TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/25 2006/20/0047

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Veröffentlicht am 25.04.2007
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §10 Abs2 idF 2002/I/126;
MRK Art8;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/20/0048 2006/20/0049

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerden 1. des K E, geboren 1960, 2. des E E, geboren 1988, und 3. des M E, geboren 1990, alle in L, alle vertreten durch Mag. Roland Schwab, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Huemerstraße 1/Kaplanhofstraße 2, gegen den unabhängigen Bundesasylsenat jeweils wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem Asylgesetz 1997 zu Recht erkannt:

Spruch

Den Berufungen von K E, E E und M E vom 22. April 2002 gegen die Bescheide des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 4. April 2002, Zahlen: 01 16.447-BAT, 01 16.445-BAT und 01 16.446- BAT, wird stattgegeben und K E, E E und M E gemäß § 42 Abs. 4 zweiter Satz VwGG iVm §§ 10 und 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 Asyl gewährt. Gemäß § 12 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 wird festgestellt, dass den Beschwerdeführern damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.171,20 (in Summe daher EUR 3.513,60) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Kostenersatzmehrbegehren werden abgewiesen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer, seine Ehefrau S A und ihre gemeinsamen Söhne E E und M (Zweit- und Drittbeschwerdeführer), alle iranische Staatsangehörige, reisten am 17. Juli 2001 in das Bundesgebiet ein; am 17. bzw. 18. Juli 2001 stellten S A beim Bundesasylamt einen Antrag auf Gewährung von Asyl sowie die übrigen drei Familienangehörigen dazu Asylerstreckungsanträge.

Das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, wies mit Bescheid vom 4. April 2002, Zahl: 01 16.444-BAT, den Asylantrag der S A gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Iran gemäß § 8 leg. cit. für zulässig; mit Bescheiden vom gleichen Tag, Zahlen: 01 16.447-BAT, 01 16.445-BAT und 01 16.446-BAT, wurden die Asylerstreckungsanträge der genannten weiteren Familienangehörigen gemäß § 10 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 AsylG abgewiesen.

Am 13. März 2006 brachten alle vier Familienangehörigen Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG ein, da die belangte Behörde innerhalb der (sechsmonatigen) Frist des § 27 Abs. 1 VwGG nicht über ihre jeweiligen, rechtzeitig erhobenen Berufungen vom 22. April 2002 gegen die erstinstanzlichen Bescheide des Bundesasylamtes entschieden hatte.

In dem zur hg. Zl. 2006/20/0046 (über die Säumnisbeschwerde von S A) geführten Verfahren hat der unabhängige Bundesasylsenat innerhalb der ihm gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist die Entscheidung nachgeholt und mit Bescheid vom 19. Juni 2006, Zl. 228.211/0-VI/42/02, den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. April 2002, Zahl: 01 16.444-BAT, gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. In weiterer Folge hat das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, mit - seit 8. November 2006 rechtskräftigem - Bescheid vom 20. Oktober 2006, Zahl: 01 16.444- BAL, dem Asylantrag von S A gemäß § 7 AsylG stattgegeben und ihr in Österreich Asyl gewährt sowie gemäß § 12 leg. cit. festgestellt, dass S A kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

In den gegenständlichen (die übrigen drei Familienangehörigen betreffenden) Verfahren legte die belangte Behörde innerhalb der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG für die Bescheiderlassung gesetzten Frist dem Verwaltungsgerichtshof die Verwaltungsakten vor und führte im Wesentlichen aus, dass eine Verletzung ihrer Entscheidungspflicht nicht vorliege, da zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerden keine Säumnis bestanden habe.

Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht ist an der Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich der Beschwerdeführer in der vorliegenden Konstellation - Säumigkeit mit der Bescheiderlassung (auch) hinsichtlich der Asylwerberin S A, auf deren Antrag sich die Erstreckungsanträge der Beschwerdeführer bezogen - nicht zu zweifeln.

Auf Grund der somit zulässigen Säumnisbeschwerden, die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden wurden, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 zweiter Satz VwGG in der Sache selbst erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG idF BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Da die vorliegenden Anträge bereits am 17. Juli 2001 gestellt wurden, sind somit die §§ 10 und 11 AsylG idF BGBl. I Nr. 126/2002 auf die gegenständlichen Fälle anzuwenden.

Asyl durch Erstreckung ist zu gewähren, wenn der diesbezügliche Antrag zulässig ist, einem der in § 10 Abs. 2 AsylG genannten Angehörigen des Asylwerbers auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen Asyl gewährt wurde und die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikels 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

Diese Voraussetzungen sind in den gegenständlichen Fällen erfüllt. Wie den obigen Ausführungen zu entnehmen ist, wurde S A, der Ehegattin bzw. Mutter der Berufungswerber, mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom 20. Oktober 2006, Zahl: 01 16.444- BAL, Asyl gewährt. Sohin liegt die gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. geforderte Voraussetzung, nämlich die einen Angehörigen iSd Abs. 2 dieser Bestimmung betreffende Asylgewährung, vor. Da überdies keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass S A ein Familienleben mit den antragstellenden Angehörigen in einem anderen Staat möglich wäre, war den Berufungswerbern gemäß § 42 Abs. 4 zweiter Satz VwGG iVm §§ 10 und 11 AsylG durch Erstreckung Asyl zu gewähren.

Gemäß § 12 AsylG waren die Entscheidungen über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass den Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Kostenersatzmehrbegehren im Umfang eines Einheitssatzes von 50 % sowie an Umsatzsteuer von 20 % hinsichtlich des zugesprochenen Schriftsatzaufwandes findet darin keine Deckung.

Wien, am 25. April 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006200047.X00

Im RIS seit

26.06.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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