TE Vfgh Erkenntnis 2002/6/19 B1500/01

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.2002
beobachten
merken

Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art23
EMRK Art10 Abs2
AHG §1
AHG §9
RAO §9
RL-BA 1977 §2

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt; vertretbare Annahme der Anwendung eines sachlich nicht gerechtfertigten Druckmittels zur Anspruchsdurchsetzung durch Einbringung einer Amtshaftungsklage gegen eine Richterin sowie unsachlicher Kritik an Gerichtsentscheidungen

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe die Disziplinarvergehen der "Berufspflichtunterlassung" und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen, weil er

1.) in einem von ihm verfaßten Antrag zu GZ 49 E2932/98v des BG für ZRS Graz vom 28. Juni 1998 auf Seite 4 wie folgt ausgeführt hat:

        "... sind die einstweiligen Vorkehrungen vom 5.4.1998, mit

dem Bauverbot, zur Sicherung eines Wiederherstellungsanspruches

ebenso, aber auch die Beschlüsse des Exekutionsgerichts vom 18.5. und

26.5.1998 Schadenersatz auslösende Fehlentscheidungen des BG für ZRS

Graz. ... Da die Exekutionsführung zur Erzwingung eines Baustops im

kontradiktorischem Widerspruch mit dem Sinn des

Wiederherstellungsbegehrens im Endbeschluß des

Besitzstörungsverfahrens steht, die Wiederherstellung des früheren

Zustandes nachhaltig durch Beugestrafen verhindert wird, liegt

schikanöser Rechtsmißbrauch der betreibenden Partei unter Mitwirkung

des Exekutionsgerichtes vor",

sowie weil er 2.) Amtshaftungsklagen (auch) gegen die Richterinnen Mag. S J und Dr. K F-E zu GZ 22 Cg 157/98g des Landesgerichtes für ZRS Graz eingebracht hat.

Über den Beschwerdeführer wurde hiefür eine Geldbuße in der Höhe von S 20.000,- verhängt.

Dem Erkenntnis des Disziplinarrates lagen folgende Feststellungen zugrunde:

"Dr. G I ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 440 KG 63105 Gries bestehend unter anderem aus den Grundstücken Nr. 739/1, 742/2, 742/1, welche in der Natur gemeinsam mit den im Eigentum der Grazer Wechselseitigen Versicherung stehenden Grundstücken-Nr. 743, 744 (je der EZ 442 KG 63105) eine einheitliche teils von diversen Personen, teils auch von der Fa. Billa AG aufgrund des Mietvertrages vom 11.4.1978 gemietete Hoffläche, genützt als Kundenparkplatz der Fa. Billa darstellen und die die Liegenschaftsadresse Annenstraße 23/Elisabethinergasse 2-8, 8020 Graz aufweisen; für ortskundige als der sogenannte Roseggerhauskomplex bekannt.

Die Parkfläche im Hofbereich dieses Gebäudekomplexes ist teils von mehrstöckigen Gebäuden (unter anderem auch der UCI Kinowelt, Annenhofkino mit einer Kapazität von 2.000 Sitzplätzen) begrenzt.

Unbestrittenermaßen liegt für die Errichtung auf der obgenannten Hof- und Parkfläche eine bau- und gewerbebehördliche Bewilligung zur Errichtung einer zweigeschossigen Tiefgarage vor.

Weiters unbestrittenermaßen war die Fa. Billa AG langfristig in Kenntnis (auch durch Ladung zu dem behördlichen Verfahren) der beabsichtigten Errichtung einer Tiefgarage, jedoch lag feststellungsgemäß eine ausdrückliche Zustimmung der Bestandnehmerin Billa AG zur Errichtung einer Tiefgarage nicht vor.

Unbestrittenermaßen ist weiters davon auszugehen, daß nach projektgemäßer Ausführung der Tiefgaragenerrichtung der vormalige Zustand wieder hergestellt worden wäre bzw. auch in Zukunft offenbar noch werden kann, sodaß offenbar der von der Fa. Billa AG in Bestand genommene Parkplatz lediglich für die Dauer der Bautätigkeit nicht zur Verfügung gestanden hätte.

Am 2.3.1998 begann Dr. GI durch ein befugtes beauftragtes Unternehmen mit der projektgemäßen Ausführung des Tiefgaragenbaues, insbesondere durch Entfernung der Parkplatzeinrichtungen, der Asphaltdecke und Ausheben der mehrere Meter tiefen (Anmerkung: weit unter die Fundamentplatten der benachbarten Gebäude reichenden) Baugrube.

Hiegegen wehrte sich die Fa. Billa AG, vertreten durch Dr. W V, Rechtsanwalt in 1010 Wien, durch Einbringung einer Besitzstörungs- und Bauverbotsklage verbunden mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Vorkehrung, gegen Dr. G I, dieser rechtsfreundlich vertreten durch den DB [Disziplinarbeschuldigten], und Mitbeklagten, welche Verfahren zu 5 C124/98 des BG für ZRS Graz anhängig wurden:

-

Die in Rechtskraft erwachsene einstweilige Vorkehrung vom 5.4.1998 verbietet Dr. G I und den Mitbeklagten im wesentlichen die Fortsetzung der begonnenen Bauarbeiten, insbesondere den weiteren Aushub der Baugrube zur Errichtung einer Tiefgarage.

Der in Rechtskraft erwachsene Endbeschluß vom 30.4.1998 stellt den Besitzstörungstatbestand fest und trägt dem Beklagten, Dr. G I, die Wiederherstellung des vormaligen Zustandes binnen einer (nach Rekurs verlängerten) Frist von 3 Monaten durch Wiederauffüllen der Baugrube, Wiederherstellung der Asphaltdecke, Wiedererrichtung des Kassenhäuschens und der elektrisch bedienbaren Schranke auf.

Wegen Nichtvornahme dieser gerichtlich angeordneten Handlungen stellte die klagende Fa. Billa AG Exekutionsanträge, auf Erlag von Sicherheitsleistungen, und auch diverse Geldbußen wurden verhängt.

In weiterer Folge stellte der DB als rechtsfreundlicher Vertreter des Dr. G I zu obigen Verfahren zahlreiche Anträge auf Aufhebung und Einschränkung der erlassenen einstweiligen Vorkehrung.

Hintergrund dieser Anträge ist die offensichtliche Kenntnis des Dr. G I bzw. des DB des Gutachtens des DI Dr. K S, Zivilingenieur für Bauwesen, vom 15.4.1998 und vom 6.7.1998, welches im wesentlichen festhält, daß der Zustand der Baugrube bereits erhebliche Ausschwemmungen (offenbar gemeint Unterschwemmungen der Fundamentplatten benachbarter Gebäude) aufweist, weitere Unterspülungen eintreten werden und bei Fortdauer des Baustopps mit erheblichen Gefahren der freiliegenden Fundamente und des darüberliegenden Mauerwerks zu rechnen sei.

Mit rechtskräftigem Bescheid des Magistrates Graz, Baupolizeiamt zu GZ: A10/3-C-16.287/1996-13 vom 31.7.1998 wird an Dr. G I als Sicherungsmaßnahme der baupolizeiliche Auftrag erteilt, unverzüglich im wesentlichen

-

eine Bodenplatte mit Anschluß und Hochzug der Auswände (sowie hiezugehörige Wasserableitungen) bei der streitgegenständlichen Baugrube herzustellen

oder

andere geeignete Maßnahmen zur Stand- und Grundbruchsicherheit vorzunehmen,

Handlungen sohin, die anscheinend dem Inhalt der gerichtlichen Verfügung widersprechen:

Würde nun dem Auftrag des Endbeschlusses nachgekommen werden und bloß die Grube zugeschüttet, verletzt Dr. G I den behördlichen Bausicherungsauftrag, diesen wiederum kann er nicht erfüllen, weil die vom Gericht erlassene einstweilige Vorkehrung bzw. der Endbeschluß andere Handlungen auflegen und sich Dr. G I bei Befolgung des baupolizeilichen Auftrages sich gerichtsexekutiver Verfolgung aus der einstweiligen Vorkehrung bzw. dem Endbeschluß aussetzt.

Die diversen gestellten Anträge auf Aufhebung bzw. Einschränkung der einstweiligen Vorkehrung waren erfolglos.

Mit Sachbeschluß des BG für ZRS vom 22.9.1999 zu 5 Msch 71/98 f wurde hingegen der Fa. Billa der Auftrag erteilt (entsprechend näherer Konkretisierung im Spruch) die Errichtung einer Tiefgarage auf den streitgegenständlichen Grundstücken zu dulden.

Mit weiterem Beschluß zu 3 R 371/98 w des LG für ZRS Graz vom 21.12.1998 wurde die zu Msch 71/98 des BG für ZRS Graz beantragte und in I. Instanz abgewiesene einstweilige Verfügung des Dr. G I gegen die Fa. Billa teilweise Folge gegeben und der Fa. Billa aufgetragen, das Betreten der streitgegenständlichen Grundstücke sowie die Durchführung der mit Bescheid des Magistrates Graz vom 31.7.1998 aufgetragenen Sicherungsarbeiten zu gestatten.

Zufolge Nichteinhaltung obiger Duldungspflicht erging zu 10 E1190/99 des BG Mödling an Dr. G I die Ermächtigung zur Beseitigung von Hindernissen auf Kosten der verpflichteten Partei Fa. Billa.

Ein weiteres Verfahren wegen titelwidrigen Verhaltens gegen die Fa. Billa ist zu 10 E1516/99 s des BG Mödling anhängig geworden, worin am 9.3.1999 eine Tagsatzung stattfand.

Mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgericht, 3 R 371/98 w (5 Msch 71/98 f des BG für ZRS Graz als erstinstanzliches Verfahren) wurde zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei Dr. G I auf Durchführung von Sanierungsarbeiten an der Bauliegenschaft der Gegnerin der gefährdeten Partei, Firma Billa, unter anderem aufgetragen, sich jeder Störung der Durchführung dieser Sicherungsarbeiten zu enthalten, dies bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren 5 Msch 71/98 f des BG für ZRS Graz. Diese Entscheidung wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 23.2.1999, 5 OB 47/99 v, bestätigt.

V. Feststellungen zum Schuldspruch

1. Der DB hat im Exekutionsverfahren 49 E2932/98 v des Bezirksgerichtes für ZRS Graz als Vertreter der verpflichteten Partei, Dr. G I, gegen die betreibende Partei, Billa Aktiengesellschaft, vertreten durch Dr. C K, Dr. W V, wegen Unterlassung den mit 28.6.1998 datierten Antrag auf Einstellung des Exekutionsverfahrens gemäß §39 EO gestellt, welcher als ON 20 journalisiert wurde. In diesem Schriftsatz findet sich folgende Textpassage, welche der Ordnung halber vollständig wiedergegeben wird, wobei die inkriminierte Passage durch Fettdruck hervorgehoben wird. Punkt 2 dieses Schriftsatzes auf Seite 4 lautet: 'Wenn das Prozeßziel der Firma Billa auf Wiederherstellung eines ebenerdigen Parkplatzes, nahezu ident mit dem Bauvorhaben der Errichtung einer Tiefgarage mit ebenerdigem Parkdeck ist, alle Funktionen dieser Fläche wiederhergestellt werden, sind die einstweilige Vorkehrung vom 5.4.1998, mit dem Bauverbot, zur Sicherung eines Wiederherstellungsanspruches ebenso aber auch die Beschlüsse des Exekutionsgerichts vom 18.5. und 26.5.1998 Schadenersatz auslösende Fehlentscheidungen des BG für ZRS Graz.'

Ebenfalls auf Seite 4 dieses Schriftsatzes findet sich unter Punkt 5 nachstehende Textpassage: 'Da die Exekutionsführung zur Erzwingung eines Baustops im kontradiktorischem Widerspruch mit dem Sinn des Wiederherstellungsbegehrens im Endbeschluß des Besitzstörungsverfahrens steht, die Wiederherstellung des früheren Zustandes nachhaltig durch Beugestrafen verhindert wird, liegt schikanöser Rechtsmißbrauch der betreibenden Partei unter Mitwirkung des Exekutionsgerichtes vor.'

In seiner Einvernahme in der Disziplinarverhandlung vom 30.3.2000 hat der DB zu diesem Faktum Stellung genommen und seine Einschätzung bekräftigt, wonach die von ihm zitierten Entscheidungen, falsche Entscheidungen und sohin Fehlentscheidungen gewesen seien. Was den Vorwurf des schikanösen Rechtsmißbrauchs betrifft, hat der DB festgehalten, daß nach dem Endbeschluß im Besitzstörungsverfahren eine Wiederherstellung erfolgen soll, nämlich die eines ebenerdigen Parkplatzes. Den Zeugen in diesem (dem Besitzstörungs-) Verfahren habe das selbe Gericht in einem anderen Verfahren nicht geglaubt. Daher liege, nach Ansicht des DB, schikanöser Rechtsmißbrauch durch die Firma Billa vor. Die Mitwirkung des Gerichtes hat der DB anhand eines Beispieles erläutert, nämlich: wenn er ATS 1.000,-- bei der PSK überweist, wirkt die PSK an einer Überweisung mit. In diesem Sinne hat das Gericht eine Entscheidung im Sinne der Firma Billa erlassen und daher mitgewirkt.

2. Mit dem am 7.9.1998 datierten Schriftsatz hat der DB als Vertreter des Dr. G I zu 22 Cg 157/98 g des Landesgerichtes für ZRS Graz eine, auf den Rechtstitel des Schadenersatzes gestützte, Feststellungsklage, bewertet mit

ATS 500.000,-- gegen

a)

die Richterin Mag. S J

b)

die Richterin Dr. K F-E

c)

die Republik Österreich

eingebracht. Als Klagsgrund werden behauptete Fehlhandlungen der in den zahlreichen Verfahren des Dr. G I gegen die Firma Billa im Zusammenhang mit der Errichtung der sogenannten Rosegger-Tiefgarage tätigen Richterinnen angeführt, nämlich, wie im Urteilsbegehren präzisiert,

a) die Erlassung einer einstweiligen Vorkehrung vom 5.4.1998 zu 5 C124/98 y des BG für ZRS Graz

b) durch die Aufrechterhaltung dieser einstweiligen Vorkehrung über einen längeren Zeitraum, trotz der von Dr. G I gestellten Aufhebungsanträge

c) durch die Bewilligung der Exekutionsführung 49 E2932/98 v des BG für ZRS Graz, aufgrund der einstweiligen Vorkehrung vom 5.4.1998, 5 C124/98 y

d) durch die Bewilligung der Exekutionsführung 12 E9503/98 s des BG für ZRS Graz aufgrund des Endbeschlusses des BG für ZRS Graz vom 30.4.1998, 5 C124/98 y.

Wie ebenfalls im Urteilsbegehren angeführt, hätten die beiden Richterinnen, Mag. S J und Dr. K F- E, in bewußt gemeinsamen Zusammenwirken den Tatbestand der fahrlässigen Gemeingefährdung nach '177 StGB durch ihre richterlichen Handlungen vor dem 31.7.1998, den Tatbestand der vorsätzlichen Gemeingefährdung durch ihre richterlichen Handlungen nach dem 31.7.1998 nach §176 StGB in der Form begangen, daß durch die Ver- und Behinderung des mit Bescheid des Magistrates Graz, A10/3 Baupolizeiamt vom 31.7.1998, A10/3-C-16.287/1996 rechtskräftig und vollstreckbar erteilten Auftrages zur Durchführung von Sicherungsmaßnahmen als Gemeingefahr die Gefahr des Einsturzes der Baugrube Tiefgarage-Roseggerhaus in Graz, sodaß die Beklagten im Schadensfall zur ungeteilten Hand hierfür haften würden.

Im Rahmen seiner Beschuldigtenverantwortung hat der DB in der Disziplinarverhandlung vom 30.3.2000 dazu ausgeführt, daß mit dieser Feststellungsklage die Feststellung der beiden Richterinnen zur ungeteilten Hand mit der Republik Österreich für strafbares Verhalten begehrt werde. Trotz Amtshaftungsgesetz ist der DB der Auffassung, das eine persönliche Haftung der Richterinnen vorliegt. Die Klagen gegen die Richterinnen wurden zurückgewiesen, die Klage gegen die Republik Österreich wurde an das Landesgericht Klagenfurt delegiert. Da im Strafverfahren gegen einen Beamten eine Privatbeteiligung zulässig ist, resultiert daraus, nach der Einschätzung des Beschuldigten, das bei einer strafrechtlichen Handlung die Haftung eine andere ist als nach dem Amtshaftungsgesetz, sodaß bei deliktischer Haftung daher die Beamten persönlich haften und nach Ansicht des DB auch direkt geklagt werden könnten."

1.2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) vom 9. Juli 2001 keine Folge gegeben.

2. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung, sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer erachtet die im Disziplinarverfahren angewendete Bestimmung des §1 Abs1 Amtshaftungsgesetz (AHG), wonach nur der Rechtsträger und nicht das Organ dem Geschädigten haftet, sowie des §9 Abs5 AHG, wonach der Geschädigte den Ersatz des Schadens, den ihm ein Organ eines im §1 des AHG genannten Rechtsträgers in Vollziehung des Gesetzes zugefügt hat, gegen das Organ im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend machen kann, als verfassungswidrig. Es werden nach Auffassung des Beschwerdeführers damit Organe iS des AHG gänzlich vom Druck der Haftung befreit, was etwa in Relation zu Freiberuflern eine unsachliche, dem Gleichheitsgrundsatz zuwiderlaufende Besserstellung dieser Organe bedeute.

1.2. Das Vorbringen scheitert schon an Art23 Abs1 bis 3 B-VG, wonach gegenüber dem durch einen hoheitlichen Staatsakt geschädigten Dritten grundsätzlich nur der Rechtsträger ersatzpflichtig ist, gleichzeitig jedoch der schädigende Organwalter unmittelbar nicht verantwortlich ist (Kucsko-Stadlmayer, Art23 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg], Bundesverfassungsrecht, Rz 8).

Der Beschwerdeführer wurde nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2. Zu den behaupteten Vollzugsfehlern:

Unter dem Titel des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung bringt der Beschwerdeführer vor, daß die geübte Kritik an den in der Beschwerde näher bezeichneten Gerichtsentscheidungen sachlich und nicht beleidigend gewesen sei. Sie bringe lediglich zum Ausdruck, daß der Beschwerdeführer und sein Mandant die Entscheidungen als unrichtig bewerten, sowie daß sie zu Schadenersatz verpflichten. Daß man einer Partei im Rahmen der notwendigen Rechtsverteidigung "schikanösen Rechtsmißbrauch" vorwerfen kann, zeige ein Blick auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Wenn ein Gericht die Klage der in Schikaneabsicht handelnden Partei stattgebend erledigt, könne ein solcher Vorwurf auch auf das Gericht erstreckt werden. Was die Erhebung der Amtshaftungsklage gegen die beiden Richterinnen betrifft, könne der Beschwerdeführer nicht gegen die Berufspflichten verstoßen haben, wenn er erstmalig den Versuch unternimmt, die Verfassungswidrigkeit der Vorschriften des §9 Abs5 iVm. §1 AHG geltend zu machen, wonach die Klage auf Schadenersatz nicht gegen das schadensverursachende Organ gerichtet werden könnne. Es stehe ihm nur der Weg der Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten zur Verfügung - ein Individalantrag auf Normenprüfung vor dem Verfassungsgerichtshof wäre unzulässig.

2.1. Nach Art13 Abs1 StGG hat jedermann das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Das Recht der freien Meinungsäußerung ist zwar nur innerhalb der gesetzlichen Schranken gewährleistet, doch darf auch ein solches Gesetz keinen Inhalt haben, der den Wesensgehalt des Grundrechtes einschränkt (vgl. VfSlg. 6166/1970, 10700/1985). Eine nähere Bestimmung dieses Wesensgehaltes findet sich in Art10 EMRK. Diese Bestimmung bekräftigt den Anspruch auf freie Meinungsäußerung - "right to freedom of expression", "droit a la liberte d'expression" - (Abs1) und stellt klar, daß dieses Recht die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen einschließt, sieht aber im Hinblick darauf, daß die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringe, die Möglichkeit von Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen vor, "wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten." Gemäß Art10 Abs2 EMRK darf also die Freiheit der Meinungsäußerung nur aus den dort angeführten Gründen beschränkt werden.

2.2. Ein Verwaltungsakt, der sich gegen die Meinungsäußerungsfreiheit richtet, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ua. dann verfassungswidrig, wenn ein verfassungsmäßiges Gesetz denkunmöglich angewendet wurde (VfSlg. 3762/1960, 6166/1970 und 6465/1971). Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung liegt auch vor, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen - hier also: die besonderen Schranken des Art10 EMRK mißachtenden - Inhalt unterstellt (VfSlg. 10386/1985, 10700/1985, 12086/1989, 13122/1992).

2.3. Derartiges kann der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden.

2.3.1. Zum Faktum der Erhebung einer Amtshaftungsklage gegen die beiden Richterinnen:

Es kann der belangten Behörde aus Sicht des Art10 Abs2 EMRK kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie die Auffassung vertritt (bzw. der diesbezüglichen Auffassung des Disziplinarrates nicht entgegentritt), der Beschwerdeführer habe in der Erhebung der Amtshaftungsklage (auch) gegen die beiden Richterinnen eine Anspruchsdurchsetzung versucht, deren Unzulässigkeit dem Disziplinarbeschuldigten von vornherein klar gewesen sein mußte und die außerdem seiner Mandantschaft nicht dienlich war und wenn sie für den vorliegenden Fall zum Schluß kommt, daß die Anwendung dieser Maßnahme zur Anspruchsdurchsetzung ein sachlich nicht gerechtfertigtes Druckmittel iS des §2 RL-BA 1977 darstelle. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, die Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges sei der einzige Weg, gegen die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen der §§1 und 9 Abs5 AHG anzukämpfen, ist ihm entgegenzuhalten, daß sich die Verfassungsmäßigkeit dieser einfachgesetzlichen Vorschriften bereits - erkennbar - aus Art23 B-VG ergibt.

2.3.2. Zum Faktum, die Gerichtsentscheidungen stellen "schadenersatzauslösende Fehlleistungen" dar und das Exekutionsgericht hätte am "schikanösen Rechtsmißbrauch" der gegnerischen Partei mitgewirkt:

Aus dem Verwaltungsakt geht hervor, daß der Beschwerdeführer die verwendeten Formulierungen deswegen wählte, weil er in Kenntnis von Korrespondenzen des Prozeßgegners im zivilgerichtlichen Verfahren der Auffassung war, daß sich dieser in Wahrheit nicht in seinem letzten ruhigen Besitzstand gestört erachtete, sondern die Besitzstörungsklage nur aus "sachfremden" Motiven erhoben habe, um sich Vorteile in Form einer hohen Abschlagszahlung zu verschaffen. Wenn der Beschwerdeführer nun nicht nur der gegnerischen Partei "schikanösen Rechtsmißbrauch" vorwirft, sondern - weil die Gerichte im Sinne des Prozeßgegners entschieden hatten - diesen Vorwurf auch dem in der Sache befaßten (Exekutions-)Gericht macht, sowie die Beschlüsse der eingeschrittenen Gerichte als "schadenersatzauslösende Fehlentscheidungen" qualifiziert, kann der belangten Behörde aus dem Blickwinkel des Art10 Abs2 EMRK (im Hinblick auf den hier in Betracht kommenden Tatbestand der "Gewährleistung des Ansehens der Rechtsprechung") nicht entgegengetreten werden, wenn sie darin eine von §9 Abs1 RAO nicht mehr gedeckte unsachliche Kritik des Rechtsanwaltes an Gerichtsentscheidungen, die der Anspruchsdurchsetzung seines Mandanten nicht dienlich ist, erblickt. Damit wird weder dem Gesetz ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt noch das Gesetz denkunmöglich angewendet. Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn - wie hier - die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art133 Z4 B-VG ausgeschlossen ist (VfSlg. 10659/1985, 12915/1991, 14408/1996).

Der Beschwerdeführer ist sohin nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung verletzt worden.

3. Die behauptete Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hat nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Amtshaftung, Meinungsäußerungsfreiheit, Disziplinarrecht, Rechtsanwälte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1500.2001

Dokumentnummer

JFT_09979381_01B01500_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten