TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/24 2007/11/0021

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Veröffentlicht am 24.04.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs4;
StGB §83 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. K in W, vertreten durch Mag. Ute Maria Caviola, Mag. Clemens Canigiani, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Josefstädterstraße 6/15, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. Dezember 2006, Zl. UVS-FSG/12/2029/2006/9, betreffend Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Verwaltungsakt erliegt eine mit L. aufgenommene Niederschrift der Bundespolizeidirektion Wien vom 1. November 2005, der zufolge der Beschwerdeführer am selben Tag an einer näher bezeichneten Straßenkreuzung in Wien um ca. 11:30 Uhr mit L. eine körperliche Auseinandersetzung gehabt hätte. Der Niederschrift zufolge hätte L. von seinem Fahrzeug aus durch Betätigung der Lichthupe und mit den Händen gestikulierend versucht, dem vor ihm mit dem Fahrzeug an der angeführten Kreuzung stehenden Beschwerdeführer klarzumachen, dieser solle sich derart auf einem Fahrstreifen einordnen, dass L. an ihm vorbei fahren könne. Daraufhin wäre der Beschwerdeführer aus seinem Auto gestiegen, hätte L. beschimpft und ihm einen Faustschlag mit der rechten Hand ins Gesicht versetzt, wodurch dieses an der Nase und Oberlippe verletzt sowie ein Stiftzahn beschädigt worden wäre.

Im Verwaltungsakt erliegt außerdem eine Mitteilung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25. Oktober 2006, wonach gegen den Beschwerdeführer am 18. Oktober 2006 Strafantrag - offenkundig wegen § 83 StGB - erhoben und für den 9. Januar 2007 eine Hauptverhandlung ausgeschrieben wurde.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2006 forderte die Bundespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 FSG auf, sich binnen zwei Wochen nach Zustellung einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Bei Nichterfüllung dieser Forderung müsse dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung entzogen werden. Begründend wurde ausgeführt, beim Beschwerdeführer bestehe der Verdacht, dass er zu unbeherrschter Aggressivität neige, weshalb begründete Zweifel in der Richtung bestünden, dass der Beschwerdeführer die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B nicht mehr besitze.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es werde nicht bestritten, dass gegen ihn eine Polizeianzeige erhoben wurde, wohl aber dass er L. die von diesem behauptete Verletzung zugefügt hätte.

Der Berufung wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (UVS) mit dem angefochtenen Berufungsbescheid vom 6. Dezember 2006 keine Folge gegeben, der erstbehördliche Bescheid jedoch mit der Maßgabe abgeändert, dass die Frist von zwei Wochen zur Erfüllung der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, mit Zustellung des Berufungsbescheides beginne.

In der Begründung führte der UVS nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens und unter Anführung der §§ 24 Abs. 1 FSG und 3 Abs. 1 FSG-GV aus, gegen den Beschwerdeführer sei Strafantrag wegen § 83 StGB erhoben und eine Hauptverhandlung ausgeschrieben worden. Damit stehe dieser in Verdacht, er habe am 1. November 2005, um ca. 11.30 Uhr, an einer näher bezeichneten Straßenkreuzung in Wien Herrn L. geschlagen und ihm dadurch eine Verletzung an der Nase und Oberlippe sowie an einem Zahn zugefügt. Somit sei davon auszugehen bzw. sei die angesetzte Hauptverhandlung Indiz dafür, dass hinreichende Beweise gegen den Beschwerdeführer vorlägen, die angeführte Tat begangen zu haben. Wer jemanden am Körper verletzt, weise nach der Alltagserfahrung "schon ein gewisses Aggressionspotential auf".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"1. Abschnitt

...

Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§ 8 und 9)

...

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24.

...

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

..."

1.2. Die einschlägigen Bestimmungen der FSG-GV lauten (auszugsweise):

"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt

...

Gesundheit

§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:

...

2. organische Erkrankungen des zentralen oder peripheren Nervensystems, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges und das Einhalten der für das Lenken des Kraftfahrzeuges geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnten,

3. Erkrankungen, bei denen es zu unvorhersehbaren Bewusstseinsstörungen oder -trübungen kommt,

4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:

a)

Alkoholabhängigkeit oder

b)

andere Abhängigkeiten, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges und das Einhalten der für das Lenken des Kraftfahrzeuges geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnten,

...

Psychische Krankheiten und Behinderungen

§ 13. (1) Als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 gelten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt.

(2) Personen, bei denen

1. eine angeborene oder infolge von Krankheiten, Verletzungen oder neurochirurgischen Eingriffen erworbene schwere psychische Störung,

2.

eine erhebliche geistige Behinderung,

3.

ein schwerwiegender pathologischer Alterungsprozess oder

4.

eine schwere persönlichkeitsbedingte Störung des Urteilsvermögens, des Verhaltens und der Anpassung

besteht, darf eine Lenkberechtigung nur dann erteilt oder belassen werden, wenn das ärztliche Gutachten auf Grund einer psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme, in der die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt wird, die Eignung bescheinigt."

              2.              Die Beschwerde ist begründet.

Obwohl der Beschwerdeführer das ihm von der belangten Behörde zur Last gelegte Verhalten (Verletzung eines Dritten am Körper im Zuge einer tätlichen Auseinandersetzung) schon im Verwaltungsverfahren bestritten hat, begnügt sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit einem bloßen Hinweis auf den aktenkundigen Umstand, dass gegen den Beschwerdeführer im Hinblick auf § 83 Abs. 1 StGB Strafantrag gestellt und eine Hauptverhandlung ausgeschrieben worden ist. Daraus leitet sie beim Beschwerdeführer das Vorliegen eines "gewissen Aggressionspotentials" ab. Eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Da eine Beweiswürdigung der insofern entgegengesetzten Beweisergebnisse nicht einmal ansatzweise vorhanden ist, ist der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund mit einem Verfahrensmangel behaftet. Dieser Verfahrensmangel ist auch wesentlich, weil bei Zutreffen der Behauptungen des Beschwerdeführers, wonach er das ihm zur Last gelegte Vergehen nicht begangen habe, von einem Verhalten, das Zweifel an seiner gesundheitlichen Eignung hervorrufen könnte, nicht die Rede sein kann (vgl. in diesem Zusammenhang die hg. Erkenntnisse vom 30. September 2002, Zl. 2002/11/0120 und vom 27. Januar 2005, Zl. 2004/11/0217).

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 24. April 2007

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007110021.X00

Im RIS seit

17.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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