TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/28 2006/04/0105

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Veröffentlicht am 28.03.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §52;
GewO 1994 §356b Abs1 Z1;
GewO 1994 §356b Abs1 Z2;
GewO 1994 §356b Abs1 Z3;
GewO 1994 §356b Abs1 Z4;
GewO 1994 §356b Abs1 Z5;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs2 Z5;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77 Abs2;
GewO 1994 §77;
GewO 1994 §81;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Papst, über die Beschwerde 1. des Mag. JB in O, 2. des JB und 3. der KB, beide in K, sämtliche vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Harrachstraße 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 24. April 2006, Zlen. VwSen-530388/5/Re/Sta und VwSen- 530389/2/Re/Sta, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: K Handelsgesellschaft mbH, vertreten durch Dr. Werner Steinacher, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Jahnstraße 11), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er den Erstbescheid bestätigt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 9. September 2005 wurde die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei durch Errichtung und Betrieb einer Kfz-Werkstätte und von Büroräumen im Bereich der ehemaligen Garage gemäß § 81 GewO 1994 erteilt. Nach der Beschreibung durch die Erstbehörde sollen im Werkstättenbereich u.a. drei Hebebühnen, eine Drehbank, ein Schutzschweißgerät für Auspuffreparaturen, ein Reifenmontier- und - wuchtgerät und eine Bohrmaschine aufgestellt und damit Wartungs- und Servicearbeiten durchgeführt werden. Spengler- und Karosseriearbeiten würden nicht durchgeführt. Als Betriebszeiten werden im Erstbescheid Montag bis Freitag von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr und Samstag von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr genannt. Als Auflage wurde der mitbeteiligten Partei u.a. das Geschlossenhalten der Tore während der Arbeiten in der Werkstätte vorgeschrieben. Die Oberflächenwässer seien in Versickerungsanlagen einzuleiten. Gegen diesen Bescheid richtete sich die Berufung der Beschwerdeführer.

Mit dem ersten Spruchteil des angefochtenen Bescheides behob die belangte Behörde den Erstbescheid insoweit, als mit diesem unter der Überschrift "Oberflächenwässerableitung" auch eine behördliche Bewilligung für die Versickerung von Niederschlagswässern in einer Versickerungsmulde erteilt und in diesem Zusammenhang Auflagen vorgeschrieben worden waren. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die Mitanwendung der Vorschriften des Wasserrechtsgesetzes im Gewerbeverfahren nur für die im § 356b Abs. 1 Z. 1 bis 5 GewO 1994 genannten Maßnahmen vorgesehen sei. Die Versickerung von Oberflächenwässern falle nicht unter diese Aufzählung und bedürfe daher einer gesonderten wasserrechtlichen Bewilligung. Auch die im Erstbescheid unter wasserrechtlichen Gesichtspunkten vorgeschriebenen Auflagen seien daher aufzuheben gewesen.

Mit dem zweiten Spruchteil des angefochtenen Bescheides bestätigte die belangte Behörde die Genehmigung für die genannte Änderung der Betriebsanlage. In der Begründung dazu verwies sie zum bestehenden Konsens auf vorliegende gewerbebehördliche Genehmigungen aus den Jahren 1988 und 2000 für einen Kfz-Handels- und Reparaturbetrieb und eine Prüfhalle für Kraftfahrzeuge. Mit Antrag vom 30. August 2004 habe die mitbeteiligte Partei erstmals um Genehmigung der gegenständlichen Änderungen angesucht, das Ansuchen sei aber während des erstinstanzlichen Verfahrens wieder zurückgezogen worden. Am 2. Mai 2005 habe die mitbeteiligte Partei einen neuen Antrag bezüglich der gegenständlichen Änderungen eingebracht und ein "umfangreiches schalltechnisches Projekt" des Dipl. Ing. W. (beinhaltend Messberichte vom Oktober 2004 und vom April 2005) vorgelegt, in dem auch auf die erweiterten Betriebszeiten eingegangen werde. In der Verhandlung vom 19. Mai 2005 sei der Antrag der mitbeteiligten Partei dahingehend eingeschränkt worden, dass keine Spenglerarbeiten durchgeführt werden sollen. Die Messergebnisse des Dipl. Ing. W. für die "sensibelsten Zeiten, nämlich ab 6.00 Uhr früh bzw. bis 22.00 Uhr abends" hätten dazu geführt, dass "nach Verbesserung der Schalldämmung der Tore und Türen (Erhöhung Schalldämmmaß von 14 auf 35 dB)" bei den Tätigkeiten Hämmern, Schleifen und Schlagschrauben bei geschlossenen Türen gearbeitet werden müsse, während diese bei sonstigen Tätigkeiten geöffnet sein könnten. Die Höhe der Messwerte zeige, dass es unter den genannten Voraussetzungen zu einer "Nicht-Verschlechterung" der Ist-Situation komme, sodass die Einholung eines medizinischen Gutachtens nicht notwendig gewesen sei. Auch eine "ergänzende lärmtechnische Beurteilung", wie sie die Beschwerdeführer beantragt hätten, sei im Hinblick auf die Liegenschaften der Beschwerdeführer nicht notwendig gewesen. Die im schalltechnischen Projekt genannten Immissionswerte seien zwar für einen Immissionspunkt auf der Betriebsliegenschaft ermittelt worden, die Liegenschaft der Zweit- und Drittbeschwerdeführer in 200 Meter Entfernung sei aber "laut vorliegendem Kartenmaterial auch durch

andere Objekte ... abgeschirmt", die dem Betriebsgrundstück

unmittelbar benachbarte Liegenschaft des Erstbeschwerdeführers sei unbebaut und daher nur für einen vorübergehenden Aufenthalt nutzbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung je einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen hat:

Gegen den ersten Spruchteil des angefochtenen Bescheides und die Ausklammerung der Versickerung der Niederschlagswässer aus dem Gewerbeverfahren machen die Beschwerdeführer geltend, dass Gegenstand der vorliegenden Genehmigung auch Reparaturarbeiten an Kraftfahrzeugen seien, die auf der Freifläche vor der Werkstätte durchgeführt würden. Es sei daher evident, dass es dadurch zum Eindringen bzw. Versickern von Stoffen in den Boden und damit in das Grundwasser komme. Daher hätte die belangte Behörde im Rahmen des vorliegenden Verfahrens einen wassertechnischen Sachverständigen beiziehen müssen.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegen zu halten, dass die Freifläche vor der gegenständlichen Werkstätte nach der im Spruch des Erstbescheides wiedergegebenen Betriebsbeschreibung lediglich zum Abstellen von bis zu vier Fahrzeugen dienen soll. § 356b Abs. 1 Z. 1 bis 5 GewO 1994 nennt taxativ jene Maßnahmen, die eine Mitanwendung des Wasserrechtsgesetzes im gewerbebehördlichen Verfahren bewirken. Die Versickerung von Abwasser (Niederschlagswasser) wird in dieser Aufzählung nicht genannt und bedarf daher einer gesonderten wasserrechtlichen Bewilligung (vgl. dazu Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung, 2. Auflage, Rz 16 und 23 zu § 356b). Seitens des Verwaltungsgerichtshofes ist es daher nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde die Versickerung von Niederschlagswasser im gegenständlichen Gewerbeverfahren nicht mitbehandelt hat. Im Hinblick auf das Erfordernis einer gesonderten wasserrechtlichen Bewilligung können sich die Beschwerdeführer im Gewerbeverfahren daher nicht auf § 74 Abs. 2 Z. 5 GewO 1994 berufen.

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Behebung des wasserrechtlichen Teiles des Erstbescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Gegen den zweiten Spruchteil des angefochtenen Bescheides, die gewerberechtliche Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage, bringen die Beschwerdeführer vor, dass mit dem Betrieb eine unzumutbare Belästigung verbunden sei, weil die Genehmigung insbesondere auch zu einer Erweiterung der Betriebszeiten auf nunmehr 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr (Montag bis Freitag) bzw. 06.00 Uhr bis 18.00 Uhr (Samstag) führe. Diese Verlängerung der Betriebszeiten sei im Hinblick auf die gegenständlichen betrieblichen Tätigkeiten - auch die Reparatur und Wartung von Kraftfahrzeugen erfordere ein teilweise lärmintensives Arbeiten - als Schikane gegenüber den Nachbarn anzusehen. Wenn sich die belangte Behörde auf die Schallmesswerte des Dipl. Ing. W. berufe und daraus eine "Nicht-Verschlechterung der Ist-Situation" ableite, so sei dem einerseits entgegen zu halten, dass die ermittelten Lärmwerte des Dipl. Ing. W. auf der Annahme der Erhöhung des Schalldämmmaßes des Tores der Werkstätte beruhten, die von der Behörde aber nicht vorgeschrieben worden sei. Andererseits habe der technische Amtssachverständige die von Dipl. Ing. W. angenommenen Innenpegel im Hinblick auf die Projekteinschränkung (Verzicht auf Spenglerarbeiten in der Werkstätte) in der Verhandlung als "nicht mehr relevant" angesehen, gleichzeitig aber die Lärmfrage unbeantwortet gelassen. Die Beschwerdeführer hätten zum Beweis dafür, dass durch die Lärmentwicklung der geänderten Betriebsanlage im Hinblick auf die erweiterten Öffnungszeiten eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu befürchten sei, die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beantragt. Diesem Antrag und dem Antrag auf Einholung eines Lärmgutachtens habe die belangte Behörde zu Unrecht nicht entsprochen.

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen ...

Die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 81 GewO 1994 sind keine anderen als jene, an die das Gesetz im § 77 die Errichtung und den Betrieb einer Anlage knüpft (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 (2003) S. 654 dargestellte Judikatur).

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Zunächst bestehen beim Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Klarstellung der Person des Konsenswerbers in der Verhandlung vom 19. Mai 2005 entgegen den Beschwerdeausführungen keine Bedenken, dass dem angefochtenen Bescheid ein Antrag der mitbeteiligten Partei auf Genehmigung der gegenständlichen Anlagenänderung zu Grunde liegt.

Das weitere Vorbringen der Beschwerde ist aber zielführend:

Die Feststellung, ob die (auch für die Änderung einer Betriebsanlage gemäß § 81 GewO 1994 maßgebenden) Genehmigungsvoraussetzungen nach § 77 GewO 1994 vorliegen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend der in diesem Zusammenhang im § 77 Abs. 2 GewO 1994 enthaltenen Tatbestandsmerkmal auszuüben vermögen (vgl. aus vielen das hg. Erkenntnis vom 26. April 2006, Zlen. 2003/04/0190, 191, mwN).

Dem angefochtenen Bescheid liegt zusammengefasst die - auf den Angaben des Dipl. Ing. W im "Messbericht und schalltechnischen Projekt" vom Oktober 2004 und April 2005 beruhende - Ansicht der belangte Behörde zu Grunde, durch die gegenständlichen Änderung der Betriebsanlage komme es in Bezug auf Lärm zu einer "Nicht-Verschlechterung der Ist-Situation". Im Verwaltungsverfahren habe daher auf die Einholung eines medizinischen Gutachtens zur Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen des § 77 GewO 1994 verzichtet werden können.

Nach den mit der Aktenlage im Einklang befindlichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid war der genannte "Messbericht und schalltechnisches Projekt", wie schon der Titel besagt, ein Teil der Einreichunterlagen der mitbeteiligten Partei (vgl. auch die Aufzählung der Projektsunterlagen im Spruch des Erstbescheides). Als Teil der vom Konsenswerber vorgelegten Projektsunterlagen war der genannte Messbericht daher im Sinne der zitierten Judikatur vom gewerbetechnischen Sachverständigen einer Überprüfung auf seine Richtigkeit zu unterziehen, der Messbericht als Einreichunterlage konnte aber keinesfalls die Beurteilung durch den gewerbetechnischen Sachverständigen ersetzen. Im Hinblick auf die von den Beschwerdeführern in der Verhandlung vom 19. Mai 2005 eingewendeten unzumutbaren Lärmbelästigungen wäre es daher Aufgabe der Gewerbebehörde gewesen, vom gewerbetechnischen Sachverständigen Befund und Gutachten darüber einzuholen, ob von der Betriebsanlage nach dem Projekt (v.a. schalltechnische) Einflüsse auf die Nachbarschaft zu erwarten sind, deren Ausmaß und Quellen zu bestimmen und gegebenenfalls Vorkehrungen zur Vermeidung oder Verringerung der zu erwartenden Immissionen vorzuschlagen. Dies schließt nicht aus, dass der gewerbetechnische Sachverständige seiner Beurteilung die vom Konsenswerber vorgelegten Messberichte zu Grunde legen kann, sofern er diese nach eigenverantwortlicher Überprüfung für unbedenklich hält. Ein diese Voraussetzungen erfüllendes gewerbetechnisches Gutachten wurde, wie die Aktenlage zeigt, zumindest seit dem hier maßgeblichen Genehmigungsantrag vom 2. Mai 2005 nicht erstattet. In der Verhandlung vom 19. Mai 2005 hat der technische Sachverständige zur Frage der Lärmemissionen bloß ausgeführt, dass die im schalltechnischen Projekt (Messbericht) getroffenen Annahmen der Innenpegel wegen der in dieser Verhandlung erfolgten Projektseinschränkung (Spenglerarbeiten) "nicht mehr relevant" seien, er hat aber nicht schlüssig dargelegt, von welchen Lärmemissionen bei Zugrundelegung des geänderten Projekts nunmehr ausgegangen werden müsse. Nicht nachvollziehbar und daher nicht tragfähig sind die damit im Zusammenhang stehenden Ausführungen des Sachverständigen, es würden in der Werkstätte angesichts der genannten Projektseinschränkung "keine lärmintensiven" Tätigkeiten mehr durchgeführt, weil dies einerseits mangels Präzisierung nicht aussagekräftig ist und andererseits mit der Betriebsbeschreibung im Widerspruch steht, nach der in der Werkstätte weiterhin etwa die Reifen- und Auspuffmontage vorgesehen ist, wobei das zugehörige Schlagschrauben nach den Messberichten sehr wohl erhebliche Schallleistungspegel verursacht. Vor diesem Hintergrund hat die belangte Behörde zu Unrecht die Auffassung vertreten, sie könne auf die Einholung eines gewerbetechnischen Gutachtens verzichten.

Daran ändert auch die Auflage, wonach die Tore der Werkstätte während der Arbeiten geschlossen zu halten sind, nichts. Einerseits weisen nämlich die Beschwerdeführer zutreffend darauf hin, dass selbst nach den Ausführungen des Dipl. Ing. W. in den genannten Messberichten das Geschlossenhalten der Werkstättentore nur dann eine ausreichende Maßnahme darstellt, wenn der Schalldämmwert der Tore (der laut Messbericht vom Oktober 2004 bei 15 dB lag) auf 35 dB erhöht wird, was im Genehmigungsbescheid aber nicht sicher gestellt wurde. Andererseits werden nach den Messberichten schalltechnische Spitzenpegel - bis 95 dB - auch durch das Türenzuschlagen und das beschleunigte Wegfahren der Pkw vor der Werkstätte (auf der Betriebsanlage) verursacht, die somit auch durch das Geschlossenhalten der Werkstättentore nicht reduziert werden können. Speziell was die letztgenannten Schallquellen betrifft, kann entgegen der Ansicht der belangten Behörde - ohne technischen Sachverstand - auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Entfernung der Liegenschaft der Zweit- und Drittbeschwerdeführer einen ausreichenden Schutz biete oder dass andere aus dem Kartenmaterial ersichtliche Objekte eine ausreichende Abschirmung vor unzumutbaren Lärmbelästigungen bewirken. Sollte das im fortgesetzten Verfahren zu erstattende technische Gutachten eine Erhöhung der Lärmimmissionen bei den Nachbarn durch das Betriebsgeschehen (v.a. durch beschleunigtes Zu- und Abfahren von Kraftfahrzeugen am Betriebsgelände) ergeben, so wird jedenfalls auch die verfahrensgegenständliche Ausdehnung der Betriebszeiten auf 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr der Beurteilung durch einen medizinischen Sachverständigen zu unterziehen sein.

Da die belangte Behörde nach dem Gesagten in unrichtiger Beurteilung der Rechtslage wesentliche Ermittlungen unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid, soweit er die Genehmigung der Betriebsanlagenänderungen betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. März 2007

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteSachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztSachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006040105.X00

Im RIS seit

04.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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