TE OGH 2000/1/14 1Ob353/99i

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Veröffentlicht am 14.01.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef K*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler, Rechtsanwälte in Neusiedl am See, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen S 168.010,37 s. A. infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsstreitwert S 140.221,65) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. August 1999, GZ 14 R 31/99b-25, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. November 1998, GZ 32 Cg 25/96y-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 8.370 (darin S 1.395 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte aus dem Titel der Amtshaftung Schadenersatz im Betrag von S 168.010,37 s. A. Er habe gegen Ehegatten in getrennt geführten Verfahren Urteile erwirkt und auf Grund dieser Exekution geführt. Die ihm im Rahmen dieser Verfahren aufgelaufenen Kosten seien frustriert, weil die Exekutionstitel auf Grund eines rechtswidrigen und schuldhaften Vorgehens von (Post-) Zustellorganen entstanden und letztlich ebenso wie die Vollstreckbarkeitsbestätigungen über Intervention der Ehegatten aufgehoben worden seien. Die beklagte Partei hafte für das Fehlverhalten der Zustellorgane.

Die beklagte Partei wendete ein, es läge kein rechtswidriges Handeln der Postzusteller vor. Es hätte aber auch dem Kläger auffallen müssen, dass die von ihm erwirkten Exekutionstitel an einer nicht mehr aktuellen Adresse zugestellt worden seien. Die nach dem 14. 4. 1993 unternommenen Exekutionsschritte seien somit unter Verletzung der gemäß § 2 Abs 2 AHG dem Kläger obliegenden Rettungspflicht gesetzt worden.Die beklagte Partei wendete ein, es läge kein rechtswidriges Handeln der Postzusteller vor. Es hätte aber auch dem Kläger auffallen müssen, dass die von ihm erwirkten Exekutionstitel an einer nicht mehr aktuellen Adresse zugestellt worden seien. Die nach dem 14. 4. 1993 unternommenen Exekutionsschritte seien somit unter Verletzung der gemäß Paragraph 2, Absatz 2, AHG dem Kläger obliegenden Rettungspflicht gesetzt worden.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Bezahlung von S 140.221,65 s. A. und wies das Mehrbegehren von S 27.788,72 s. A. ab. Die Zustellorgane seien gesetzwidrig vorgegangen, weil sei nicht an der sich aus dem Zustellgesetz ergebenden Abgabestelle zugestellt hätten. Bei pflichtgemäßer Ausführung der Zustellversuche wäre zu erkennen gewesen, dass die Empfänger der Schriftstücke nicht mehr an der bezeichneten Zustelladresse wohnhaft gewesen seien; das Verhalten der Zustellorgane erweise sich demnach auch als schuldhaft. Dem Kläger sei eine Verletzung der Rettungspflicht gemäß § 2 Abs 2 AHG nicht anzulasten, weil er nach Bekanntwerden des Wechsels der Wohnanschrift der Ehegatten sofort die notwendigen Schritte eingeleitet habe, um das Exekutionsverfahren an der ihm nunmehr bekannten neuen Anschrift fortzusetzen. Es sei ihm nicht vorzuwerfen, nicht erahnt zu haben, dass die schon lange Zeit zuvor ergangenen Versäumungsurteile nicht rechtswirksam zugestellt worden seien.Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Bezahlung von S 140.221,65 s. A. und wies das Mehrbegehren von S 27.788,72 s. A. ab. Die Zustellorgane seien gesetzwidrig vorgegangen, weil sei nicht an der sich aus dem Zustellgesetz ergebenden Abgabestelle zugestellt hätten. Bei pflichtgemäßer Ausführung der Zustellversuche wäre zu erkennen gewesen, dass die Empfänger der Schriftstücke nicht mehr an der bezeichneten Zustelladresse wohnhaft gewesen seien; das Verhalten der Zustellorgane erweise sich demnach auch als schuldhaft. Dem Kläger sei eine Verletzung der Rettungspflicht gemäß Paragraph 2, Absatz 2, AHG nicht anzulasten, weil er nach Bekanntwerden des Wechsels der Wohnanschrift der Ehegatten sofort die notwendigen Schritte eingeleitet habe, um das Exekutionsverfahren an der ihm nunmehr bekannten neuen Anschrift fortzusetzen. Es sei ihm nicht vorzuwerfen, nicht erahnt zu haben, dass die schon lange Zeit zuvor ergangenen Versäumungsurteile nicht rechtswirksam zugestellt worden seien.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Mehrbegehren des Klägers sei zu Recht "als nicht zuordenbar" abgewiesen worden. Der Kläger habe von der Vollstreckbarkeit der von ihm gegen die Ehegatten erwirkten Entscheidungen ausgehen dürfen. Dem Bericht des Vollstreckers, der dem Klagevertreter am 16. 4. 1993 zugestellt worden sei, und der die Mitteilung enthalten habe, dass einer der Ehegatten seit etwa einem Jahr verzogen sei, habe der Kläger die unwirksame Zustellung der von ihm gegen die Ehegatten erhobenen Klagen und der Versäumungsurteile nicht entnehmen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist unzulässig.

Die beklagte Partei bestreitet nicht, dass das Vorgehen der Zustellorgane rechtswidrig und schuldhaft gewesen und deshalb der Amtshaftungsanspruch des Klägers grundsätzlich gegeben sei. Sie meint lediglich, der Kläger habe die ihm gemäß § 2 Abs 2 AHG obliegende "besondere Schadensminderungspflicht" verletzt, weshalb die Ansprüche nicht berechtigt seien. Nun ist das Berufungsgericht im Sinne der ständigen Rechtsprechung ohnehin davon ausgegangen, dass ein Rechtsträger nur für nicht sanierbare Akte der Vollziehung Ersatz zu leisten habe. Das Gesetz überlässt es zunächst dem Betroffenen selbst, seine Interessen zu wahren, und gewährt ihm Amtshaftungsansprüche nur dort, wo er innerhalb des betreffenden Verfahrens alle in Betracht kommenden verfahrensrechtlichen Behelfe vergeblich ausschöpfte (EvBl 1999/138 uva). Im vorliegenden Fall hat der Kläger zwei Exekutionstitel erwirkt und im Vertrauen darauf, dass diese in Entsprechung der Zustellvorschriften zustande gekommen seien, Exekutionsschritte eingeleitet, um seine Forderungen einbringlich zu machen. Die auf Grund des von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalts gezogene Schlussfolgerung, der Kläger habe mit der Rechtsunwirksamkeit der Zustellungen und damit auch der Versäumungsurteile nicht rechnen müssen, ist nicht zu beanstanden. Allein aus der dem Klagevertreter am 16. 4. 1993 zugekommenen Mitteilung, dass nach dem Bericht des Gerichtsvollziehers - der wiederum auf der Auskunft einer dritten Person basierte - einer der Ehegatten seit etwa einem Jahr verzogen sei, musste tatsächlich nicht der Schluss gezogen werden, die Ende April 1992 gegen diesen Ehegatten eingebrachte Klage, die im Mai 1992 zugestellt wurde, sei nicht rechtswirksam zugestellt worden. Dies gilt auch für das in der Folge erlassene Versäumungsurteil. Über den Wechsel der Abgabestelle des anderen Ehegatten lagen überhaupt keine behördlichen Mitteilungen, aber auch keine sonstigen Anhaltspunkte für den Kläger vor. Dann aber ist diesem gewiss nicht anzulasten, dass er von den von ihm erwirkten Exekutionstiteln Gebrauch machte und seine Forderungen einzutreiben versuchte.Die beklagte Partei bestreitet nicht, dass das Vorgehen der Zustellorgane rechtswidrig und schuldhaft gewesen und deshalb der Amtshaftungsanspruch des Klägers grundsätzlich gegeben sei. Sie meint lediglich, der Kläger habe die ihm gemäß Paragraph 2, Absatz 2, AHG obliegende "besondere Schadensminderungspflicht" verletzt, weshalb die Ansprüche nicht berechtigt seien. Nun ist das Berufungsgericht im Sinne der ständigen Rechtsprechung ohnehin davon ausgegangen, dass ein Rechtsträger nur für nicht sanierbare Akte der Vollziehung Ersatz zu leisten habe. Das Gesetz überlässt es zunächst dem Betroffenen selbst, seine Interessen zu wahren, und gewährt ihm Amtshaftungsansprüche nur dort, wo er innerhalb des betreffenden Verfahrens alle in Betracht kommenden verfahrensrechtlichen Behelfe vergeblich ausschöpfte (EvBl 1999/138 uva). Im vorliegenden Fall hat der Kläger zwei Exekutionstitel erwirkt und im Vertrauen darauf, dass diese in Entsprechung der Zustellvorschriften zustande gekommen seien, Exekutionsschritte eingeleitet, um seine Forderungen einbringlich zu machen. Die auf Grund des von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalts gezogene Schlussfolgerung, der Kläger habe mit der Rechtsunwirksamkeit der Zustellungen und damit auch der Versäumungsurteile nicht rechnen müssen, ist nicht zu beanstanden. Allein aus der dem Klagevertreter am 16. 4. 1993 zugekommenen Mitteilung, dass nach dem Bericht des Gerichtsvollziehers - der wiederum auf der Auskunft einer dritten Person basierte - einer der Ehegatten seit etwa einem Jahr verzogen sei, musste tatsächlich nicht der Schluss gezogen werden, die Ende April 1992 gegen diesen Ehegatten eingebrachte Klage, die im Mai 1992 zugestellt wurde, sei nicht rechtswirksam zugestellt worden. Dies gilt auch für das in der Folge erlassene Versäumungsurteil. Über den Wechsel der Abgabestelle des anderen Ehegatten lagen überhaupt keine behördlichen Mitteilungen, aber auch keine sonstigen Anhaltspunkte für den Kläger vor. Dann aber ist diesem gewiss nicht anzulasten, dass er von den von ihm erwirkten Exekutionstiteln Gebrauch machte und seine Forderungen einzutreiben versuchte.

Entgegen der Ansicht der beklagten Partei ist nicht nur der Empfänger einer Sendung in den Schutzbereich der Bestimmungen des Zustellgesetzes einbezogen, sondern auch derjenige, auf dessen Betreiben - hier: der Kläger - eine Zustellung stattzufinden hat. Auch dieser soll durch die Einhaltung und richtige Anwendung der Zustellvorschriften vor Vermögensschäden bewahrt werden, die ihm deshalb erwachsen, weil er auf die dem Zustellgesetz entsprechende Durchführung der Zustellungen vertraute (vgl EvBl 1999/138). Dem Kläger kann der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch nicht schon allein deshalb verwehrt werden, weil sein Schaden letztlich auf einen von ihm selbst erwirkten, aber für rechtsunwirksam erklärten Exekutionstitel zurückzuführen ist (vgl EvBl 1999/138).Entgegen der Ansicht der beklagten Partei ist nicht nur der Empfänger einer Sendung in den Schutzbereich der Bestimmungen des Zustellgesetzes einbezogen, sondern auch derjenige, auf dessen Betreiben - hier: der Kläger - eine Zustellung stattzufinden hat. Auch dieser soll durch die Einhaltung und richtige Anwendung der Zustellvorschriften vor Vermögensschäden bewahrt werden, die ihm deshalb erwachsen, weil er auf die dem Zustellgesetz entsprechende Durchführung der Zustellungen vertraute vergleiche EvBl 1999/138). Dem Kläger kann der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch nicht schon allein deshalb verwehrt werden, weil sein Schaden letztlich auf einen von ihm selbst erwirkten, aber für rechtsunwirksam erklärten Exekutionstitel zurückzuführen ist vergleiche EvBl 1999/138).

Dem Kläger ist im hier konkret vorliegenden Fall eine Verletzung der Rettungspflicht gemäß § 2 Abs 2 AHG - die allein von der beklagten Partei im Rechtsmittelverfahren releviert wurde - nicht anzulasten. Die Vorinstanzen haben die Rechtslage im Einklang mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofs beurteilt. Demnach ist die Revision mangels Vorliegens und Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.Dem Kläger ist im hier konkret vorliegenden Fall eine Verletzung der Rettungspflicht gemäß Paragraph 2, Absatz 2, AHG - die allein von der beklagten Partei im Rechtsmittelverfahren releviert wurde - nicht anzulasten. Die Vorinstanzen haben die Rechtslage im Einklang mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofs beurteilt. Demnach ist die Revision mangels Vorliegens und Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß Paragraph 508 a, ZPO nicht gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Textnummer

E56466

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0010OB00353.99I.0114.000

Im RIS seit

13.02.2000

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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