TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/7 2006/16/0040

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Veröffentlicht am 07.09.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

GGG 1984 §2 Abs1 lita;
GGG 1984 TP1 Anm1;
GGG 1984 TP1;
VwRallg;
ZPO §226 Abs1;
ZPO §75 Z1;
ZPO §75 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der P in K, vertreten durch Mag. Helmut Holzer, Mag. Wolfgang Kofler und Mag. Klaus Mikosch, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Priesterhausgasse Nr. 1/II, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt vom 6. Oktober 2005, Zl. Jv 1843-33/05-11, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2003 erhob die Beschwerdeführerin beim Landesgericht Klagenfurt "Nichtigkeitsklage zur Aufhebung der Entscheidung des Landesgerichtes Klagenfurt vom 6.8.2001". Sie beantragte in dieser "Nichtigkeitsklage", das Urteil und das Verfahren zu ..., als nichtig aufzuheben, sowie deren Erneuerung anzuordnen" und die "Beigebung eines Rechtsanwaltes im Wege der Verfahrenshilfe, soweit für das Verfahren erforderlich".

Mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 29. Juli 2003 wurde die Nichtigkeitsklage zur Verbesserung durch Beibringung einer Anwaltsunterschrift zurückgestellt und der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zurückgewiesen.

Dem gegen diesen Beschluss eingebrachten Rekurs vom 4. September 2003 gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 17. September 2003 keine Folge. Mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 14. November 2003 wurde der Verfahrenshilfeantrag vom 4. September 2003 zurückgewiesen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 5. Dezember 2003 wurde ein am 4. Dezember 2003 eingebrachter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen. Einem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 18. Februar 2004 keine Folge.

Mit Zahlungsauftrag vom 11. Mai 2004 schrieb die Kostenbeamtin der Beschwerdeführerin die Gerichtsgebühr gemäß TP 1 GGG von EUR 3.604,-- vor.

Mit Bescheid vom 7. März 2005 hob der Revisor beim Landesgericht Klagenfurt den Zahlungsauftrag des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11. Mai 2004 von Amts wegen auf.

Mit Zahlungsauftrag vom 7. April 2005 schrieb die Kostenbeamtin des Landesgerichtes Klagenfurt der Beschwerdeführerin die Gerichtsgebühr gemäß TP 1 GGG von EUR 14.388,-- vor.

Mit Spruchpunkt I. gab die belangte Behörde dem gegen diesen Zahlungsauftrag vom 7. April 2005 erhobenen Berichtigungsantrag nicht statt und berichtigte mit Spruchpunkt II. den Zahlungsauftrag auf Festsetzung der Pauschalgebühr nach TP 1 GGG samt Einhebungsgebühr gemäß § 6 GEG auf EUR 14.395,--. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die Beschwerdeführerin habe am 28. Juli 2003 beim Landesgericht Klagenfurt ohne Anwaltsunterschrift eine Nichtigkeitsklage zur Aufhebung der Entscheidung des Landesgerichtes Klagenfurt vom 6. August 2001 samt Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe eingebracht. Diese Nichtigkeitsklage sei der Beschwerdeführerin mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 29. Juli 2003 zur Verbesserung durch Beibringung einer Anwaltsunterschrift zurückgestellt worden und der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe sei zurückgewiesen worden. Sämtliche von der Beschwerdeführerin eingebrachten Rechtsmittel seien erfolglos geblieben. Das Landesgericht Klagenfurt habe den eingebrachten Schriftsatz als ein mittels Klage einzuleitendes gerichtliches Verfahren behandelt und die Justizverwaltungsorgane seien bei der Gerichtsgebührenfestsetzung zwingend an diese gerichtliche Entscheidung gebunden. Da es sich um eine Klage handle und der Beschwerdeführerin keine Verfahrenshilfe bewilligt worden sei, sei die Gebührenpflicht für die am 28. Juli 2003 überreichte Klage gemäß TP 1 GGG mit dem genannten Tag entstanden. Der Wert des Streitgegenstandes betrage S 14,767.294,-- (EUR 1,073.182,--). Die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG betrage daher EUR 14.388,-- und samt Einhebungsgebühr EUR 14.395,--.

Da im Beschwerdefall die Klage weder vor Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen noch die Klage von vornherein zurückgewiesen worden sei, sei die Ermäßigungsvorschrift der Anmerkung 3 zu TP 1 GGG nicht anzuwenden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich - soweit der Beschwerdepunkt zulässig ausgeführt ist - in ihrem Recht, nicht zur Zahlung von Gerichtsgebühren herangezogen zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß TP 1 GGG betragen die Pauschalgebühren im zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz bei einem Wert des Streitgegenstandes von über EUR 363.360,-- 1,2 % vom jeweiligen Streitwert zuzüglich EUR 1.509,--.

Gemäß Anmerkung 1 zur TP 1 GGG unterliegen der Pauschalgebühr nach TP 1 alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen. Die Pauschalgebühr ist ohne Rücksicht darauf zu entrichten, ob das Verfahren bis zum Ende durchgeführt wird.

Gemäß Anmerkung 3 zur TP 1 GGG ermäßigen sich die Pauschalgebühren auf ein Viertel, wenn die Klage oder ein in den Anmerkungen 1 oder 2 zur TP 1 angeführter Antrag vor Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen wird. Das Gleiche gilt auch, wenn die Klage oder der Antrag - ausgenommen den Fall einer Überweisung nach § 230a ZPO - von vornherein zurückgewiesen wird.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a GGG entsteht der Anspruch des Bundes auf die Gebühr hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage.

Die mittels vorbereitenden Schriftsatzes anzubringende Klage hat gemäß § 226 Abs. 1 ZPO ein bestimmtes Begehren zu enthalten, die Tatsachen, auf welche sich der Anspruch des Klägers in Haupt- und Nebensachen gründet, im Einzelnen kurz und vollständig anzugeben, und ebenso die Beweismittel im Einzelnen genau zu bezeichnen, deren sich der Kläger zum Nachweise seiner tatsächlichen Behauptung bei der Verhandlung zu bedienen beabsichtigt.

Weist ein bei Gericht eingebrachter Schriftsatz sämtliche Merkmale einer Klage auf (Bezeichnung des Gerichtes und der Parteien, Klagserzählung und Urteilsbegehren sowie Unterschrift des Vertreters der Klägerin) und behandelt das Gericht diesen Schriftsatz als Klage, so entsteht mit der Überreichung des Schriftsatzes die Gebührenpflicht gemäß TP 1 GGG. Die gilt auch dann, wenn in der Folge - wegen Fehlens der in Gerichtshofsverfahren erforderlichen Anwaltsunterschrift - die Klage (nach erfolglosem Verbesserungsversuch) zurückgewiesen worden ist. Das für die Gebührenberechnung zuständige Justizverwaltungsorgan ist bei der Gebührenfestsetzung an die Entscheidung der Frage, ob es sich um ein "mittels Klage einzuleitendes gerichtliches Verfahren" handelt oder nicht, durch das Gericht gebunden (vgl. Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren7, E 3 zu TP 1 samt angeführter Rechtsprechung).

Die von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 24. Juli 2003 beim Landesgericht Klagenfurt eingebrachte "Nichtigkeitsklage" weist sämtliche Merkmale einer Klage auf. Sie bezeichnet das Gericht und die Parteien, enthält eine Klagserklärung und ein Urteilsbegehren und weist die Unterschrift des Klägers auf. Das Landesgericht Klagenfurt hat den eingebrachten Schriftsatz als Klage behandelt. In diesem Schriftsatz vom 24. Juli 2003 wurde zusätzlich ein Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt, dem ein Erfolg versagt blieb. Entgegen der von der Beschwerdeführerin in der vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde vertretenen Ansicht kann keine Rede davon sein, dass es sich bei dem Schriftsatz vom 24. Juli 2003 insgesamt nur um einen Verfahrenshilfeantrag gehandelt habe. Bei der Vorschreibung der Gerichtsgebühren hatte die Kostenbeamtin somit von einer - mangelhaften - Nichtigkeitsklage und von einem nicht bewilligten Verfahrenshilfeantrag auszugehen.

Die Nichtigkeitsklage wurde weder von vornherein zurückgewiesen noch vor Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen. Die Voraussetzung für eine Ermäßigung der Pauschalgebühren nach Anmerkung 3 zur TP 1 GGG auf ein Viertel lagen daher nicht vor.

Der Anspruch auf die Gerichtsgebühr entsteht gemäß § 2 Abs. 1 lit. a GGG mit der Überreichung der Klage. Dies auch dann, wenn es sich um eine mangelhafte Klage handelt, die - wie im Beschwerdefall zur Verbesserung durch Beibringung einer Anwaltsunterschrift - zurückgestellt wurde. Wird ein solcher Mangel nicht behoben, ändert dies nichts an der bereits mit der Überreichung der Klage entstandenen Gebührenpflicht. Ob die Klage letztlich "rechtswirksam" wird und darüber eine Entscheidung des Gerichtes ergeht, ist für die im Zeitpunkt der Überreichung der Klage entstandene Gebührenschuld ohne Auswirkung, weil das Gesetz die Abänderung einer bereits entstandenen Gebührenschuld in solchen Fällen nicht normiert. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin unterliegen somit nicht nur solche Klagen der Gebührenpflicht die - nach erfolgter Verbesserung - inhaltlich in Behandlung genommen werden, sondern auch mangelhafte Klagen, die zu keiner Entscheidung in der Sache führen.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Durch die Entscheidung in der Sache erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 7. September 2006

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006160040.X00

Im RIS seit

03.10.2006

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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