TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/21 2003/21/0065

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2006
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der G, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 18. März 2003, Zl. Fr-316-1/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine polnische Staatsangehörige, gemäß "§ 36 bis § 40" des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf ein Jahr befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie aus, dass die Beschwerdeführerin am 31. Juli 2002 von Organen der Zollbehörde in der Pension K bei der Ausübung einer Beschäftigung angetroffen worden sei, die sie nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen. Die Beschwerdeführerin sei beim Aufhängen der Wäsche der Pension K betreten worden und sei nicht im Besitz eines "dafür notwendigen" Aufenthaltstitels gewesen. Weiters habe sie angegeben, dass sie nur mehr EUR 30,-- besäße und die Pensionskosten nicht selbst bezahlen könnte. Ihr Cousin aus Laibach würde die Rechnung übernehmen.

In der Berufung sei behauptet worden, dass die Beschwerdeführerin als Touristin eingereist wäre und ihren Urlaub in der Pension K verbringen hätte wollen. Sie hätte nur ihre eigene Wäsche gewaschen und auf der Wäscheleine aufgehängt. Weiters hätte sie die Kosten für Übernachtung und Frühstück bereits zur Gänze, nämlich EUR 338,--, für 26 Tage bezahlt und darüber hinaus EUR 200,-- an Maria K zur sicheren Verwahrung übergeben.

Demgegenüber habe jedoch die Beschwerdeführer am 31. Juli 2002 vor der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt angegeben, dass sie nur über EUR 30,-- verfügte und die Pensionskosten nicht bezahlen könnte. Dem Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin nicht beim Aufhängen der Wäsche der Pension K betreten worden sei, stehe der "Bericht des Hauptzollamtes Klagenfurt" vom 31. Juli 2002 gegenüber. (Gemeint ist der Bericht über das Betreten beim Wäscheaufhängen für die Pension K iVm der dies bestätigenden Aussage der Beschwerdeführerin vom selben Tag.) "Die Berufungsbehörde kann an diesem Faktum nicht vorüber sehen und es in Frage stellen. Auch aus diesem Grunde musste die Berufungsbehörde das Aufenthaltsverbot bestätigen."

Die belangte Behörde nahm ausdrücklich an, dass die Beschwerdeführerin mittellos im Sinn des § 36 Abs. 2 Z 7 FrG sei und legte weiters erkennbar zu Grunde, dass sie auch den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 8 FrG verwirklicht habe.

"Aus dem obgenannten Sachverhalt" (gemeint ist die Ausübung einer Beschäftigung) folge, dass die Beschwerdeführerin im Hinblick auf § 5 FrG iVm Art. 1 Abs. 2 des österreichischpolnischen Sichtvermerksabkommens der Sichtvermerkspflicht hätte genügen müssen. Da sie jedoch über keinen Aufenthaltstitel verfüge, sei ihr Aufenthalt unrechtmäßig.

Letztlich meinte die belangte Behörde, dass die "negative Handhabung des in § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens geboten" sei und dass wegen des Fehlens von Bindungen zu Österreich kein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführerin stattfinde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin bekämpft die behördliche Beweiswürdigung und die darauf fußenden Feststellungen und bringt - wie schon in der Berufung - vor, dass sie als Gast in die Pension K gereist sei, bereits bei der Ankunft den Pensionspreis für 26 Tage bezahlt und EUR 200,-- zur Verwahrung im Safe der Fremdenpension deponiert habe. Ihre Aussage vor der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 31. Juli 2002 sei unter Druck erfolgt und unrichtig. Somit läge weder eine Mittellosigkeit als Voraussetzung des § 36 Abs. 2 Z 7 FrG noch eine dem Ausländerbeschäftigungsgesetz entgegenstehende Beschäftigung im Sinn des § 36 Abs. 2 Z 8 FrG vor. Zu diesem Ergebnis hätte die belangte Behörde kommen können, wenn sie die zu diesem Beweisthema beantragten Zeugen Elisabeth K und Maria K vernommen hätte.

Diese Rüge muss zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen. Die begründungslose Unterlassung der Vernehmung eines Zeugen stellt nämlich einen relevanten Verfahrensmangel dar, es sei denn, dass die Zeugenaussage von vornherein nicht geeignet wäre, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2005/18/0567, mwN).

Es lässt zwar die Beschwerde wie schon die Berufung jegliche Erklärung für die an sich nicht übliche Vorgangsweise vermissen, bei Abschluss eines Beherbergungsvertrages im Vorhinein für einen bestimmten Zeitraum die vollen Pensionskosten zu bezahlen. Weiters wird auch in der Berufung nicht weiter ausgeführt, warum die Einreise "als Touristin", "um einen schönen und erholsamen Urlaub in Österreich zu verbringen", einen "psychischen Druck" bei der Vernehmung hervorzurufen im Stande war und wie dieser psychische Druck zur - so protokollierten - Aussage vom 31. Juli 2002 führen konnte, dass die Beschwerdeführerin Wäsche der Pension aufgehängt hätte und dabei von Frau K aufgefordert worden wäre, in den Wald zu flüchten. Dennoch sind die beantragten Beweismittel nicht von vornherein ungeeignet, zu den begehrten Feststellungen zu führen, weshalb der belangten Behörde vorgeworfen werden muss, dass sie die beantragten Zeugen zu den geltend gemachten Beweisthemen nicht vernommen hat.

Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 21. November 2006

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Behandlung von Parteieinwendungen Ablehnung von Beweisanträgen Abstandnahme von Beweisen Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Beweismittel Zeugen Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des Beweisantrages Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003210065.X00

Im RIS seit

14.12.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten