TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/29 2007/15/0005

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Veröffentlicht am 29.03.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §224 Abs3;
BAO §248;
BAO §254;
BAO §92;
BAO §93;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2007/15/0006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des ID in H, vertreten durch Detlef Frank Bock, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Spengergasse 1/3, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, 1. vom 16. November 2006, GZ. RV/2114-W/06, betreffend Haftung für Abgaben (hg. 2007/15/0005), und 2. vom 24. Oktober 2005, GZ. RV/3249-W/02, betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für die Monate 2-12/2000 und 1-6/2001 (hg. 2007/15/0006),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde (2007/15/0005) wird als unbegründet abgewiesen.

2. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde (2007/15/0006) wird zurückgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und den vorgelegten Bescheiden ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer sei vom 10. September 1996 bis 22. Juli 2004 einer von mehreren Geschäftsführern einer - näher bezeichneten - GmbH gewesen. Ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH sei mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen und die Gesellschaft gemäß § 39 FBG aufgelöst worden und sie sei in Liquidation getreten. Zum Liquidator sei ein anderer Geschäftsführer ab 22. Juli 2004 bestellt worden.

Am 1. Oktober 2001 sei bei der GmbH eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung vorgenommen worden. Im Zuge dieser Prüfung seien geltend gemachte Vorsteuern nicht anerkannt worden. Das Finanzamt habe den Feststellungen der Prüfung folgend die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 9. Oktober 2001 festgesetzt und an Vorsteuer für die Monate 2-12/2000 S 148.740,40 an Stelle der beantragten S 474.085,49, und für die Monate 1-6/2001 S 35.288,53 an Stelle der beantragten S 197.083,48 festgesetzt.

Über Berufung der GmbH habe das Finanzamt im Februar 2002 eine teilweise stattgebende Berufungsvorentscheidung erlassen. Nach Einbringung eines Vorlageantrages habe die belangte Behörde mit Bescheid vom 24. Oktober 2005 die Berufung gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Monate 2-12/2000 als unbegründet abgewiesen und der Berufung hinsichtlich der Festsetzung der Umsatzsteuer für die Monate 1-6/2001 im Umfang der Berufungsvorentscheidung teilweise Folge gegeben.

Diese Berufungsentscheidung sei an die GmbH in Liquidation, zu Handen des Liquidators, Adresse unbekannt, gerichtet gewesen. In der Begründung habe die belangte Behörde dazu ausgeführt, der Bescheid werde gemäß § 25 Zustellgesetz durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt, weil auf Grund der Erhebungen festgestellt worden sei, dass die Geschäftsadresse der GmbH laut Firmenbuchauszug unbekannt sei und hinsichtlich des zustellungsbefugten Liquidators keine aufrechte Meldeadresse vorliege.

Das Finanzamt nahm den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 11. Oktober 2001 als Haftenden für die Abgabenschuldigkeiten der GmbH, nämlich Umsatzsteuer 2-12/2000, und 1-6/2001 sowie Säumniszuschlag, in Anspruch. In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, der Rückstand bestehe wegen nicht anerkannter Vorsteuern wegen Formfehler der Rechnungen. Die Bescheide nach der Betriebsprüfung seien noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Es liege keine schuldhafte Pflichtverletzung vor, weil die Adressen der Geschäftspartner im Berufungsverfahren nachgewiesen werden könnten.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. November 2006 der Berufung teilweise stattgegeben und der Haftungsbetrag eingeschränkt. Die belangte Behörde führte dazu aus, parallel zum Haftungsbescheid sei ein Sicherstellungsauftrag erlassen worden und seien in der Folge Pfändungen durchgeführt worden. Dadurch einlangende Beträge seien verbucht worden und sei die Haftung auf den noch ausstehenden Betrag laut Rückstandsaufgliederung vom 14. November 2006 einzuschränken gewesen.

Die GmbH sei seit Herbst 2001 nicht mehr tätig, die Rückstände könnten bei der GmbH nicht mehr eingebracht werden. Der Beschwerdeführer sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer tätig geworden. Ihm sei die Obsorge für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der GmbH oblegen. Da dem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid vorausgegangen sei, habe sich die belangte Behörde im Haftungsverfahren an diesen Abgabenbescheid zu halten. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung seien daher nicht zulässig. Der Beschwerdeführer hätte gemäß § 248 BAO innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch Berufung gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch erheben können.

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der GmbH sei es Sache des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge getragen habe, dass die GmbH die Abgaben rechtzeitig entrichtet habe, widrigenfalls könne die Abgabenbehörde von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers ausgehen. Im Abgabenverfahren seien Vorsteuern aus Rechnungen von Subunternehmern nicht anerkannt worden, weil diese an den auf den Rechnungen angeführten Adressen unbekannt gewesen seien. Die jeweiligen Hausverwaltungen hätten keine Kenntnis von der Existenz dieser Unternehmen gehabt. Der Beschwerdeführer hätte sich vor Geltendmachung der Vorsteuern davon überzeugen müssen, dass er es mit einem ordnungsgemäßen Unternehmer zu tun habe. Da er dies unterlassen habe, sei von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen. Bei einer schuldhaften Pflichtverletzung spreche die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben.

Über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer trägt vor, die belangte Behörde gehe davon aus, dass der Bescheid vom 24. Oktober 2005, GZ. RV/3249- W/02, zugestellt durch öffentliche Bekanntmachung, in Rechtskraft erwachsen wäre. Dies sei unrichtig. Die GmbH sei in diesem Verfahren von einer Steuerberaterin vertreten gewesen. Diese sei auch zustellungsbevollmächtigt gewesen. Ihr hätte daher die Berufungsentscheidung zugestellt werden müssen. Es sei bisher eine wirksame Zustellung nicht erfolgt. Dieser Bescheid sei daher nicht in Rechtskraft erwachsen.

Der angefochtene Bescheid vom 16. November 2006, GZ. RV/2114- W/06, sei schon deshalb rechtswidrig, weil er auf Grund des nicht in Rechtskraft erwachsenen Bescheides vom 24. Oktober 2005 ergangen sei.

Der angefochtene Bescheid betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate 2-12/2000 und 1-6/2001 bezeichnet die GmbH in Liquidation als die Person, an die er ergeht. Dieser Bescheid ist nicht an den Beschwerdeführer ergangen. Selbst wenn die belangte Behörde, wie dies in der Beschwerde behauptet wird, den Bescheid an die GmbH nicht wirksam zugestellt haben sollte, verletzt dies den Beschwerdeführer nicht in seinen subjektiven Rechten. Er ist daher zur Erhebung der Beschwerde gegen diesen Bescheid nicht berechtigt. Seine Beschwerde war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 leg. cit. gebildeten Senat zurückzuweisen.

Gegen den Haftungsbescheid wird in der Beschwerde lediglich vorgetragen, der Bescheid, mit dem die Abgaben festgesetzt worden seien, für die er in Anspruch genommen werde, seien nicht in Rechtskraft erwachsen. Damit zeigt die Beschwerde jedoch keine Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides auf: Die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung setzt zwar das Bestehen einer Abgabenschuld voraus, nicht jedoch, dass diese Schuld dem Abgabenschuldner gegenüber rechtskräftig festgestellt wurde; abgabenrechtliche Haftungen haben nämlich keinen bescheidakzessorischen Charakter. Dies folgt u.a. aus § 224 Abs. 1 BAO, der die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides bis zur Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe zulässt.

Ist dem Haftungsbescheid ein an den Abgabepflichtigen ergangener Abgabenbescheid vorangegangen, ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. Jänner 2004, 2003/14/0095, und vom 24. Februar 2004, 99/14/0242).

Im Beschwerdefall hat das Finanzamt gegenüber der GmbH am 9. Oktober 2001 einen Abgabenbescheid erlassen. Gemäß § 254 BAO wird durch die Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten. Bescheide gehören mit ihrer Erlassung dem Rechtsbestand an. Berufungen, gleichgültig ob vom Primärschuldner oder vom Haftungsschuldner eingebracht, berühren die Wirkungen des Bescheides nicht. Selbst unter der Annahme der Beschwerde, dass über das Rechtsmittel gegen den Abgabenbescheid noch nicht wirksam entschieden worden sei, bestünden die Wirkungen des Bescheides des Finanzamtes weiterhin.

Der Beschwerdeführer hat von dem Bescheid des Finanzamtes über die Abgabenfestsetzung - wie die Darstellung des unwidersprochenen Verwaltungsgeschehens im Haftungsbescheid zeigt -

Kenntnis gehabt. Wenn er neben der Berufung gegen den Haftungsbescheid eine Berufung gemäß § 248 BAO gegen den Abgabenbescheid erhoben hätte, wäre zunächst über die Berufung gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden gewesen, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt. Auch dies zeigt, dass die Heranziehung des Geschäftsführers zur Haftung für Abgabenrückstände der GmbH keinen rechtskräftigen Abgabenbescheid voraussetzt (vgl. außer den zitierten Erkenntnissen etwa das vom 17. Oktober 2001, 2001/13/0127).

Der Beschwerdeführer kann daher mit der bloßen Behauptung in der Beschwerde, der Abgabenbescheid sei nicht in Rechtskraft erwachsen, keine Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides aufzeigen; die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 29. März 2007

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007150005.X00

Im RIS seit

08.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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