitliches Rechtsgeschäft anzunehmen, sodaß im Fall der Leistungsstörung keiner zu einem Leistungsaustausch verhalten werden dürfe, den er bei Vertragsabschluß keinesfalls beabsichtigt habe. Beide könnten deshalb nur eine Aufhebung oder Wandlung des ganzen Vertrages mit der Folge der Rückabwicklung der beiden Fahrzeuge und nicht bloß bei einem Fahrzeug verlangen. Selbst im Fall eines Doppelkaufs, also zweier getrennter Rechtsgeschäfte, könnte der Kläger im übrigen nur S 55.000, nämlich den vereinbarten Eintauschpreis, geltend machen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine einheitliche Rechtsprechung zur Frage des Doppelkaufes vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Soweit in der Revision dargelegt wird, daß der Behauptung des Klägers über den vereinbarten Preis für sein havariertes Fahrzeug von S 131.000 zu folgen sei, wird in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft und nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen. Wie das Gericht zweiter Instanz zutreffend ausgeführt hat, käme selbst bei Annahme eines Doppelkaufes überhaupt nur ein Obsiegen des Klägers mit S 55.000 in Betracht.
In - überwiegend - älteren Entscheidungen wurde zwar ausgesprochen, daß es sich regelmäßig um einen Doppelkauf handle, wenn beim Ankauf eines Neufahrzeuges ein Gebrauchtwagen auf Rechnung des Kaufpreises in Zahlung gegeben werde. Mangels eines festgestellten abweichenden Parteiwillens berühre der Wegfall des einen Kaufvertrages die Gültigkeit des anderen Kaufvertrages nicht (so etwa JBl 1974, 574; vgl die Judikaturhinweise bei Aicher in Rummel2 I, Rz 10 zu § 1055 ABGB). Entscheidend ist aber jedenfalls der jeweilige Parteiwille. Geht die Abhängigkeit der Umsatzgeschäfte voneinander im Sinn eines synallagmatischen Austauschverhältnisses nicht ausdrücklich aus der Vereinbarung hervor, ist der Parteiwille durch Auslegung zu ermitteln, wobei mangels anderer Anhaltspunkte die Interessenslage entscheidend sein kann. In diesem Sinne wurde in der Entscheidung JBl 1987, 316, der das Gericht zweiter Instanz gefolgt ist, im Anschluß an Aicher in Rummel ABGB2 I, Rz 10 und 12 zu § 1055 ABGB und Koziol-Welser, Grundriß I (nunmehr 10.Auflage S 348 f) sowie mit dem Hinweis auf weitere Vorentscheidungen ausgeführt, daß ein Doppelkauf im Sinne zweier selbständiger Kaufverträge bloß mit gegenseitiger Verrechnung der Preise nur dann vorliege, wenn die Parteien mit jeder der beiden Veräußerungen einen besonderen Umsatzzweck, eine für sich sinnvolle Absatzfunktion verbänden. Andernfalls sei die Vereinbarung als einheitlicher Kauf- oder Tauschvertrag zu qualifizieren.In - überwiegend - älteren Entscheidungen wurde zwar ausgesprochen, daß es sich regelmäßig um einen Doppelkauf handle, wenn beim Ankauf eines Neufahrzeuges ein Gebrauchtwagen auf Rechnung des Kaufpreises in Zahlung gegeben werde. Mangels eines festgestellten abweichenden Parteiwillens berühre der Wegfall des einen Kaufvertrages die Gültigkeit des anderen Kaufvertrages nicht (so etwa JBl 1974, 574; vergleiche die Judikaturhinweise bei Aicher in Rummel2 römisch eins, Rz 10 zu Paragraph 1055, ABGB). Entscheidend ist aber jedenfalls der jeweilige Parteiwille. Geht die Abhängigkeit der Umsatzgeschäfte voneinander im Sinn eines synallagmatischen Austauschverhältnisses nicht ausdrücklich aus der Vereinbarung hervor, ist der Parteiwille durch Auslegung zu ermitteln, wobei mangels anderer Anhaltspunkte die Interessenslage entscheidend sein kann. In diesem Sinne wurde in der Entscheidung JBl 1987, 316, der das Gericht zweiter Instanz gefolgt ist, im Anschluß an Aicher in Rummel ABGB2 römisch eins, Rz 10 und 12 zu Paragraph 1055, ABGB und Koziol-Welser, Grundriß römisch eins (nunmehr 10.Auflage S 348 f) sowie mit dem Hinweis auf weitere Vorentscheidungen ausgeführt, daß ein Doppelkauf im Sinne zweier selbständiger Kaufverträge bloß mit gegenseitiger Verrechnung der Preise nur dann vorliege, wenn die Parteien mit jeder der beiden Veräußerungen einen besonderen Umsatzzweck, eine für sich sinnvolle Absatzfunktion verbänden. Andernfalls sei die Vereinbarung als einheitlicher Kauf- oder Tauschvertrag zu qualifizieren.
Gerade beim auch hier vorliegenden Geschäftstyp, daß ein Kfz-Händler ein gebrauchtes Fahrzeug "in Zahlung nimmt" und einen Neuwagen gegen Geld und den Gebrauchtwagen veräußert, spricht die Interessenlage des Händlers dafür, daß der Ankauf des Gebrauchtwagens ohne Verkauf eines Neuwagens gar nicht gewollt ist, wobei diese Interessenlage wohl auch dem Kunden bewußt ist, der seinerseits aber ebenfalls daran interessiert ist, seinen Gebrauchtwagen problemlos aus Anlaß des Neuwagenkaufes zu verwerten. Nichts anderes wird im Regelfall bei der Hingabe von Altfahrzeugen, die zudem havariert sind, gelten, wenn der Händler kein erkennbares besonderes Interesse gerade an diesem havarierten Fahrzeug hat, etwa weil er spezielle, sonst schwer erhältliche Teile des Wracks umgehend verwerten kann. Im Gegensatz zur Nachkriegszeit und auch noch zu den Folgejahren, als nicht genügend neue Kraftfahrzeuge am Markt waren, um die Nachfrage zeitgerecht zu befriedigen und daher auch Gebrauchtfahrzeuge und reparierte Fahrzeuge problemlos Absatz fanden, läßt sich heute ein besonderer Umsatzzweck bei Ankauf eines Gebrauchtwagens oder eines havarierten Fahrzeuges durch einen Kraftfahrzeughändler nicht mehr unterstellen, wenn nicht besondere Idizien dafür sprechen.
Die Vorinstanzen haben daher zu Recht im Sinne der neueren Rechtsprechung und Lehre im vorliegenden Fall angenommen, daß mit den getroffenen Verabredungen ein einheitliches Umsatzziel angestrebt wurde und von einem einheitliche Rechtsgeschäft auszugehen ist. Die Nichterfüllung der Verpflichtung des Klägers aus dem Neuwagenkauf berechtigte die beklagte Partei daher zum Rücktritt vom gesamten Vertragswerk, sodaß sie auch nicht verpflichtet ist, den für das havarierte Fahrzeug des Klägers veranschlagten Preis von (bloß) S 55.000 zu zahlen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die Paragraphen 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E48221 07A02497European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1997:0070OB00249.97M.1111.000Dokumentnummer
JJT_19971111_OGH0002_0070OB00249_97M0000_000