TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/13 2006/18/0010

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Veröffentlicht am 13.03.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §1;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §47 Abs3 Z2;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs1;
FrG 1997 §94 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde 1. der E M, geboren 1971, 2. des A M, geboren 1998, und 3. des B M, geboren 1993, alle vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 12. Dezember 2005, Zl. Fr-140/05, betreffend Versagung von Niederlassungsbewilligungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers. Die Beschwerdeführer sind serbische Staatsangehörige.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 12. Dezember 2005 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (die belangte Behörde) die Erstanträge der Beschwerdeführer vom 6. September 2005 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 2 und Abs. 3 Z. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Die Erstbehörde (die Bundespolizeidirektion Salzburg) sei auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens zum Ergebnis gekommen, dass die - für die Begünstigteneigenschaft der Beschwerdeführer erforderliche - Unterhaltsgewährung durch den österreichischen Vater der Erstbeschwerdeführerin nicht möglich sei, die von der Berufung ins Treffen geführte Unterhaltsleistung durch die Mutter der Erstbeschwerdeführerin, die keine Österreicherin sei, könne die Begünstigteneigenschaft der Beschwerdeführer nicht begründen.

Der Vater der Erstbeschwerdeführerin beziehe einen monatlichen Pensionsvorschuss von EUR 780,--; unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen beziehe er ein durchschnittliches Monatseinkommen von EUR 910,--. Seine monatlichen Ausgaben würden sich nach eigenen Angaben auf EUR 120,-

- belaufen, weiters habe er noch zwei Jahre lang monatliche Kreditraten von EUR 250,-- zu bezahlen. Zu berücksichtigen sei, dass der Vater der Erstbeschwerdeführerin in der Wohnung seiner Tochter (einer Schwester der Erstbeschwerdeführerin) lebe und die Kosten für diese Wohnung allein von der Tochter getragen würden. Die Beschwerdeführer würden - nach Einreise - ebenfalls kostenlos in dieser Wohnung wohnen.

Dem Vater der Erstbeschwerdeführerin verblieben nach Abzug der vorgebrachten Lebenshaltungskosten EUR 540,-- monatlich für die Unterstützung der Beschwerdeführer. Da der Sozialhilferichtsatz für die Beschwerdeführer EUR 581,-- betrage, sei der Vater nicht in der Lage, für den Unterhalt der Beschwerdeführer aufzukommen. Er stehe mit seinem Einkommen ohnehin an der Grenze der Leistungsfähigkeit. Der Umstand, dass er derzeit für die Wohnung nichts bezahlen müsse, könne sich jederzeit ändern. Unter Berücksichtigung dieser Umstände könne keinesfalls von einem durch den Vater der Erstbeschwerdeführerin gesicherten Unterhalt gesprochen werden.

Das erstmals in der Berufung erstattete Vorbringen, dass der Vater der Erstbeschwerdeführerin auf Grund der Verpachtung eines Geschäftslokals in Serbien über weitere Einnahmen verfügte, sei nicht glaubwürdig. Nach dem vorgelegten Pachtvertrag bestehe das Pachtverhältnis bereits seit Februar 2004. Dennoch habe weder der Vater der Erstbeschwerdeführerin noch diese selbst bei den Befragungen im erstinstanzlichen Verfahren zu den Einkommensverhältnissen des Vaters diese Einnahmequelle erwähnt. Nach Ansicht der belangten Behörde stelle der vorgebrachte Pachtvertrag lediglich den Versuch dar, nachträglich das Einkommen des Vaters "aufzubessern", um die erforderliche Unterhaltsgewährung darzutun.

Da die Unterhaltsgewährung durch den Vater der Erstbeschwerdeführerin nicht gesichert sei, seien die Anträge der Beschwerdeführer mangels Begünstigteneigenschaft abzuweisen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus einem der Gründe des § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des FrG haben folgenden

Wortlaut:

"§ 47. ...

(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgenden

Angehörige eines EWR-Bürgers:

...

2. Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt wird;

...

§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen. Die Gültigkeitsdauer der ihnen die beiden ersten Male erteilten Niederlassungsbewilligung beträgt jeweils ein Jahr.

...

§ 89. (1) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen und Niederlassungsnachweisen trifft der Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden.

...

(2) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen und Niederlassungsnachweisen trifft jedoch die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, wenn es sich um den Aufenthaltstitel

1. für einen Drittstaatsangehörigen handelt, der nach dem 4. Hauptstück Niederlassungsfreiheit genießt;

...

§ 94. (1) Über Berufungen gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz entscheidet, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz.

...

(4) Über Berufungen gegen Bescheide, die im Zusammenhang mit der Erteilung oder Ungültigerklärung (§ 16 Abs. 1b) von Niederlassungsbewilligungen vom Landeshauptmann oder von der von ihm ermächtigten Bezirksverwaltungsbehörde erlassen worden sind, entscheidet der Bundesminister für Inneres.

..."

2. Der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer sind Enkelkinder und damit Verwandte in absteigender Linie eines österreichischen Staatsbürgers. Da sie das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kommt ihnen die Begünstigteneigenschaft gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z. 2 FrG nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - unabhängig von der Unterhaltsgewährung durch den Großvater zu.

Soweit mit dem angefochtenen Bescheid die Anträge des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abgewiesen wurden gleicht der vorliegende Fall daher jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2005, Zl. 2005/21/0165, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Der angefochtene Bescheid war demnach, soweit damit die Anträge des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers abgewiesen wurden, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die Erstbeschwerdeführerin hat das 21. Lebensjahr bereits vollendet. Ihr käme die Stellung als gemäß § 49 iVm § 47 Abs. 3 Z. 2 FrG begünstigte Angehörige eines Österreichers nur zu, wenn sie von ihrem Vater Unterhalt gewährt erhielte.

Nach der hg. Judikatur sind von § 47 Abs. 3 Z. 2 FrG nicht nur Verwandte des EWR-Bürgers oder Österreichers, sondern auch Verwandte von dessen Ehegatten umfasst (vgl. das Erkenntnis vom 4. Februar 2000, Zl. 99/19/0125, mwN). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Begünstigteneigenschaft auch bei Unterhaltsgewährung durch den Ehegatten eines EWR-Bürgers oder österreichischen Staatsangehörigen besteht. Die Begünstigtenstellung von über 21- jährigen Verwandten (oder Verwandten des Ehegatten) in absteigender Linie hängt vielmehr davon ab, dass der EWR-Bürger oder österreichische Staatsbürger selbst Unterhalt gewährt.

4. Bei einem Antragsteller handelt es sich dann um einen Angehörigen, dem Unterhalt gewährt wird, wenn der angestrebte Aufenthalt in Österreich durch faktische Unterhaltsgewährung des EWR-Bürgers bzw. österreichischen Staatsbürgers getragen sein wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. März 2000, Zl. 99/19/0214, und die dort zitierte Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften).

Ein Aufenthalt wird dann durch Unterhaltsleistungen einer anderen Person "getragen", wenn diese Person für alle wesentlichen Unterhaltsbedürfnisse aufkommt.

5. Unstrittig soll die Erstbeschwerdeführerin in Österreich kostenlos bei ihrer Schwester wohnen. Die Erstbeschwerdeführerin hat in der Berufung - in Übereinstimmung mit der Aussage ihrer Mutter bei deren niederschriftlicher Vernehmung am 4. Oktober 2005 - vorgebracht, dass sie neben ihrem Vater auch von ihrer Mutter - die ein wesentliches höheres Einkommen habe als der getrennt von ihr lebende Vater - Unterhalt beziehe. Im Übrigen wird auch in der Beschwerde behauptet, dass für die Unterhaltsleistungen an die Erstbeschwerdeführerin nicht nur das Einkommen des Vaters, sondern auch das höhere Einkommen der Mutter zur Verfügung stehe.

Somit wird der gesamte Wohnungsaufwand in Österreich - der einen wesentlichen Teil des Unterhaltsbedarfs ausmacht - von der Schwester der Beschwerdeführerin getragen. Vom verbleibenden Bedarf wird nach dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin tatsächlich nur ein Teil vom österreichischen Vater gedeckt.

Bei diesem Sachverhalt kann - unabhängig von der Frage der Leistungsfähigkeit des Vaters - nicht davon gesprochen werden, dass der angestrebte Aufenthalt von den Unterhaltsleistungen des österreichischen Vaters der Beschwerdeführerin "getragen" sein werde.

6. Die belangte Behörde ist daher zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass die Erstbeschwerdeführerin mangels Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z. 2 FrG nicht als begünstigte Angehörige eines Österreichers anzusehen ist.

Zur Entscheidung über den Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wäre daher gemäß § 89 Abs. 1 FrG in erster Instanz der Landeshauptmann berufen gewesen. Die - sich aus § 94 Abs. 1 FrG ergebende - Zuständigkeit der belangten Behörde als Berufungsbehörde reicht daher nur soweit, den von der sachlich unzuständigen Bundespolizeidirektion in erster Instanz erlassenen Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. März 2000, Zl. 99/19/0215). Die belangte Behörde hat sich jedoch in Verkennung dieser Rechtslage nicht darauf beschränkt, sondern den Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt.

7. Der angefochtene Bescheid war daher auch, soweit damit der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. März 2007

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Diverses Instanzenzug Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006180010.X00

Im RIS seit

11.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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