TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/9 2006/07/0046

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Veröffentlicht am 09.11.2006
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Index

L66305 Alm Weide Salzburg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art119a Abs5;
WeidezäuneG Slbg 1970;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde des P A in M, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer, Rechtsanwälte-GmbH in 5700 Zell am See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen die Gemeindevertretung der Gemeinde B, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem Salzburger Gesetz über die Weidezäune, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG wird der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B vom 6. November 1995 aufgehoben, soweit mit diesem Bescheid dem Beschwerdeführer die Verpflichtung einer Einfriedung im Bereich des Bergmahdes "T" aufgetragen wurde.

Die Gemeinde B hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 4. Juli 1995 stellte J H, der damalige Eigentümer des Grundstückes Nr. 297 der KG M (und Eigentümer des Ogutes), unter Bezugnahme auf das Salzburger Landesgesetz vom 28. Jänner 1970 über die Weidezäune, LGBl. Nr. 43, an den Bürgermeister der Gemeinde B den Antrag auf Neufestsetzung der Erhaltungspflicht gemäß § 3 des genannten Gesetzes mit der Begründung, dass die Bewirtschaftungsform des Grundstückes Nr. 297 (Alpe), KG M, sich verändert habe und die Fläche nicht mehr gemäht werde, sodass die Notwendigkeit der Errichtung eines Zaunes nicht mehr gegeben sei. An der Zaunerhaltung seien die auftriebsberechtigten Bauern interessiert, welche über ein Weiderecht bei den Österreichischen Bundesforsten verfügten. Nach Auffassung des Antragstellers wäre daher die Verpflichtung zur Zaunerhaltung nach Maßgabe ihres Interesses auf diese Weideberechtigten aufzuteilen.

Mit seinem an den Antragsteller und die namentlich im Einzelnen aufgezählten "Weideberechtigten laut Regulierungserkenntnis", darunter auch den Beschwerdeführer, gerichteten Bescheid vom 6. November 1995 sprach der Bürgermeister aus, dass gemäß § 3 des Gesetzes über die Weidezäune vom 28. Jänner 1970, LGBl. Nr. 43, in Verbindung mit § 2 Abs. 1 mit Wirksamkeit Weidebeginn 1996 - soferne die Notwendigkeit einer Einfriedung gegeben sei - den Besitzern der bei den Bundesforsten weideberechtigten Liegenschaften die Verpflichtung einer Einfriedung im Bereich der Bergmahd "T" aufgetragen werde.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, dass die Bergmahd T bis 1976 in der damals herkömmlichen Art für die Heuernte bewirtschaftet worden sei. Die zu kostenintensive Bearbeitung sei aufgegeben worden und ab dem Jahre 1977 werde die Bergmahd beweidet. Die Beweidungsfläche sei vom Besitzer umzäunt worden. Der südlich vom Weidegebiet verlaufende Zaun, welcher an der bundesforstlichen Grenze verlaufe und bisher vom Eigentümer der Bergmahd instand gehalten worden sei, sei durch Änderung der Bewirtschaftung für diesen nicht mehr relevant.

Der Beschwerdeführer und zahlreiche andere Bescheidadressaten erhoben gegen diesen Bescheid Berufung.

Mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde B vom 31. Jänner 1996 wurde die Berufung u.a. des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 6. November 1995 abgewiesen.

Eine gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 15. April 1996 abgewiesen.

Dieser Vorstellungsbescheid wurde auf Grund einer Beschwerde des Beschwerdeführers vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. Juli 1999, 96/07/0084, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren behob die belangte Behörde zunächst mit Bescheid vom 8. November 1999 den Berufungsbescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde B vom 31. Jänner 1996 und mit einem weiteren Bescheid vom 11. Jänner 2002 die neuerliche Berufungsentscheidung der Gemeindevertretung vom 7. November 2001.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2002 entschied die Gemeindevertretung der Gemeinde B (neuerlich) über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid. Der Spruch dieses Bescheides lautet:

"Gemäß § 80, Abs. 2 der Salzburger Gemeindeordnung hat die Gemeindevertretung der Gemeinde B, in der Sitzung vom 28. November 2002, die Berufung abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters vom 6. November 1995 bestätigt.

Gemäß § 5, in Verbindung mit §§ 2 und 3 des Gesetzes über die Weidezäune, WeidezäuneG Slbg. 1970, LGBl. Nr.: 43/1970, wird mit Wirksamkeit dieses Bescheides, den Eigentümern der bei den Österreichischen Bundesforsten weideberechtigten Liegenschaften, welche gemeinsam, laut Regulierungsanerkenntnis über die Heimweiderechte, die Weidegenossenschaft 'M/Sch' bilden, namentlich:

(es folgt eine Aufzählung der Namen)

die Verpflichtung zur Herstellung und Erhaltung einer Einfriedung im Bereich des Bergmahdes 'T', entlang der Südgrenze der GN 297, KG M, aufgetragen.

Ab diesem Zeitpunkt ist der Eigentümer des O-gutes auf Grund der von ihm geänderten Bewirtschaftungsform des Südteils der GN 297, KG M, von der Zaunerhaltung entbunden."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit Bescheid vom 27. September 2005 gab die Salzburger Landesregierung der Vorstellung teilweise statt und hob den Bescheid der Gemeindevertretung vom 20. Dezember 2002 auf, soweit mit diesem dem Beschwerdeführer die Verpflichtung zur Herstellung und Erhaltung einer Einfriedung im Bereich des Bergmahds "T" entlang der Südgrenze des Grundstückes Nr. 297 auferlegt wurde. Hingegen wurde die Vorstellung abgewiesen, soweit sie sich gegen jenen Teil des Spruches richtete, mit dem der Eigentümer des Ogutes von der Verpflichtung zur Erhaltung eines Zaunes an der Südgrenze des Grundstückes Nr. 297 entbunden wurde.

Die Aufhebung jenes Teiles des Bescheides der Gemeindevertretung vom 10. Dezember 2002, mit welchem dem Beschwerdeführer die Verpflichtung zur Herstellung und Erhaltung einer Einfriedung auferlegt wurde, wurde damit begründet, diese Verpflichtung des Beschwerdeführers sei von Zweck und Wortlaut des Weidezäunegesetzes nicht gedeckt und somit objektiv rechtswidrig. Durch die Auferlegung einer objektiv rechtswidrigen Verpflichtung werde der Beschwerdeführer auch in seinen subjektiven Rechten verletzt.

Unter Punkt 50 der Begründung heißt es in dem Bescheid der Landesregierung weiters, da der ursprüngliche, nach wie vor unverändert aufrechte Antrag (des J H) vom 4. Juli 1995 nicht explizit auf die Übertragung der Zaunerhaltungsverpflichtung, sondern nur auf deren Neufestsetzung gerichtet gewesen sei und dieser Antrag mit der Entbindung des Antragstellers von der Zaunerhaltungsverpflichtung vollständig erledigt sei, sei es auch nicht erforderlich, dass die Gemeindebehörden hinsichtlich der Verpflichtung des Vorstellungswerbers zur Erhaltung des verfahrensgegenständlichen Weidezaunes einen gesonderten abweisenden Bescheid erließen.

Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. Februar 2006, 2005/07/0158, als unbegründet abgewiesen.

In seiner nunmehr gegen die Gemeindevertretung der Gemeinde B erhobenen Säumnisbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, nach der Aufhebung jenes Teiles des Berufungsbescheides der Gemeindevertretung vom 20. Dezember 2002, der dem Beschwerdeführer eine Verpflichtung zur Zaunerhaltung auferlegt habe, sei seine Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid wieder offen. Über diese Berufung sei nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 73 AVG entschieden worden.

Mit Verfügung vom 4. Mai 2006 leitete der Verwaltungsgerichtshof über die Säumnisbeschwerde das Vorverfahren ein. Die belangte Behörde wurde aufgefordert, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt und dazu die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Mit Schreiben vom 11. August 2006 hat die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die Auffassung vertreten, es liege keine Säumnis vor. Sie begründet dies mit einem Hinweis auf den Punkt 50 der Begründung des Bescheides der Salzburger Landesregierung vom 27. September 2005, in welchem ausdrücklich gesagt wird, dass eine weitere Entscheidung der Gemeindevertretung nicht mehr erforderlich sei. Durch den aufrecht gebliebenen Teil der Berufungsentscheidung vom 20. Dezember 2002 seien der das Verfahren einleitende Antrag sowie die Berufung vollständig erledigt und der erstinstanzliche Bescheid völlig ersetzt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch die teilweise Aufhebung des Berufungsbescheides der Gemeindevertretung vom 20. Dezember 2002 durch den Vorstellungsbescheid der Salzburger Landesregierung vom 27. September 2005 ist das Verfahren im Umfang der Aufhebung wieder in jene Lage zurückgetreten, in der es sich vor der Erlassung des Berufungsbescheides befand. Vor der Erlassung des Berufungsbescheides lag der belangten Behörde eine Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters vom 6. November 1995 vor. Mit diesem Bescheid wurde unter anderem der Beschwerdeführer zur Erhaltung einer Einfriedung im Bereich des Bergmahds "T" verpflichtet.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ist zwar nur davon die Rede, dass die Aufhebung der Zaunerhaltungspflicht (für den Antragsteller J H) bekämpft werde. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass damit auch die Auferlegung einer Zaunerhaltungspflicht an den Beschwerdeführer bekämpft wird. Über diesen Teil der Berufung hatte daher die Gemeindevertretung nach der Teilaufhebung ihres Bescheides neuerlich zu entscheiden.

Es kommt (nur) den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zu. Die tragenden Aufhebungsgründe eines aufhebenden Bescheides der Gemeindeaufsichtsbehörde sind für das fortgesetzte Verfahren vor der Gemeindebehörde, vor der Aufsichtsbehörde und vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes bindend. Diese bindende Wirkung bestünde selbst bei einem Widerspruch mit der objektiven Rechtslage. Die tragenden Aufhebungsgründe wirken absolut und sind auch vom Verwaltungsgerichtshof zu beachten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 2005, 2003/05/0156 u.v.a.).

Punkt 50 der Begründung des Vorstellungsbescheides der Salzburger Landesregierung vom 27. September 2005 ist aber nicht geeignet, eine Bindung der belangten Behörde in der Richtung herbeizuführen, dass sie über den noch offenen Teil der Berufung des Beschwerdeführers nicht mehr zu entscheiden habe.

Zunächst ist festzuhalten, dass Punkt 50 nicht die Begründung für die teilweise Aufhebung des Bescheides der Gemeindevertretung enthält und es sich daher bei diesem Punkt nicht um die tragenden Gründe für die Aufhebung handelt, weshalb die Ausführungen in Punkt 50 auch keine Bindungswirkung für die Gemeindevertretung im fortgesetzten Verfahren entfalten konnten. Abgesehen davon bezieht sich Punkt 50 darauf, dass die belangte Behörde keinen gesonderten abweisenden Bescheid zu erlassen habe. Um einen abweisenden Bescheid geht es aber gar nicht, sondern um einen aufhebenden Bescheid, den die belangte Behörde in Bindung an die Anschauung der Vorstellungsbehörde, dass dem Beschwerdeführer keine Zaunerhaltungspflicht auferlegt werden darf, zu erlassen gehabt hätte.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde war diese daher säumig und die Säumnisbeschwerde wurde zurecht erhoben. Die Zuständigkeit zur Erlassung des ausstehenden Bescheides ist auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen.

In der Sache selber war der Verwaltungsgerichtshof an die im Vorstellungsbescheid der Salzburger Landesregierung vom 27. September 2005 geäußerte Auffassung gebunden, dass dem Beschwerdeführer keine Zaunerhaltungsverpflichtung auferlegt werden dürfe. Seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid war daher stattzugeben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 9. November 2006

Schlagworte

Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006070046.X00

Im RIS seit

01.12.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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