TE Vwgh Beschluss 2006/9/15 2006/04/0049

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Veröffentlicht am 15.09.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §36 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §45 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über den Antrag der Bürgerinitiative Erholungsraum Biberg in Saalfelden, vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 24. Februar 2006, Zl. 2005/04/0044, abgeschlossenen Verfahrens über die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 4. Jänner 2005, Zl. US 9B/2004/8- 53, betreffend Bewilligung einer Entnahme von mineralischen Rohstoffen im Tagbau, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Umweltsenates vom 4. Jänner 2005 wurde der Diabaswerk Saalfelden GesmbH (der mitbeteiligten Partei im hg. Verfahren zur Zl. 2005/04/0044) die Genehmigung gemäß § 17 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 für das Vorhaben der Erweiterung des bestehenden Diabasabbaues durch den "Tagbau 21-Schönangerl" auf Grundstücken in den Gemeinden Saalfelden und Leogang erteilt.

Das Verfahren über die dagegen von der Antragstellerin erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof unter der Zl. 2005/04/0044 geführt. In diesem Verfahren wurden von den Parteien jeweils mehrere Schriftsätze erstattet, zuletzt der Schriftsatz der mitbeteiligten Partei vom 20. Jänner 2006.

Dieser Schriftsatz enthielt im Wesentlichen folgendes Vorbringen:

Das von der Antragstellerin vorgelegte Rechtsgutachten von Prof. Schroeder stelle auf Schutzgebiete ab und sei daher irrelevant, weil der gegenständliche Abbau nicht in einem Schutzgebiet liege. Die von der Antragstellerin aufgestellte Behauptung, das im Abbaugebiet liegende Biotop "Schönangerl" sei in der Salzburger Biotopkartierung enthalten, sei nicht ausreichend belegt und im Übrigen unerheblich. Die durch das Projekt erforderliche "Verlegung" des Biotops "Schönangerl" widerspreche der in den Durchführungsprotokollen der Alpenkonvention "Naturschutz und Landschaftspflege" sowie "Bodenschutz" enthaltenen Verpflichtung zur "Erhaltung" schon deshalb nicht, weil von diesen Protokollen - anders als vom Protokoll "Bergwald" für Schutzwälder - eine Erhaltung an Ort und Stelle nicht gefordert werde (zu dieser Frage wurde ein Rechtsgutachten der Univ. Prof. Köck und Janko sowie ein weiteres Rechtsgutachten von Dipl. Ing. Scheiring dem Schriftsatz beigelegt). Die Antragstellerin habe die Feststellung der belangten Behörde nicht bestritten, dass das "Schönangerl" auch an seinem ursprünglichen Standort ohne menschliches Zutun der Verlandung ausgesetzt wäre. Das Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege" enthalte keine unbedingte Verpflichtung zur Erhaltung von Mooren jeder Größe. Es sei fraglich, ob die Durchführungsprotokolle zur Alpenkonvention unmittelbar anwendbar seien. (Auch zu dieser Frage enthielt das vorgelegte Gutachten der Univ. Prof. Köck und Janko Ausführungen).

Dieser Schriftsatz wurde der Antragstellerin am 26. Jänner 2006 zugestellt. Ein Auftrag, darauf zu replizieren, erging seitens des Verwaltungsgerichtshofes nicht.

Mit Erkenntnis vom 24. Februar 2006 hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde der Antragstellerin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen.

Mit dem gegenständlichen Antrag begehrt die Antragstellerin die Wiederaufnahme des Verfahrens aus dem Grund des § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG und macht hiezu im Wesentlichen Folgendes geltend:

Sie habe auf den ihr zugestellten Schriftsatz der Mitbeteiligten vom 20. Jänner 2006 eine Replik verfasst und am 22. März 2006 an den Verwaltungsgerichtshof gesandt, diese Replik habe naturgemäß nicht mehr berücksichtigt werden können. Die von der Mitbeteiligten vorgelegten Gutachten von Köck/Janko und von Scheiring hätten den Verwaltungsgerichtshof in der Tendenz seiner Entscheidung beeinflusst. Die Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes, dass Art. 9 des Protokolls "Bodenschutz" nicht jedes - auch noch so kleine und unbedeutende - Moor schützen solle, entspreche "in Bezug auf die Größe eines Hoch- oder Flachmoores, das von Beeinträchtigungen nicht zu verschonen sei - der von Scheiring geäußerten Auffassung. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich hinsichtlich der Auslegung dieser Protokollsbestimmung der Rechtsansicht der mitbeteiligten Partei bzw. der belangten Behörde angeschlossen. Entsprechend der Argumentation der Mitbeteiligten habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass das "Schönangerl" an seinem bisherigen Standort der Verlandung ausgesetzt sei. Diese Feststellung wäre unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 22. März 2006 als falsch zu beurteilen gewesen. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten wäre es erforderlich gewesen, der Antragstellerin mitzuteilen, dass eine Replik auf den Schriftsatz der Mitbeteiligten vom 20. Jänner 2006 nur berücksichtigt werden könne, wenn sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einlange. Ebenso wäre der Verwaltungsgerichtshof verpflichtet gewesen darauf hinzuweisen, dass er beabsichtige, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen. Bei der komplexen Sach- und Rechtslage sei die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Verhandlung nicht erforderlich sei, überdies nicht nachvollziehbar. Der tatsächlich zur Verfügung gestandene Zeitraum zwischen der Zustellung des Schriftsatzes der Mitbeteiligten samt den beiden Rechtsgutachten am 26. Jänner 2006 und der Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof am 24. Februar 2006 sei für eine fundierte Replik zu kurz gewesen. Der nicht mehr berücksichtigte Schriftsatz der Antragstellerin vom 22. März 2006 enthalte "Rechtstatsachen und Erwägungen" welche zu einem anders lautenden Erkenntnis geführt hätten.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, dass sonst das Erkenntnis oder der Beschluss anders gelautet hätte.

Eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichtshofes, dem Beschwerdeführer eine weitere Stellungnahme zu einem Schriftsatz aufzutragen, besteht bei einer Bescheidbeschwerde mit Ausnahme einer Anfrage nach § 41 VwGG nicht. Die Einräumung von Parteiengehör zur Auslegung von gesetzlichen Bestimmungen durch den Verwaltungsgerichtshof ist nicht erforderlich. Die Rechtseinrichtung der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG bietet keine Handhabe, eine vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis geäußerte Rechtsansicht zu bekämpfen (vgl. zum Ganzen die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit 3, 641 ff zitierte hg. Judikatur zu § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG).

Auf Grundlage dieser Judikatur bestand für den Verwaltungsgerichtshof kein Anlass, der Antragstellerin zum Vorbringen der Mitbeteiligten im Schriftsatz vom 20. Jänner 2006 - allenfalls im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - Parteiengehör einzuräumen.

Die Feststellungen, dass das Abbaugebiet nicht in einem Schutzgebiet liegt und dass das "Schönangerl" an seinem bisherigen Standort von der Verlandung bedroht ist ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid und wurden von den Parteien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht bestritten. Die drohende Verlandung des "Schönangerls" ohne menschliches Zutun wird im Übrigen sogar im dem gegenständlichen Antrag beiliegenden vom Verwaltungsgerichtshof nicht mehr berücksichtigten Schriftsatz der Antragstellerin vom 22. März 2006 zugestanden. Die Frage, ob das "Schönangerl" in der Salzburger Biotopkartierung enthalten ist, wurde (weil rechtlich unerheblich) im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht gelöst. Beim weiteren Vorbringen der Mitbeteiligten im Schriftsatz vom 20. Jänner 2006 (und in den vorgelegten Rechtsgutachten) handelte es sich um bloße Rechtsausführungen. Im Übrigen hat sich der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht der Mitbeteiligten, dass die in den Protokollen zur Alpenkonvention enthaltene Erhaltungspflicht der "Verlegung" des "Schönangerls" schon deshalb nicht entgegenstehe, weil keine Erhaltung an Ort und Stelle gefordert werde, nicht angeschlossen. Die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Durchführungsprotokolle zur Alpenkonvention hat der Verwaltungsgerichtshof dahinstehen lassen.

Der Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG ist daher schon deshalb nicht gegeben, weil keine Verletzung der Vorschriften über das Parteiengehör vorliegt.

Der Antrag war daher abzuweisen.

Hinzugefügt sei, dass entgegen der Ansicht der Antragstellerin keine Verpflichtung des Verwaltungsgerichtshofes besteht, einer Partei mitzuteilen, dass eine allenfalls - ohne diesbezüglichen Auftrag - erstattete Replik zu einem Schriftsatz bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einzubringen ist, ebenso wenig besteht eine Verpflichtung, den Parteien mitzuteilen, dass von der beantragten Durchführung einer Verhandlung abgesehen werde.

Wien, am 15. September 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006040049.X00

Im RIS seit

15.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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