TE Vwgh Erkenntnis 2007/1/23 2000/11/0159

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Veröffentlicht am 23.01.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/08 Sonstiges allgemeines Dienstrecht und Besoldungsrecht;
86/02 Tierärzte;

Norm

BDG 1979;
DP §120 Abs1;
DP §122 Abs3;
DP §127 Abs1;
DP §127 Abs2;
DP §127 Abs3;
DP §87;
TierärzteG 1975 §20 Abs1;
TierärzteG 1975 §20 Abs2;
TierärzteG 1975 §21 Abs1;
TierärzteG 1975 §21 Abs2;
TierärzteG 1975 §58;
VStG §44a Z1 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. A in H, vertreten durch Cerha, Hempel & Spiegelfeld, Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission bei der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs vom 15. März 2000, Zl. Ds 8/98, betreffend Disziplinarvergehen nach dem Tierärztegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeskammer der Tierärzte Österreichs hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Beschluss vom 4. Mai 1998 leitete die Disziplinarkommission bei der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs (Disziplinarkommission) gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes eines des tierärztlichen Standes unwürdigen Verhaltens durch Vornahme nicht notwendiger Behandlungen, Nichtbekanntgabe des voraussichtlichen Honorars trotz Verlangens des Tierhalters und Verrechnung überhöhter Honorare in insgesamt 22 Fällen, darunter in den im Folgenden interessierenden Fällen der Tierhalter P.S., L.D., E.P., G.K. und S.S., ein.

Mit Beschluss vom 4. November 1998 dehnte die Disziplinarkommission die mit Beschluss vom 4. Mai 1998 eingeleitete Disziplinaruntersuchung auf vier weitere Fälle aus, darunter die im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls näher interessierenden Fälle der Tierhalter N.B., E.K. und M.T.

Mit Beschluss vom 13. Oktober 1999 verwies die Disziplinarkommission die Disziplinarstrafsache gegen den Beschwerdeführer in insgesamt acht Fällen (und zwar den Fällen der oben erwähnten Tierhalter P.S., L.D., E.P., G.K., S.S., N.B., E.K. und M.T.) zur mündlichen Verhandlung. Dem Beschwerdeführer werde in diesen Fällen ein des tierärztlichen Standes unwürdiges Verhalten durch Vornahme nicht notwendiger Behandlungen, Nichtbekanntgabe des voraussichtlichen Honorars trotz Verlangens des Tierhalters und Verrechnung überhöhter Honorare zur Last gelegt.

Mit Bescheid vom 15. März 2000 erkannte die Disziplinarkommission den Beschwerdeführer schuldig, er habe in folgenden Fällen (anonymisiert) nicht notwendige Behandlungen durchgeführt:

"12. P.S., Behandlung vom 25.4. bis 13.5.1996

14.

L.D., Behandlung vom 29.6. bis 3.7.1996

15.

E.P., Behandlung vom 2.11. und 3.11.1996

20.

G.K., Honorarnote vom 14.5.1997

22.

S.S., Honorarnote vom 12.8.1997

23.

N.B., Behandlung vom 15.7., 26.7. bis 3.8.1998 (Honorarnote vom 3.8.1998)

24.

E.K., Behandlung vom 10.6.1998 (Honorarnote vom 11.6.1998)

26.

M.T., Behandlung vom 1.8. bis 13.8.1998 (Honorarnote vom 19.8.1998)."

Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen § 20 Abs. 1 und 2, § 21 Abs. 1 und 2 des Tierärztegesetzes verstoßen, sich eines des tierärztlichen Standes unwürdigen Verhaltens schuldig gemacht und damit ein Disziplinarvergehen begangen. Er werde hiefür gemäß § 59 Abs. 1 Z. 2 des Tierärztegesetzes mit einer Geldstrafe von S 70.000,-- bestraft. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, gemäß § 60 des Tierärztegesetzes die näher bestimmten Kosten des Disziplinarverfahrens zu tragen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der u.a. gerügt wird, die belangte Behörde habe im Schuldspruch die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tathandlungen nur unzureichend konkretisiert.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, nahm aber von der Erstattung einer Gegenäußerung Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Tierärztegesetzes idF der Novelle BGBl. I Nr. 30/1998 lauten (auszugsweise):

"§ 20. (1) Der Tierarzt hat seinen Beruf gewissenhaft (§ 21) und fachlich eigenverantwortlich (§ 24) auszuüben.

(2) Er hat alles zu vermeiden, das geeignet ist, das Ansehen des Standes der Tierärzte herabzusetzen.

...

§ 21. (1) Jeder Tierarzt ist in seiner beruflichen Tätigkeit verpflichtet, die Berufspflichten einzuhalten und insbesondere auf die Sicherung der menschlichen Gesundheit zu achten.

(2) Der Tierarzt ist in Ausübung seines Berufes frei. Er kann die tierärztliche Berufsausübung, soweit er nicht durch Gesetz oder Vertrag hiezu verpflichtet ist, ablehnen. Er ist in jedem Fall gehalten, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und hat hiebei nach den Erkenntnissen der Veterinärmedizin und nach den geltenden Rechtsvorschriften zu handeln.

...

Disziplinarverfahren

§ 53. (1) Kammermitglieder, die sich eines des tierärztlichen Standes unwürdigen Verhaltens schuldig machen oder ihre Pflichten als Mitglieder der Kammer verletzen, begehen ein Disziplinarvergehen.

...

§ 58. Soweit sich aus den Vorschriften dieses Bundesgesetzes nichts anderes ergibt, sind für die Durchführung des Disziplinarverfahrens die Vorschriften der Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 14/1914 (Anm.: richtig: RGBl. Nr. 15/1914), sinngemäß anzuwenden.

§ 59. (1) Disziplinarstrafen sind:

1.

Der schriftliche Verweis,

2.

Geldstrafen bis zur Höhe des Dreißigfachen der Bundeskammerumlage für freiberufliche Mitglieder,

              3.              Das Verbot der Ausübung des tierärztlichen Berufes höchstens auf die Dauer von fünf Jahren.

(2) Neben einer Geldstrafe kann auch die Wählbarkeit zur Tierärztekammer zeitlich oder dauernd entzogen werden. Bei einem das Ansehen der Tierärzteschaft besonders schädigenden Verhalten kann im Disziplinarerkenntnis auf Veröffentlichung dieses Erkenntnisses in der Österreichischen Tierärztezeitung erkannt werden.

(3) ...

(4) Disziplinarstrafen nach Abs. 1 Z 2 und 3 können bedingt unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von einem bis zu drei Jahren verhängt werden, wenn der Beschuldigte bisher keine andere Disziplinarstrafe als einen schriftlichen Verweis erhalten hat oder eine Disziplinarstrafe bereits getilgt ist.

...

§ 60. Die Kosten des Disziplinarverfahrens sind im Falle des Schuldspruches vom Verurteilten, im Falle des Freispruches von der Bundeskammer zu tragen."

1.2. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen der Dienstpragmatik (im Folgenden: DP) lauteten (auszugsweise):

"Untersuchung

...

§ 120. (1) Der Disziplinaranwalt kann eine ergänzende Ersuchung, namentlich durch Einbeziehung neuer Anschuldigungspunkte, beantragen.

...

Verweisung und Einstellung

§ 122. (1) ...

...

(3) Im Verweisungsbeschluss müssen die Anschuldigungspunkte bestimmt angeführt und die Verfügungen bezeichnet werden, die zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung zu treffen sind. Gegen den Verweisungsbeschluss ist kein Rechtsmittel zulässig.

...

Erkenntnis

...

§ 127. (1) Durch das Erkenntnis der Disziplinarkommission muss der beschuldigte Beamte entweder von der ihm zur Last gelegten Pflichtverletzung freigesprochen oder einer solchen für schuldig erklärt werden.

..."

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Wie sich aus § 58 des Tierärztegesetzes ergibt, sind für die Durchführung des Disziplinarverfahrens subsidiär die Vorschriften der Dienstpragmatik (DP) anzuwenden.

In seinem Erkenntnis vom 26. März 1980, Zl. 1956/77, hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 127 Abs. 1 DP muss der beschuldigte Beamte durch das Erkenntnis der Disziplinarkommission entweder von der ihm zur Last gelegten Pflichtverletzung freigesprochen oder einer solchen für schuldig erklärt werden. Im Fall des Schuldspruches hat das Erkenntnis gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen den Ausspruch über die den Beamten treffende Disziplinar- oder Ordnungsstrafe zu enthalten, sofern nicht Abs. 3 (Absehen von der Strafe) Anwendung findet. Wenn das Gesetz anordnet, dass der Beamte im Falle eines Schuldspruches einer Pflichtverletzung für schuldig zu erklären ist, so bedeutet das, dass das Erkenntnis die Tat umschreiben und als Pflichtverletzung feststellen muss. Teil des Schuldspruches ist also - im Ergebnis nicht anders als dies § 44a lit. a VStG 1950 anordnet - die als erwiesen angenommene Tat. Dies bedeutet, dass die vom beschuldigten Beamten begangene Tat bestimmt umschrieben werden muss (vgl. dazu die 'Anschuldigungspunkte' im § 120 Abs. 1 und die Wendung 'die Anschuldigungspunkte bestimmt angeführt' im § 122 Abs. 3 DP). Andererseits kann nicht übersehen werden, dass das Disziplinarstrafrecht - die Beschwerde weist darauf selbst hin - eben kein Typenstrafrecht ist. Die Bestimmtheit bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat kann daher nicht an entsprechenden Tatbeständen im Sinne des Typenstrafrechtes gemessen werden. Die Wiedergabe des konkreten Verhaltens des Beamten und der dadurch eingetretenen Folgen - auch diese gehören zum 'Tatbestand' im Sinne des § 87 DP - ist daher im Disziplinarrecht geradezu geboten. ..."

Diese Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof nicht nur zur DP (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1995, 92/11/0041), sondern auch zum BDG 1979 aufrecht erhalten, so etwa im hg. Erkenntnis vom 17. November 2004, Zl. 2001/09/0035, wenn ausgeführt wird, dass es den Disziplinarbehörden im Rahmen ihrer gesetzlichen Entscheidungszuständigkeit obliegt, unter Zugrundelegung der im Anschuldigungspunkt enthaltenen, die Tat bestimmenden Sachverhaltselemente bei einem Schuldspruch - im Ergebnis nicht anders als dies § 44a Z. 1 VStG für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens anordnet - die vom beschuldigten Beamten begangene Tat bestimmt zu umschreiben, wobei - mangels eines Typenstrafrechtes - im Einzelnen die Anführung des konkreten Verhaltens und der dadurch bewirkten Folgen sowie weiters des die Pflichtverletzung darstellenden Disziplinar(straf)tatbestandes erforderlich ist.

Dieser an den Spruch eines verurteilenden Disziplinarerkenntnisses anzulegenden Anforderung wird der Spruch des angefochtenen Bescheides nicht gerecht. Die belangte Behörde hat, wie oben wiedergegeben, in sämtlichen acht Fällen von Tierhaltern nicht einmal ansatzweise eine konkrete Umschreibung des Verhaltens des Beschwerdeführers vorgenommen, und zwar insbesondere nicht in Ansehung der im Einzelnen für nicht als medizinisch indiziert erachteten Behandlungsschritte. Der Spruch des angefochtenen Bescheides lässt daher nicht mit der gebotenen Konkretheit erkennen, in welchem Verhalten des Beschwerdeführers die belangte Behörde im Rahmen der Behandlung der - im Übrigen nicht näher bezeichneten - Tiere die von ihr angenommene Verwirklichung des disziplinären Tatbestandes erblickt (vgl. auch in diesem Zusammenhang das erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. November 2004 zur gebotenen konkreten Wiedergabe von Äußerungen eines Beamten, in denen die Behörde Dienstpflichtverletzungen erblickt hat). Daran ändert nichts, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides auf diverse Honorarnoten verwiesen wird, weil in diesen jeweils eine Vielzahl von tierärztlichen Leistungen angeführt ist.

2.2. Der angefochtene Bescheid ist darüber hinaus in einem weiteren Punkt inhaltlich rechtswidrig:

Die belangte Behörde geht im Fall der Tierbesitzerin S.S. ihren Feststellungen zufolge selbst davon aus, dass die medizinische Behandlung durch eine beim Beschwerdeführer tätige namentlich genannte Tierärztin durchgeführt wurde. Im Hinblick auf diese Feststellungen der belangten Behörde ist der Vorwurf an den Beschwerdeführer, auch in diesem Fall nicht notwendige medizinische Behandlungen durchgeführt zu haben, schon auf der Basis der Feststellungen der belangten Behörde unzutreffend.

2.3. Bereits aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, und zwar zur Gänze, aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhang mit der gemäß ihres § 3 Abs. 2 auch im Beschwerdefall anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Ersatz für die Eingabengebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Ausmaß von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 23. Jänner 2007

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Besondere Rechtsgebiete Mängel im Spruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2000110159.X00

Im RIS seit

20.02.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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