TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/21 2005/21/0089

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Veröffentlicht am 21.11.2006
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §56;
FrG 1997 §61 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Herwig Medwed, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Sterneckstraße 43, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 30. März 2005, Zl. IV-1030193/FR/05, betreffend Anordnung der Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Brasilien, ist zuletzt im Oktober 2004 nach Österreich eingereist. Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21. Jänner 2005 wegen versuchter schwerer Nötigung sowie Körperverletzung nach den §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 2 und 83 Abs. 1 StGB (begangen am 28. Oktober 2004) zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe wurde er am 1. Juli 2005 gemäß § 46 Abs. 2 StGB bedingt aus dem Strafvollzug entlassen.

Bei einer am 30. März 2005 durchgeführten Befragung wurde der Beschwerdeführer von der Absicht, gegen ihn ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihn im Anschluss an die Gerichtshaft in Schubhaft zu nehmen, um ihn nach Frankreich bzw. nach Brasilien abzuschieben, in Kenntnis gesetzt. Er gab dazu an, dass er die Maßnahmen einsehe. Er sei im Besitz einer gültigen Aufenthaltsberechtigung für Frankreich gewesen, wo er sich 4 Jahre aufgehalten habe und Vater eines Kindes sei. Nach Österreich sei er gekommen, um seinen neunjährigen außerehelichen Sohn, wie er dies mehrmals im Jahr mache, zu besuchen. In Österreich habe er "zuletzt ... 1992 für etwa 5 Jahre ... gearbeitet" und sei danach keiner Beschäftigung mehr nachgegangen. Er habe keinen gemeldeten Wohnsitz in Österreich, wo er sich lediglich zu Besuchszwecken aufgehalten habe. Außer seinem Sohn habe er im Bundesgebiet keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen oder private Bindungen.

Mit Bescheid vom 30. März 2005 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997  (FrG), gestützt auf die genannte strafgerichtliche Verurteilung vom 21. Jänner 2005, ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Gemäß § 45 Abs. 4 FrG wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen.

Mit dem angefochtenen, am selben Tag erlassenen Bescheid (Zustellung jeweils am 1. April 2005) ordnete die belangte Behörde gemäß § 61 Abs. 1 FrG gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 36 FrG sowie zur Sicherung der Abschiebung (§ 56 FrG) an, wobei sie aussprach, dass die Rechtsfolgen ihres Bescheides nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Gerichtshaft eintreten.

Begründend führte die belangte Behörde - ergänzend zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt - aus, der in Österreich nicht gemeldete Beschwerdeführer gehe hier keiner geregelten Beschäftigung nach. Deshalb und auf Grund der Schwere seiner Straftat stelle er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Ebenso sei zu befürchten, dass er sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen suchen könnte. Aus diesem Grund sei auch kein gelinderes Mittel anzuwenden gewesen. Das Verhalten des Beschwerdeführers lasse klar erkennen, dass er nicht gewillt sei, österreichische Rechtsvorschriften einzuhalten. Nach Abwägung der maßgeblichen öffentlichen Interessen gegen seine Privatinteressen fielen erstere erheblich schwerer zu seinem Nachteil ins Gewicht, zumal er keinerlei private oder persönliche Bindungen zum Bundesgebiet habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 61 Abs. 1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen. Die Schubhaft ist nach Abs. 2 dieser Bestimmung mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG (im Mandatsverfahren) zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

Der Beschwerdeführer verweist auf seinen Wohnsitz, seine Arbeit und regelmäßige Kontakte zu seinem minderjährigen Kind in Frankreich, wogegen er sich in Österreich lediglich kurzfristig und rechtmäßig zu Besuchszwecken aufgehalten habe. Die belangte Behörde hätte daher die Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 FrG nicht als verwirklicht ansehen dürfen oder jedenfalls mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen finden müssen, weil er ohnehin freiwillig ausgereist wäre.

Dazu ist auszuführen, dass für die Bejahung eines Sicherungsbedürfnisses im Sinne des § 61 Abs. 1 FrG lediglich maßgeblich ist, ob im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides mit Recht angenommen werden konnte, der Fremde werde sich dem behördlichen Zugriff (nach seiner damals terminlich noch unbestimmten Entlassung aus der Gerichtshaft) entziehen oder diesen zumindest wesentlich erschweren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/21/0100, mwN). Ein solches Sicherungsinteresse konnte die belangte Behörde aus dem - vom Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung zugestandenen und im Ergebnis auch in der Beschwerde nicht bestrittenen - Fehlen einer Wohnmöglichkeit sowie aus der Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Beschwerdeführers ableiten.

Wenn der Beschwerdeführer auch seinen Lebensmittelpunkt unstrittig in Frankreich hatte, lagen doch auf Grund regelmäßig aufrecht erhaltener Kontakte zu seinem damals neunjährigen außerehelichen Sohn (und nach der Aktenlage damit im Zusammenhang stehend auch zu seiner früheren Lebensgefährtin) ins Gewicht fallende Anknüpfungspunkte in Österreich vor. So hat er noch bei seiner Einvernahme am 30. März 2005 selbst ausgeführt, er komme wegen seines Sohnes mehrmals im Jahr nach Österreich. Deshalb kann wegen der Gefahr eines zumindest zeitweisen Untertauchens in der Bejahung des Sicherungsbedürfnisses nach § 61 Abs. 1 FrG durch die belangte Behörde keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

Im Hinblick auf die dargestellten Lebensverhältnisse des Beschwerdeführers in Österreich musste die belangte Behörde auch die Anwendung von gelinderen Mitteln nicht in Betracht ziehen.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich Unregelmäßigkeiten bei seiner Einvernahme am 30. März 2005 (insbesondere seine Befragung in der spanischen Sprache, die er nach der Aktenlage allerdings - ebenso wie die portugiesische Sprache - beherrschte) geltend macht, vermag er nicht darzulegen, welche wesentlichen Umstände bei einer - seiner Ansicht nach - korrekten Vorgangsweise hervorgekommen wären. Es fehlt daher die mögliche Relevanz behaupteter Mangelhaftigkeiten für den Ausgang des Verfahrens.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 21. November 2006

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005210089.X00

Im RIS seit

12.12.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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