TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/10 2002/03/0240

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Veröffentlicht am 10.10.2006
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E07204010;
E3L E13301800;
E3L E15102050;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
99/03 Kraftfahrrecht;

Norm

31994L0055 Gefahrguttransport-RL AnlA;
31994L0055 Gefahrguttransport-RL AnlB;
31994L0055 Gefahrguttransport-RL Art3;
31994L0055 Gefahrguttransport-RL Art4;
31994L0055 Gefahrguttransport-RL Art5;
31994L0055 Gefahrguttransport-RL Art6;
31994L0055 Gefahrguttransport-RL Art8;
31996L0086 Nov-31994L0055 Art1;
31999L0047 Nov-31994L0055;
ADR 1973;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
EURallg;
VStG §24;
VStG §45 Abs1;
VStG §45;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des K A in S, vertreten durch Raits Ebner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Ignaz-Rieder-Kai 11c, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 8. Juli 2002, Zl UVS-5/11280/4-2002, betreffend Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes,

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Behandlung der Beschwerde wird hinsichtlich der im erstinstanzlichen Bescheid unter Spruchpunkt 3 angeführten Verwaltungsübertretung abgelehnt.

II. zu Recht erkannt:

Hinsichtlich der im erstinstanzlichen Bescheid unter den Spruchpunkten 4 und 5 angeführten Verwaltungsübertretungen wird der angefochtene Bescheid einschließlich des darauf entfallenden Kostenanteils wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen, also hinsichtlich der im erstinstanzlichen Bescheid unter Spruchpunkt 1 angeführten Verwaltungsübertretung, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Im erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe am 20. Dezember 2001 um

12.20 Uhr an einem näher angegebenen Ort in Schwechat bezüglich eines nach den Kennzeichen bestimmten Sattelkraftfahrzeuges folgendes Fehlverhalten gesetzt:

"1. Sie haben es als nach außen zur Vertretung berufenes Organ der Firma K GmbH, mit Sitz in S, nämlich als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass die Firma als Beförderer das Gefahrgut (Leeres Tankfahrzeug, Klasse 9 Z. 71 ADR, letztes Ladegut UN 3257 Ziffer 20c ADR) befördert hat, obwohl bei der Beförderung kein der RN 2002(3)a ADR entsprechendes Beförderungspapier mitgeführt wurde. Es fehlten im vorgewiesenen Beförderungspapier folgende Elemente: Kennzeichnungsnummer (Stoffnummer, UN-Nummer); Konformitätserklärung nach RN 2002(9) ADR; die Bezeichnung des gefährlichen Gutes laut Stoffaufzählung; Klasse des ADR; Ziffer; Buchstabe.

2. Sie haben es als nach außen zur Vertretung berufenes Organ der Firma K GmbH, mit Sitz in S, nämlich als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass die Firma als Beförderer das Gefahrgut (Leeres Tankfahrzeug, Klasse 9 Z. 71 ADR, letztes Ladegut UN 3257 Ziffer 20c ADR) befördert hat, obwohl bei der Beförderung die in RN 10282 genannte Bescheinigung der besonderen Zulassung jeder Beförderungseinheit oder jedes ihrer Teile nicht mitgeführt wurde.

3. Sie haben es als nach außen zur Vertretung berufenes Organ der Firma K GmbH, mit Sitz in S, nämlich als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass die Firma als Beförderer das Gefahrgut (Leeres Tankfahrzeug, Klasse 9 Z. 71 ADR, letztes Ladegut UN 3257 Ziffer 20c ADR) befördert hat, obwohl die Verwendung des Fahrzeuges nicht zulässig war, da gemäß § 6 Z. 4 GGBG die Verwendung des Fahrzeuges zur Beförderung eines gefährlichen Gutes nur zulässig ist, wenn an ihnen die aufgrund der gemäß § 2 GGBG in Betracht kommenden Vorschriften vorgeschriebenen Gefahrzettel angebracht sind. Entgegen RN 3900(4) ADR waren die Aufschrift auf dem Gefahrzettel nach Muster 9 auf der rechten Außenseite des Fahrzeuges wegen Verschmutzung und Beschädigung nicht mehr gut lesbar.

4. Sie haben es als nach außen zur Vertretung berufenes Organ der Firma K GmbH, mit Sitz in S, nämlich als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass die Firma als Beförderer das Gefahrgut (Leeres Tankfahrzeug, Klasse 9 Z. 71 ADR, letztes Ladegut UN 3257 Ziffer 20c ADR) befördert hat, obwohl die Verwendung des Fahrzeuges nicht zulässig war, da gemäß § 6 Z. 4 GGBG die Verwendung des Fahrzeuges zur Beförderung eines gefährlichen Gutes nur zulässig ist, wenn an ihnen die aufgrund der gemäß § 2 GGBG in Betracht kommenden Vorschriften vorgeschriebenen Aufschriften angebracht sind. Entgegen RN 211 960 iVm RN 270 000 ADR war der Tank nicht an beiden Seiten mit der im Anhang B.7 (RN 270 000) dargestellten Kennzeichnung gekennzeichnet. (Thermometer).

5. Sie haben es als nach außen zur Vertretung berufenes Organ der Firma K GmbH, mit Sitz in S, nämlich als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass die Firma als Beförderer das Gefahrgut (Leeres Tankfahrzeug, Klasse 9 Z. 71 ADR, letztes Ladegut UN 3257 Ziffer 20c ADR) befördert hat, obwohl bei der Beförderung keine der RN 10385(1) ADR entsprechende schriftliche Weisung vom Lenker mitgeführt wurde, da in der schriftlichen Weisung die Bezeichnung des Gutes nicht angegeben war und die vom Lenker zu seinen persönlichen Schutz zu verwendenden Mittel nicht angegeben waren."

Dadurch habe er folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

"1. Übertretung gemäß § 7(2) Z. 7 und 8 GGBG u. RN 2002(3)a und (9) ADR u. § 9(1) VStG

2. Übertretung gemäß § 7(2) Z. 8 GGBG u. RN 10381(2) lit. a ADR iVm § 9(1) VStG

3. Übertretung gemäß § 7(2) Z. 5 iVm § 6 Z. 4 GGBG u. RN 3900(4) ADR u. § 9(1) VStG

4. Übertretung gemäß § 7(2) Z. 5 u. § 6 Z. 4 GGBG u. RN 211 960 ADR u. § 9(1) VStG

5. Übertretung gemäß § 7(2) Z. 7 und 8 GGBG u. RN 10385(1) ADR u. § 9(1) VStG"

Von der Erstbehörde wurden deshalb gegen den Beschwerdeführer folgende Verwaltungsstrafen verhängt:

"1.

Strafe gemäß:

Ersatzfreiheitsstrafe:

§ 27(1) Z. 1 GGBG

120 Stunden

Euro

1100,00

2.

Strafe gemäß:

Ersatzfreiheitsstrafe:

§ 27(1) Z. 1 GGBG

96 Stunden

Euro

730,00

3.

Strafe gemäß:

Ersatzfreiheitsstrafe:

§ 27(1) Z. 1 GGBG

96 Stunden

Euro

730,00

4.

Strafe gemäß:

Ersatzfreiheitsstrafe:

§ 27(1) Z. 1 GGBG

96 Stunden

Euro

730,00

5.

Strafe gemäß:

Ersatzfreiheitsstrafe:

§ 27(1) Z. 1 GGBG

96 Stunden"

Euro

730,00

1.2. Über die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid entschieden. Der Spruch des angefochtenen Bescheids lautet wie folgt:

"Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird ... der Berufung insoweit Folge gegeben, als Spruchpunkte 2 und 4 des bekämpften Straferkenntnisses behoben werden. Zu Spruchpunkt 2 wird das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Ziffer 2 VStG eingestellt. Eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu Spruchpunkt 4 wird hingegen nicht verfügt.

Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses wird vollinhaltlich bestätigt.

(Zu) Spruchpunkt 3 des Straferkenntnisses wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe in eine Ermahnung umgewandelt wird.

(Zu) Spruchpunkt 5 wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf Euro 365,-- im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 Stunden reduziert wird.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Beschuldigte zum Spruchpunkt 1 außer dem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von Euro 220,-- zu leisten, zu Spruchpunkt 5 für das erstinstanzliche Verfahren einen Kostenbeitrag in der Höhe von Euro 36,5 zu erbringen."

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Bei der öffentlichen Berufungsverhandlung am 7. Juni 2002, bei der die Meldungsleger als Zeugen einvernommen worden seien, hätten die Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, ein Vertreter des in Rede stehenden Unternehmens sowie ein Amtssachverständiger teilgenommen.

Bezüglich des Spruchpunktes 1 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sei unbestritten, dass sich das bei der Anhaltung vorgelegte kopierte Papier "CMR" auf das beladene Fahrzeug bezogen habe, für die Fahrt zur Reinigung von der Entladestelle zur Reinigungsfirma sei das Fahrzeug ohne Papiere gefahren. Der Amtssachverständige habe festgestellt, dass der kopierte Frachtbrief nicht den Vorschriften des Beförderungspapiers gemäß RN 2002 Abs 3 ADR entsprochen habe. Dem sei von der Vertreterin des Beschwerdeführers nicht widersprochen worden. Es hätte aber auch für diese Fahrt ein Beförderungspapier mitgeführt werden müssen, das für ein leeres, ungereinigtes Tankfahrzeug vorgesehen sei. Die Fahrt zur Reinigung sei "keine geeignete Maßnahme", die eine Fahrt ohne Beförderungspapier ermöglichen würde. Erst nachdem das Fahrzeug gereinigt worden sei, unterliege bei Leerfahrten ein Gefahrengutfahrzeug nicht mehr den Bestimmungen des ADR. Auf Grund dieser Papiere sollten gegebenenfalls Einsatzkräfte feststellen, um welches Gefahrengut es sich handle und wie im Fall eines Unfalls vorzugehen sei. Gerade bei leeren, ungereinigten Gefahrguttransporten könnten sehr leicht entzündliche Luft-Gasgemische entstehen, die beim kleinsten Funken Feuer fangen könnten. Sei das Transportpapier nicht vorhanden, könnte im Fall eines Brandes niemand wissen, welche Gefahren dieser Brand mit sich bringe. Die Folgen, wenn ein derartiger Brand mit falschen Mitteln bekämpft würde, wären fatal. Nicht selten seien aus diesem Grund Personen unnötig zu Schaden gekommen. Die verhängte Strafe, die sich im untersten Bereich des Strafrahmens befinde, sei angemessen, da zumindest von fahrlässigem Verhalten auszugehen sei.

Der dem Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zugrunde liegende Tatvorwurf sei auf dem Boden der Ergebnisse der öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Unrecht erfolgt.

Zu dem im Spruchpunkt 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zugrunde liegenden Tatvorwurf habe der Zeuge auf das der Anzeige beigelegte Lichtbild verwiesen, aus dem hervorgehe, dass der Gefahrzettel beschädigt und nicht mehr gut erkennbar gewesen sei. Die Vertreter des Beschwerdeführers habe ua angegeben, dass auf dem Bild zwar Kratzer vorhanden gewesen seien, der Gefahrzettel aber erkennbar gewesen wäre. Der Vertreter der Firma K habe angegeben, dass unmittelbar nach der Beanstandung dieser Gefahrzettel ausgetauscht worden wäre, und zwar auch bei allen anderen Fahrzeugen, die ähnliche Gefahrzettel mitgeführt hätten. Der Amtssachverständige habe ausgeführt, dass der Gefahrzettel als Symbol erkennbar gewesen wäre; nach dem ADR wäre aber erforderlich, dass der Gefahrzettel deutlich sichtbar wäre und so wie in den vorgeschriebenen Mustern gemäß Anhang 9 im ADR auszusehen hätte. Der gegenständliche Gefahrzettel wäre zum Teil stark beschädigt gewesen bzw würde ihm die schwarze Umrandung zum Teil ganz gefehlt haben. Festzuhalten sei aber weiters, dass diese Gefahrzettel sowohl auf der linken und hinteren Seite des Fahrzeugs anzubringen seien, diese Gefahrzettel seien nicht beanstandet worden. Da das Verschulden des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall geringfügig gewesen sei und die Folgen der Übertretung unbedeutend seien, habe mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden können.

Der Tatvorwurf zu Spruchpunkt 4 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sei (auf dem Boden der mündlichen Verhandlung) zu Unrecht erfolgt, daher sei dieser Spruchpunkt aufzuheben und das Verfahren einzustellen gewesen.

Bezüglich des Spruchpunktes 5 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde festgehalten, dass das Merkblatt für den Straßentransport in deutscher, französischer oder englischer Sprache abzufassen sei. Die Angabe des Stoffes sei in italienischer Sprache gehalten gewesen, weshalb diese nicht den Anforderungen des ADR entsprochen habe. Dem zweiten Teil des Vorwurfs, wonach die vom Lenker zu seinem persönlichen Schutz zu verwendenden Mitteln nicht angegeben gewesen wären, müsse (aber) widersprochen werden, weil alle anderen Voraussetzungen für ein gültiges Papier gegeben gewesen seien. Die Strafe sei daher herabzusetzen gewesen.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu I.:

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates in einer Verwaltungsstrafsache durch Beschluss ablehnen, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 750,-- verhängt wurde und die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil sie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Voraussetzungen des § 33a VwGG in Ansehung der im erstinstanzlichen Bescheid unter Spruchpunkt 3 angeführten Verwaltungsübertretung gegeben sind, konnte die Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang abgelehnt werden.

Zu II.:

1. Zunächst ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit der in § 2 Z 1 lit a des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, BGBl I Nr 145/1998 (GGBG), idF BGBl I Nr 108/1999, genannten Richtlinie 94/55/EG des Rates vom 21. November 1994 idF der Richtlinie 1999/47/EG der Kommission vom 21. Mai 1999 die Regelungen des ADR in das Gemeinschaftsrecht umgesetzt wurden. Da der Inhalt dieser Richtlinien mit dem ADR übereinstimmt, wurde der Beschwerdeführer in keinen Rechten verletzt, wenn die belangte Behörde im Spruch die inhaltsgleichen Regelungen des ADR angeführt hat (vgl dazu etwa die hg Erkenntnisse vom 18. November 2003, Zl 2001/03/0342, und vom 18. März 2004, Zl 2001/03/0440). Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass die Ausdrücke "Anhang A" und "Anlage A" bzw "Anhang B" und "Anlage B" der Richtlinie 94/55/EG idF der Richtlinie 96/86/EG synonym verwendet werden und dies auch für die Richtlinie 1999/47/EG gilt, die im Übrigen bereits durch ABl Nr L 271 vom 21. Oktober 1999 dahin berichtigt wurde, dass es auf Seite 1 anstatt "Anhang" bzw "Anhänge" heißen müsse: "Anlage" bzw "Anlagen" (vgl das hg Erkenntnis vom 19. Oktober 2004, Zl 2003/03/0150). Vor diesem Hintergrund ist für den Beschwerdeführer mit seinem gegenläufigen Vorbringen (das zum Ergebnis gelangt, dass erst mit der Änderung des GGBG durch BGBl I Nr 86/2002 die Anlagen A und B des ADR zur Anwendung gelangen dürften) nichts gewonnen.

2. Zum Spruchpunkt 1 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hat der Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt, dass sich - wie im bekämpften Bescheid festgehalten - das mitgeführte Beförderungspapier auf das beladene, nicht aber auf das ungereinigte leere Tankfahrzeug bezogen hat. Dem Einwand, dass gemäß "Klasse 9 Z 71 Bemerkung 2. ADR" ... ungereinigte leere Tankfahrzeuge, die Stoffe der Ziffer 20c enthalten haben, nicht den Vorschriften des ADR" unterlägen, wenn geeignete Maßnahmen ergriffen worden seien, um mögliche Gefährdungen auszuschließen, und eine solche geeignete Maßnahme im konkreten Fall dadurch ergriffen worden sei, dass sich das Fahrzeug auf der Fahrt von der Abladestelle zur Reinigung bei der Betriebsstätte eines näher genannten Unternehmens in Schwechat befunden habe, ist entgegenzuhalten, dass die Fahrt zur Reinigung die vor der Reinigung durch das ungereinigte Fahrzeug gegebene Gefährdung nicht auszuschließen vermag und mit der Fahrt zur Reinigung somit keine geeignete Maßnahme dargetan werden kann, die dahin hätte beurteilt werden können, dass sie eine mögliche Gefährdung ausschlösse.

3. Bezüglich des Spruchpunktes 4 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses war die belangte Behörde im Grund des § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG gehalten, in der Sache selbst zu entscheiden, zumal im Beschwerdefall kein Anhaltspunkt für die in § 66 Abs 4 AVG vorgesehenen anderen Entscheidungsmöglichkeiten gegeben war. Die Behörde hat es aber unterlassen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn sie zwar diesen Spruchpunkt 4 (ersatzlos) behoben, das Verwaltungsstrafverfahren aber nicht gemäß § 45 VStG eingestellt hat, weil damit das Verwaltungsstrafverfahren betreffend diesen Spruchpunkt ohne eine von der Behörde getroffene Sachentscheidung offen geblieben ist. Derart hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Im Übrigen macht der Beschwerdeführer auch zu Recht geltend, dass die im Spruch des bekämpften Bescheids bezüglich dieses Spruchpunktes 4 enthaltene Anordnung, dass diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren nicht eingestellt werde, mit der Bescheidbegründung, dass das Verfahren zu diesem Spruchpunkt einzustellen gewesen sei, in einem Widerspruch steht. Auch dieser Widerspruch stellt einen wesentlichen, den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastenden Mangel dar (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl 98/03/0035), zumal die Einstellung des Verfahrens zur Folge hat, dass eine Bestrafung wegen derselben Tat (auch unter Anwendung einer anderen Verwaltungsvorschrift) den Grundsatz "ne bis in idem" verletzt und deshalb inhaltlich rechtswidrig ist (vgl das hg Erkenntnis vom 8. November 2000, Zl 99/04/0115).

3. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides zwar ausgeführt, dass bezüglich des Spruchpunktes 5 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses dem Beschwerdeführer der (näher bezeichnete) zweite Teil des in diesem Spruchpunkt enthaltenen Tatvorwurfs nicht anzulasten sei, im Spruch des angefochtenen Bescheids aber bezüglich dieses Spruchpunktes 5 lediglich die Strafe herabgesetzt und bezüglich des diesem Spruchpunkt unterliegenden Tatvorwurfes keine Änderung vorgenommen. Damit hat die belangte Behörde auf dem Boden der Bescheidbegründung aber dem Beschwerdeführer den dem Spruchpunkt 5 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses unterliegenden Tatvorwurf zu Unrecht zur Gänze aufrechterhalten und den angefochtenen Bescheid schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 leg cit iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

Wien, am 10. Oktober 2006

Schlagworte

BerufungsverfahrenRechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenInhalt der Berufungsentscheidung KassationGemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4AllgemeinGemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeInhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2002030240.X00

Im RIS seit

17.11.2006

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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