TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/10 2006/03/0092

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Veröffentlicht am 10.10.2006
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Index

L65000 Jagd Wild;
L65006 Jagd Wild Steiermark;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §825;
ABGB §863;
AVG §10 Abs2;
JagdG Stmk 1986 §24 Abs3;
JagdRallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des A F in L, vertreten durch Dr. Gerolf Haßlinger, Dr. Brigitte Haßlinger und Mag. Christian Planinc, Rechtsanwälte in 8530 Deutschlandsberg, Obere Schmiedgasse 7, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 13. April 2006, Zl 8.0 W 8/2006, betreffend Verpachtung einer Gemeindejagd (mitbeteiligte Parteien: 1. A Fl, in L, 2. Marktgemeinde W, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Gemeinderatsbeschluss der zweitmitbeteiligten Partei vom 2. Mai 2005 über die freihändige Verpachtung des Gemeindejagdgebietes "KG L" an die erstmitbeteiligte Partei für die Jagdpachtzeit vom 1. April 2007 bis 31. März 2013 gemäß § 24 Abs 3 und 6 des Stmk Jagdgesetzes 1986, LGBl Nr 23/1986, genehmigt.

Begründend führte die belangte Behörde - nach einer Darstellung der Rechtslage und des Verfahrensganges - im Wesentlichen aus, dass sich nach Prüfung der beiden eingereichten Pächtervorschläge ergeben habe, dass der Pächtervorschlag des Beschwerdeführers "von Grundeigentümern, welche ein Flächenausmaß von 130 ha 31 a 90 m2 vertraten", der Pächtervorschlag der erstmitbeteiligten Partei "von Grundstückseigentümern im Ausmaß von 152 ha 17 a und 88 m2 landwirtschaftlicher Fläche" unterzeichnet worden sei. Allen Unterschriften auf beiden Pächtervorschlägen sei das Datum der Unterfertigung beigefügt gewesen. "Auf Grund der zivilrechtlichen Vorgaben" sei "in jenen Fällen, in welchen Grundstückseigentümer für mehr als einen Pächtervorschlag ihre Unterschrift leisten, davon auszugehen, dass jene Willenserklärung als relevant heranzuziehen ist, welche zu einem späteren Zeitpunkt getätigt wurde". Deshalb sei ein Vergleich aller Unterschriften durchgeführt und das jeweils der Unterschrift beigefügte Datum als Entscheidungskriterium herangezogen worden. Auf Grund dessen habe sich ergeben, dass auf dem Pächtervorschlag der erstmitbeteiligten Partei insgesamt vier Unterschriften nicht zu werten gewesen seien, während auf dem Pächtervorschlag des Beschwerdeführers 32 Unterschriften nicht zu werten gewesen seien, weil sie zeitlich früher abgegeben worden seien. Es seien deshalb "letztendlich für den Vorschlag (der erstmitbeteiligten Partei) 151 ha 61 a und 52 m2 anrechenbar, während für den Pächtervorschlag (des Beschwerdeführers) lediglich 30 ha 39 a 79 m2 anrechenbar" gewesen seien.

Vorwürfe in anonymen Schreiben, wonach Grundstückseigentümer "unter Vorspiegelung falscher Verhältnisse zweimal zur Unterschriftsleistung verhalten" worden seien, hätten nicht verifiziert werden können, weil auf ein schriftliches Ersuchen der belangten Behörde an namentlich genannte Grundstückseigentümer, mitzuteilen, ob die anonymen Vorwürfe richtig seien, "keine Stellungnahme" eingegangen sei, die "in das Verfahren einfließen könnte".

Die "gemeindeamtliche Prüfung" habe ergeben, dass sich in der KG L insgesamt 219,50 ha "landwirtschaftskammerzugehöriger Fläche" befände.

Der Pächtervorschlag für die erstmitbeteiligte Partei sei von 56 der "82 in Frage kommenden kammerzugehörigen Landwirte" unterfertigt, was einen Anteil von 68,3 % darstelle. Diese Landwirte repräsentierten gleichzeitig eine anzurechnende Fläche von 151,60 ha, was einer anrechenbaren Fläche von 69 % entspreche.

Da deshalb sowohl die notwendige Flächen- als auch Personenmehrheit vorliege, sei der Gemeinderatsbeschluss zu genehmigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die maßgebenden Bestimmungen des Stmk Jagdgesetzes 1986,

LGBl Nr 23/1986 (Stmk JG), lauten auszugsweise:

"Gemeindejagdgebiet

§ 8. (1) Die im Bereich einer Gemeinde bzw. Katastralgemeinde liegenden Grundstücke, hinsichtlich welcher dieBefugnis zur Eigenjagd überhaupt nicht besteht, oder nicht nach § 10 in Anspruch genommen wird, bilden, je nachdem die Jagdausübung einheitlich in der ganzen Gemeinde oder getrennt nach Katastralgemeinden stattfindet, das Gemeindejagdgebiet.

...

Freihändige Verpachtung

§ 24. (1) Eine Gemeindejagd kann durch Beschluss des Gemeinderates auch unter Abstandnahme von der Verpachtung mittels öffentlichen Aufrufes (§ 16) im Wege des freien Übereinkommens (freihändig) an eine Person oder an eine Jagdgesellschaft, die nicht gemäß § 15 von der Pachtung ausgeschlossen sind, dann verpachtet werden, wenn eine derartige Verpachtung im Interesse der vertretenen Grundbesitzer (§ 13 Abs. 1) gelegen ist.

...

(3) Wird von mehr als der Hälfte der im Sinne des Landwirtschaftskammergesetzes, LGBl. Nr. 14/1970, in der jeweiligen Fassung, kammerzugehörigen Grundbesitzer vor Beginn des vorletzten Jagdjahres der laufenden Pachtperiode unter Verwendung der für das Einspruchsverfahren vorgesehenen Formblätter (Abs. 2) ein Pächtervorschlag für die freihändige Vergabe eingebracht, so hat der Gemeinderat diesem Vorschlag binnen 4 Wochen zu entsprechen, wenn diese Grundbesitzer gleichzeitig Eigentümer von mehr als der Hälfte der im Gemeindejagdgebiet gelegenen Grundfläche der kammerzugehörigen Grundeigentümer sind. Für das weitere Verfahren gelten die Bestimmungen der Abs. 4 bis 8 sinngemäß. Der Vorschlag hat außer dem Namen des Pächters die Verpachtungsbedingungen und die Einverständniserklärung des vorgeschlagenen Pächters zu enthalten. Über den dem Pächtervorschlag entsprechenden Gemeinderatsbeschluss ist kein Einspruchsverfahren durchzuführen.

...

(6) Der Bürgermeister hat den Gemeinderatsbeschluss samt Begründung und allfälligen Einwendungen der Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen, die dem Gemeinderatsbeschluss die Genehmigung zu versagen hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Art der Jagdverpachtung nicht gegeben sind oder die geltendgemachten Gründe nicht dem Interesse der vertretenen Grundbesitzer (§ 13 Abs. 1) entsprechen. Liegt ein Beschluss im Sinne des Abs. 4 vor, kann die Genehmigung nur aus den Gründen des § 15 versagt werden.

...

(8) Gegen den Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde ist eine Berufung unzulässig."

§ 4 des Gesetzes vom 29. Oktober 1969 über die Kammern für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark, LGBl Nr 14/1970 (Stmk LandwirtschaftskammerG), lautet auszugsweise:

"Persönlicher Wirkungsbereich (Kammerzugehörigkeit)

(1) Der Wirkungsbereich der Kammern erstreckt sich auf folgende natürliche und juristische Personen (Kammerzugehörige):

a) die Eigentümer, Fruchtnießer und Pächter in Steiermark gelegener land- und forstwirtschaftlicher Betriebe im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 1 des Grundsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 149, sowie die Eigentümer, Fruchtnießer und Pächter in Steiermark gelegener Grundstücke im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 2 des Grundsteuergesetzes 1955, soweit es sich um unbebaute Grundstücke handelt, die nachhaltig land- und forstwirtschaftlich genutzt werden und für die aus diesem Grunde die für land- und forstwirtschaftliche Betriebe vorgesehene Abgabe im Sinne des Bundesgesetzes vom 14. Juli 1960, BGBl. Nr. 166, zu entrichten ist, wenn diese Personen die Land- und Forstwirtschaft auf eigene Rechnung im Hauptberuf betreiben;

b) wenn sie nicht schon unter lit. a einzureihen sind, die Eigentümer, Fruchtnießer und Pächter in Steiermark gelegener land- und forstwirtschaftlicher Betriebe im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 1 des Grundsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 149, sowie die Eigentümer, Fruchtnießer und Pächter in Steiermark gelegener Grundstücke im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 2 des Grundsteuergesetzes 1955, soweit es sich um unbebaute Grundstücke handelt, die nachhaltig land- und forstwirtschaftlich genutzt werden und für die aus diesem Grunde die für land- und forstwirtschaftliche Betriebe vorgesehene Abgabe im Sinne des Bundesgesetzes vom 14. Juli 1960, BGBl. Nr. 166, zu entrichten ist, sofern das Ausmaß des Betriebes oder Grundstückes mindestens 1 Hektar beträgt;

..."

Ein Pächtervorschlag entspricht also nur dann § 24 Abs 3 Stmk JG, wenn er

1. von mehr als der Hälfte der kammerzugehörigen Grundbesitzer (vor Beginn des vorletzten Jagdjahres der laufenden Pachtperiode unter Verwendung gewisser Formblätter) eingebracht wurde und

2. diese gleichzeitig Eigentümer von mehr als der Hälfte der im Gemeindejagdgebiet gelegenen Grundfläche der kammerzugehörigen Grundeigentümer sind (vgl das hg Erkenntnis vom 25. Jänner 2006, Zl 2005/03/0187, mwN).

Das Gesetz erfordert also eine doppelte, sowohl personen- als auch flächenbezogene Mehrheit.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, es liege sowohl die notwendige Personen- als auch Flächenmehrheit vor; beides aber wurde nicht nachvollziehbar begründet.

Was die Frage der Anzahl der kammerzugehörigen Landwirte angeht, hat die belangte Behörde sich mit der bloßen Behauptung begnügt, es kämen insgesamt 82 "in Frage"; 56 davon hätten den mit dem angefochtenen Bescheid genehmigten Pächtervorschlag unterfertigt. Der Beschwerdeführer zeigt die Relevanz dieses Begründungsmangels auf, indem er darauf hinweist, dass 25 (im Einzelnen genannte) Personen Eigentümer von Flächen im Ausmaß von lediglich weniger als 1 ha seien, weshalb diese Personen im Sinne des § 4 des Stmk LandwirtschaftskammerG nicht "automatisch" als kammerzugehörig anzusehen seien.

Zwar ist es hinsichtlich der "Kammerzugehörigkeit" nicht etwa erforderlich, dass die im Gemeindejagdgebiet gelegenen Grundflächen schon für sich die Zugehörigkeit ihrer Eigentümer zur Kammer begründen, vielmehr reicht es, dass der Eigentümer solcher Flächen kammerzugehörig ist, auch wenn etwa das Eigentum an den im Gemeindejagdgebiet gelegenen Flächen allein (etwa wegen eines 1 ha nicht übersteigenden Ausmaßes) die Kammerzugehörigkeit nicht begründen würde. Das bedeutet, dass Grundstücke mit einer 1 ha nicht übersteigenden Fläche nicht von Vornherein unberücksichtigt bleiben dürfen, aber auch, dass bei Miteinbeziehung solcher "Kleinflächen" nachvollziehbar darzustellen ist, warum deren Eigentümer (etwa wegen Eigentums an weiteren Flächen außerhalb des Gemeindejagdgebietes) kammerzugehörig sind. Die von der belangten Behörde - in der Gegenschrift - angestellten Mutmaßungen (es könne auf Grund der Wohnsitze "im Regelfall davon ausgegangen werden, dass .... in anderen Bereichen .... die Hauptbetriebsflächen vorhanden sind"), können begründete Feststellungen nicht ersetzen.

Bei Ermittlung der notwendigen Mehrheiten wird weiters zu beachten sein, dass kammerzugehörige ideelle Miteigentümer als Miteigentümergemeinschaft im Sinne der §§ 825 ff ABGB nur als eine Person zu zählen sind, wenn sie einen Pächtervorschlag einbringen. Die Berücksichtigung eines solchen Pächtervorschlages als für die Miteigentümergemeinschaft wirksam setzt im Übrigen voraus, dass er zumindest von der Mehrheit der Miteigentümer eingebracht wird. Im Fall des Bestehens von Hälfteeigentum reicht also die Unterschrift bloß eines der Miteigentümer nicht, es sei denn, er wäre vom anderen dazu bevollmächtigt worden. Mangels der Statuierung vom allgemeinen Zivilrecht abweichender Regeln im Stmk JG gilt für die Vollmachtserteilung grundsätzlich Formfreiheit, sodass eine schriftliche Vollmachtsurkunde nicht nötig ist. Vielmehr kann die Vollmacht des zweiten Hälfteigentümers an den die Unterschrift leistenden anderen Hälfteeigentümer auch mündlich oder konkludent (§ 863 ABGB) erteilt werden. Der Vertreter muss allerdings schon im Zeitpunkt seines Handelns zumindest schlüssig zu erkennen geben, dass er als Vertreter für eine bestimmte Person tätig wird (vgl das hg Erkenntnis vom 25. Jänner 2006, Zl 2005/03/0183, mwN).

Ausgangspunkt für die Ermittlung der Flächenmehrheit ist entsprechend § 24 Abs 3 Stmk JG die Gesamtfläche der (im Gemeindejagdgebiet gelegenen) Grundfläche der kammerzugehörigen Grundstückseigentümer, wozu also auch nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen zu zählen sind (vgl das hg Erkenntnis vom 27. September 1989, Slg Nr 13.013/A).

Zur nachvollziehbaren Darlegung der Erfüllung der Voraussetzungen des § 24 Abs 3 Stmk JG für den genehmigten Pächtervorschlag wäre es also notwendig, unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen festzustellen, welche Personen (kammerzugehörige Grundeigentümer im Gemeindejagdgebiet) den Pächtervorschlag unterstützt haben und von welchen - wie großen - Grundflächen diese Personen Eigentümer sind. Ausgehend von der nachvollziehbar festzustellenden Gesamtfläche der kammerzugehörigen Grundeigentümer im Gemeindejagdgebiet und der Gesamtanzahl von kammerzugehörigen Grundeigentümern kann dann geklärt werden, ob die notwendige Mehrheit besteht.

Da im angefochtenen Bescheid - wie gezeigt - eine überprüfbare Auseinandersetzung mit dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 24 Abs 3 Stmk JG fehlt, war er gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen: Die Umsatzsteuer ist im zugesprochenen Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits enthalten; die Eingabengebühr beträgt nur Euro 180,--.

Wien, am 10. Oktober 2006

Schlagworte

Jagdrecht und Jagdrechtsausübung Genossenschaftsjagd Gemeindejagd Gemeinschaftsjagd Ausübung und Nutzung Verpachtung Begründung Begründungsmangel Jagdrecht und Jagdrechtsausübung Genossenschaftsjagd Gemeindejagd Gemeinschaftsjagd Ausübung und Nutzung Pächter Besondere Rechtsgebiete Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Vertretungsbefugter Zurechnung Jagdrecht und Jagdrechtsausübung Verhältnis zu anderen Normen Materien Zivilrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006030092.X00

Im RIS seit

01.11.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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