TE Vfgh Erkenntnis 2002/6/28 B197/02

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Veröffentlicht am 28.06.2002
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
ASVG §110 Abs1 Z2
VfGG §88

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit € 1962,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer bezieht von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine Zusatzpension.

2. Mit Bescheid der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 16. November 2001 wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer gem. §73 Abs1a ASVG von der ihm ausbezahlten Zusatzpension seit dem 1. Jänner 2001 einen Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von S 710,90 (€ 51,66) monatlich zu entrichten habe.

3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Einspruch an den Landeshauptmann von Steiermark, der dieses Rechtsmittel jedoch mit Bescheid vom 8. Februar 2002 als unbegründet abwies und den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich bestätigte.

4. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gem. Art144 Abs1 B-VG, worin die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird. Begründend wird dazu im wesentlichen ausgeführt, die Behörde habe ihrem Bescheid eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung, nämlich §73 Abs1a ASVG, zugrunde gelegt.

Die belangte Behörde hat die bezughabenden Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet. Die dem Verfahren als beteiligte Partei beigezogene Steiermärkische Gebietskrankenkasse hat eine schriftliche Äußerung zum Gegenstand erstattet, worin die Verfassungsmäßigkeit des §73 Abs1a ASVG verteidigt wird.

5. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G8/02, hat der Verfassungsgerichtshof §73 Abs1a ASVG idF des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet wurde, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986, 11.711/1988).

2. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G8/02 begann am 28. Juni 2002. Die vorliegende Beschwerde ist am 18. Februar 2002 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Nach dem soeben Ausgeführten steht der Fall daher einem Anlaßfall gleich.

3. Die belangte Behörden hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- enthalten. Ein Ersatz der entrichteten Eingabengebühr war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit des Verfahrens (§110 Abs1 Z2 lita ASVG) nicht zuzusprechen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B197.2002

Dokumentnummer

JFT_09979372_02B00197_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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