TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/23 2005/04/0214

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.05.2007
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
95/05 Normen Zeitzählung;
97 Öffentliches Auftragswesen;

Norm

AVG §56;
BVergG 1997 §13 Abs1;
BVergG 1997 §42 Abs6;
BVergG 1997 §48 Abs1;
BVergG 1997 §52 Abs1 Z8;
BVergG 2002 §162 Abs2 Z2;
BVergG 2002 §162 Abs3;
BVergG 2002 §163 Abs1;
BVergG 2002 §168 Abs1 Z3;
BVergG 2002 §188 Abs3;
BVergG 2002 §20 Z13 litb;
BVergG 2002 §83 Abs1 Z8 impl;
ÖNORM A 2050 Pkt4.2.6;
ÖNORM A 2050 Pkt4.3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Papst, über die Beschwerde des Abwasserverbandes W in R, vertreten durch Quendler, Klaus & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Villacher Ring 19, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 3. August 2005, Zl. 17N-61/02-17, betreffend Nachprüfung eines Vergabeverfahrens (mitbeteiligte Partei: G Gesellschaft mbH in P, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinen Spruchpunkten I. und III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bescheid vom 3. August 2005 hat das Bundesvergabeamt über Antrag der Mitbeteiligten festgestellt, dass die Entscheidung des Beschwerdeführers vom 17. September 2002 als Auftraggeber im Vergabeverfahren betreffend den Bauabschnitt 19 der Abwasserbeseitigungsanlage Sonnenthal, Vergabe sämtlicher Baumeister- und Professionistenarbeiten den Zuschlag einem Alternativangebot der B. GmbH zu erteilen, rechtswidrig gewesen sei und der Zuschlag infolge dessen nicht dem Bestbieter erteilt worden sei (Spruchpunkt I.). Weiters wurde u.a. der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung, dass die Mitbeteiligte auch bei Einhaltung der Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, abgewiesen (Spruchpunkt III.).

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich - aus, dass ihr Bescheid vom 4. November 2002, mit dem sämtliche Anträge wegen Nichtüberschreitung des Schwellenwertes zurückgewiesen worden seien, mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Dezember 2004, B 1843/02, aufgehoben worden sei. Gemäß § 188 Abs. 3 dritter Satz Bundesvergabegesetz 2002, BGBl. I Nr. 99 (BVergG 2002), sei das ursprünglich nach dem Bundesvergabegesetz 1997, BGBl. I Nr. 56 (BVergG 1997), zu führende Vergabekontrollverfahren nach dem nach Inkrafttreten des BVergG 2002 am 1. September 2002 ergangenen aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nach den Bestimmungen des BVergG 2002 fortzuführen.

Nach den Ausschreibungsunterlagen habe im gegenständlichen Vergabeverfahren jedes Angebot zwingend aus dem rechtsverbindlich unterfertigten Angebotsschreiben (Buch A) und den rechtsverbindlich unterfertigten Leistungsverzeichnissen (Bücher B, C und D) zu bestehen. Die Angebote der B. GesmbH seien an allen dafür vorgesehenen Stellen von Ing. Manfred B. unterfertigt gewesen. Dieser sei im Firmenbuch als Prokurist eingetragen, der nur gemeinsam mit einem weiteren Prokuristen vertreten könne. Die Angebote der A. GesmbH seien von Josef B. und Ing. Heribert S. unterschrieben worden. Josef B. sei im Firmenbuch als Prokurist eingetragen, der nur gemeinsam mit einem weiteren Prokuristen vertretungsbefugt sei. Ing. Heribert S. habe im Zeitpunkt der Angebotseröffnung keine Prokura besessen. Diese sei ihm erst später erteilt worden.

Insgesamt hätten zehn Bieter Angebote abgegeben. Am 23. August 2002 habe die Angebotseröffnung stattgefunden. Dabei seien u.a. das Hauptangebot der B. GmbH sowie zwei Alternativangebote dieser Bieterin verlesen worden. Hinsichtlich dieser Alternativangebote, die sich nur auf das Buch B des Leistungsverzeichnisses bezogen hätten, sei nur der Preis für die in Buch B umschriebenen Leistungen, jedoch kein Gesamtpreis, verlesen worden.

Nach dem Vergabevorschlag der vergebenden Stelle seien die Anbote wie folgt gereiht worden: An erster Stelle das Alternativangebot der B. GmbH "GFUP", an zweiter Stelle das Alternativangebot der B. GmbH "Steinzeug unglasiert", an dritter Stelle das Hauptangebot der B. GmbH, an vierter Stelle das Alternativangebot der A. GmbH "Steinzeug unglasiert", an fünfter Stelle das Alternativangebot der A. GmbH "GFUP", an sechster Stelle das Hauptangebot der A. GmbH und an siebenter Stelle das Hauptangebot der Mitbeteiligten.

Der Auftrag sei mittlerweile - auf das Alternativangebot "GFUP" der B. GmbH - vergeben und auch tatsächlich abgewickelt worden.

Die belangte Behörde habe - wie dargestellt - zwar das BVergG 2002 anzuwenden, das gegenständliche Vergabeverfahren jedoch nach den zum Zeitpunkt dessen Durchführung geltenden materiell-rechtlichen Bestimmungen des BVergG 1997 zu überprüfen. Obwohl die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des BVergG 2002 anzuwenden seien, sei die Zulässigkeit des verfahrensgegenständlichen Nachprüfungsantrages nach den im Zeitpunkt seiner Stellung in Kraft stehenden Bestimmungen des BVergG 1997 zu beurteilen.

Da es sich beim ausschreibungsgegenständlichen Bauabschnitt um ein eigenständiges Bauvorhaben handle, dessen Auftragssumme den Schwellenwert des § 6 Abs. 1 BVergG 1997 nicht erreiche, seien gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. die Bestimmungen der Ö-Norm A 2050 (im Folgenden: Ö-Norm) maßgeblich.

Die von der Mitbeteiligten primär behauptete Absprache zwischen den gesellschaftsrechtlich verbundenen Bieterinnen A. GmbH und B. GmbH habe nicht festgestellt werden können.

Die Angebote der B. GmbH seien von einem Prokuristen gezeichnet worden, der nur mit einem weiteren Prokuristen vertretungsbefugt sei. Eine Spezialvollmacht sei im Zuge des Vergabeverfahrens nicht nachgewiesen worden. Der Beschwerdeführer als Auftraggeber habe diesen Umstand bei der Angebotsprüfung nicht untersucht und die B. GmbH nicht zur Verbesserung aufgefordert. Es sei daher nach Abwicklung des Auftrages "nicht davon auszugehen, dass eine solche Spezialvollmacht zum Zeitpunkt der Anbotslegung vorlag". Die nur von einem nicht allein vertretungsbefugten Prokuristen unterfertigten Angebote der B. GmbH seien nicht rechtsverbindlich und der B. GmbH daher nicht zuzurechnen. Diese Angebote stünden überdies im Widerspruch zu den Ausschreibungsbedingungen, die eine rechtsverbindliche Fertigung forderten. Die Angebote der A. GmbH seien von einem nur gemeinsam mit einem anderen Prokuristen vertretungsbefugten Prokuristen sowie von einer weiteren Person, der im maßgeblichen Zeitpunkt keine Prokura zugekommen sei, unterfertigt worden. Auch bezüglich dieser Angebote habe der Beschwerdeführer die Vertretungsbefugnis der unterzeichnenden Personen nicht geprüft. Es sei "nicht davon auszugehen, dass eine Spezialvollmacht vorlag". Die Angebote seien daher nicht rechtsverbindlich gefertigt, der A. GmbH nicht zuzurechnen und stünden im Widerspruch zu den Ausschreibungsbestimmungen.

Nach Punkt 4.2.6 der Ö-Norm sei bei der Angebotseröffnung zwingend u.a. der Gesamtpreis oder der Angebotspreis zu verlesen. Bei der Angebotseröffnung seien jedoch von den Alternativangeboten der B. GmbH nur die Preise des Buches B des Leistungsverzeichnisses, nicht jedoch der Gesamtpreis oder Angebotspreis verlesen worden. In diesen Alternativangeboten sei ein Gesamtangebotspreis gar nicht ausgewiesen gewesen. Da es sich hiebei um einen unbehebbaren Mangel handle, hätte der Zuschlag nicht auf ein Alternativangebot der B. GmbH erteilt werden dürfen.

Es sei daher festzustellen gewesen, dass die Zuschlagsentscheidung rechtswidrig gewesen und der Zuschlag auf Grund dessen nicht dem Bestbieter erteilt worden sei.

Da sämtliche Angebote der B. GmbH und der A. GmbH - mangels Vertretungsmacht der unterfertigenden Personen - auszuscheiden gewesen wären, wäre die Mitbeteiligte, die nach diesen Angeboten an siebenter Stelle gereiht worden sei, Bestbieterin gewesen. Aus diesem Grund sei der Antrag des Beschwerdeführers festzustellen, dass die Mitbeteiligte auch bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, abzuweisen gewesen.

2. Der Sache nach gegen die Spruchpunkte I. und III. richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Begehren, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik auf die beiden Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3. Die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass sie nach Aufhebung ihres Bescheides vom 4. November 2002 durch den Verfassungsgerichtshof gemäß § 188 Abs. 3 BVergG 2002 zwar die - verfahrensrechtlichen - Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden, das Vergabeverfahren jedoch materiell nach den zum Zeitpunkt seiner Durchführung geltenden Bestimmungen des BVergG 1997 - das für den Unterschwellenbereich in seinem § 13 Abs. 1 die Ö-Norm für verbindlich erklärt - zu prüfen habe, begegnet keinen Bedenken. Ebenso wenig die Auffassung der belangten Behörde, dass die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages nach den zum Zeitpunkt der Antragstellung in Kraft stehenden Bestimmungen zu beurteilen sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2006, Zl. 2004/04/0182).

4. Zur Unterfertigung der Angebote der B. GmbH und der A. GmbH:

4.1. Die vor dem Angebot der Mitbeteiligten gereihten Angebote der B. GmbH und der A. GmbH sind unstrittig von Personen unterfertigt worden, die nach den Eintragungen im Firmenbuch nicht (allein) vertretungsbefugt sind. Ebenso unstrittig haben diese Bieterinnen das Vorliegen einer Bevollmächtigung der unterzeichnenden Personen nicht nachgewiesen; sie wurden dazu vom Beschwerdeführer, der als Auftraggeber das Vorliegen einer Bevollmächtigung nicht überprüft hat, nicht aufgefordert.

Nach Ansicht der belangten Behörde sei auf Grund dieses Sachverhaltes "nicht davon auszugehen, dass eine ... Vollmacht zum Zeitpunkt der Antragstellung vorlag".

4.2. Der Beschwerdeführer führt dagegen ins Treffen, dass ein Angebot nicht nur von einem Prokuristen oder einer mit einer dem Angebot beigelegten Vollmacht ausgestatteten Person rechtswirksam unterfertigt werden könne, sondern von jedem zivilrechtlich wirksam Bevollmächtigten. Der Auftraggeber müsse das Vorliegen von Vertretungsmacht nur bei begründeten Zweifeln prüfen. Keinesfalls führe die Unterlassung einer solchen Prüfung dazu, dass das Angebot als nicht rechtsgültig unterfertigt gelte. Tatsächlich sei Ing. Manfred B., der die Angebote der B. GmbH unterzeichnet habe, als Bereichsleiter für Kabel- und Kanalbau Steiermark und Kärnten seit 1. Jänner 1999 bevollmächtigt, derartige Angebote zu erstellen und allein zu unterfertigen. Ing. Heribert S., der die Angebote der A. GmbH unterfertigt habe, sei bereits seit 1995 als Handlungsbevollmächtigter berechtigt, alle derartigen Angebote allein zu unterfertigen. Dies hätte die belangte Behörde bei ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren leicht erheben können.

4.3. Für die Wirksamkeit eines Angebots ist nicht die Unterfertigung durch eine im Firmenbuch (als Geschäftsführer oder Prokurist) eingetragene Person erforderlich; es reicht vielmehr, wenn es rechtsgültig, also von einer zivilrechtlich wirksam bevollmächtigten Person, unterfertigt ist (vgl. etwa die zum BVergG 1997 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 9. Oktober 2002, Zl. 2002/04/0058 und vom 15. Dezember 2006, Zl. 2005/04/0091; siehe auch § 83 Abs. 1 Z. 8 BVergG 2002).

Wurde ein Angebot von einer nach dem Firmenbuch nicht (einzel-)vertretungsbefugten Person unterfertigt, so kann zunächst allein daraus nicht auf die Rechtsungültigkeit des Angebots geschlossen werden.

Weder aus dem BVergG 1997 noch aus der Ö-Norm ergibt sich eine Verpflichtung des Bieters, in derartigen Fällen die Bevollmächtigung - durch Vorlage einer entsprechenden Urkunde - bereits bei Anbotslegung nachzuweisen (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis, Zl. 2005/04/0091). Eine derartige Verpflichtung ergibt sich - entgegen der Ansicht der Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift - nicht bereits aus der Schriftlichkeit des Vergabeverfahrens. Ebensowenig besteht eine Verpflichtung des Auftraggebers, die Bevollmächtigung der das Anbot unterfertigenden Person in jedem Fall zu überprüfen. Insbesondere sehen die Bestimmungen des Punktes 4.3 der Ö-Norm über die Prüfung der Angebote Derartiges nicht vor. Eine solche Überprüfung ist - mit der Beschwerde - vielmehr nur dann erforderlich, wenn sich bei der Angebotsprüfung Unklarheiten über die Rechtsverbindlichkeit ergeben.

Die im Ergebnis von der belangten Behörde vertretene Ansicht, dass die Bieter die Vertretungsbefugnis eines nicht im Firmenbuch ausgewiesenen Vertreters schon bei Anbotslegung nachzuweisen haben und der Auftraggeber die Bevollmächtigung in jedem Fall zu überprüfen hat, beruht daher auf einer Verkennung der Rechtslage. Der Umstand, dass die Bieterinnen A. und B. die Vertretungsmacht der ihre Angebote unterzeichnenden Personen nicht nachgewiesen haben und der Beschwerdeführer als Auftraggeber diesbezüglich nicht nachgeforscht hat, bietet somit keine Grundlage für die hier gegenständlichen bescheidmäßigen Absprüche.

5. Zur Zuschlagserteilung auf ein Alternativangebot der B. GmbH:

5.1. Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, dass die Zuschlagserteilung auf ein Alternativangebot der B. GmbH nicht rechtmäßig sei, weil bei der Angebotseröffnung entgegen Punkt 4.2.6 der Ö-Norm weder der Gesamtpreis noch der Angebotspreis dieser Alternativangebote verlesen worden sei.

5.2. Die Beschwerdeführerin führt dagegen ins Treffen, dass es zulässig sei, nur für einen Teil der ausgeschriebenen Leistung eine Alternative anzubieten und für die übrigen Teile auf das Hauptangebot zu verweisen. Da ein Alternativangebot somit keinen Gesamtpreis enthalten müsse, könne die mangelnde Verlesung des Gesamtpreises keinen Ausscheidungsgrund bieten.

5.3. Gemäß Punkt 4.2.6 der Ö-Norm ist bei der Angebotseröffnung aus den Angeboten - auch aus Alternativangeboten - u.a. der Gesamtpreis (ohne Umsatzsteuer) oder der Angebotspreis (mit Umsatzsteuer) vorzulesen.

Die vorgeschriebenen Verlesungen anlässlich der Angebotseröffnung dienen der Transparenz und haben den Zweck, allfälligen Manipulationen vorzubeugen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zl. 2004/04/0100). Die Unterlassung der von Punkt 4.2.6 der Ö-Norm geforderten Verlesung des Gesamtpreises oder Angebotspreises stellt mangels Wiederholbarkeit der Angebotseröffnung einen unbehebbaren Mangel dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 2003, Zl. 2000/04/0106).

5.4. Vorliegend wurden bei der Angebotseröffnung bezüglich der Alternativangebote der B. GmbH nur die Preise für den im Buch B des Leistungsverzeichnisses beschriebenen Leistungsteil ("Kanalisation") verlesen; ein Gesamt- oder Angebotspreis wurde nicht verlesen. Dies stellt nach der dargestellten hg. Judikatur einen unbehebbaren Mangel dar und führt daher zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung auf ein Alternativangebot der B. GmbH.

Der Einwand des Beschwerdeführers, die B. GmbH sei gar nicht verpflichtet gewesen, hinsichtlich der Alternativangebote einen Gesamtpreis zu bilden, geht schon deswegen fehl, weil - wie von der Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift vorgebracht und vom Beschwerdeführer in der Replik nicht bestritten - in den "Angebots- und Vertragsbestimmungen" Buch A Abschnitt E der Ausschreibungsunterlagen unter Punkt E3 ausdrücklich normiert ist, dass "für jede Alternative ... der Gesamtpreis anzugeben" ist.

6. Zum Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

6.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem zum Niederösterreichischen Vergabegesetz, LGBl. 7200, ergangenen Erkenntnis vom 23. Jänner 2002, Zl. 2001/04/0041, unter Berufung auf Thienel, Das Nachprüfungsverfahren nach dem Bundesvergabegesetz, WBl. 1993, Seite 373 ff; und Korinek in Raschauer, Grundriss des österreichischen Wirtschaftsrechts 1998, S 311, RZ 748, ausgeführt, dass sich aus der gesetzlichen Verpflichtung des Antragstellers, sein Interesse am Vertragsabschluss und den drohenden oder bereits eingetretenen Schaden zu behaupten, ergebe, dass nicht jede Rechtswidrigkeit zur Nichtigerklärung einer Entscheidung des Auftraggebers führen könne, sondern nur eine solche, die den Antragsteller in subjektiven Rechten verletze. Gemäß § 32 Abs. 2 des Niederösterreichischen Vergabegesetzes habe ein Bieter keinen Schadenersatzanspruch, wenn der Unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 24 Abs. 3 letzter Satz leg. cit. festgestellt habe, dass dieser Bieter auch bei Einhaltung der vergaberechtlichen Normen keine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Eine Rechtsverletzung durch eine bestimmte Entscheidung des Auftraggebers liege daher immer nur dann vor, wenn der betreffende Bieter bei rechtskonformer Entscheidung eine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Die Abweisung des dort verfahrensgegenständlichen Feststellungsantrages sei schon deshalb zu Recht erfolgt, weil nicht hervorgekommen sei, dass die Antragstellerin ohne die behaupteten Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen eine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.

Unter Bezugnahme auf dieses Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof in dem zum Oberösterreichischen Vergabegesetz, LGBl. Nr. 59/1994, ergangenen Erkenntnis vom 4. September 2002, Zl. 2000/04/0181 ausgeführt, dass "Sache" des Nachprüfungsverfahrens immer die Prüfung der Frage sei, ob der Antragsteller durch eine bestimmte Entscheidung des Auftraggebers in Rechten verletzt worden sei. Eine Rechtsverletzung durch eine bestimmte Entscheidung des Auftraggebers liege daher nur dann vor, wenn der betreffende Bieter bei rechtskonformer Entscheidung eine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.

Diese Judikatur ist auch auf das BVergG 2002, dessen verfahrensrechtliche Bestimmungen vorliegend anzuwenden sind, übertragbar. Dass "Sache" des Vergabenachprüfungsverfahrens immer die Frage ist, ob der Antragsteller durch eine bestimmte Entscheidung in Rechten verletzt worden ist, ergibt sich nach diesem Gesetz auch daraus, dass der Antragsteller verpflichtet ist, das Recht, in dem er sich verletzt erachtet, bestimmt zu bezeichnen (siehe für den Feststellungsantrag § 168 Abs. 1 Z. 3 BVergG 2002). Die Vergabekontrollbehörde hat die angefochtene Entscheidung nur im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte zu prüfen, wie dies für den Antrag auf Nichtigerklärung in § 162 Abs. 2 Z. 2 BVergG 2002 ausdrücklich normiert ist.

Somit dient das Vergabekontrollverfahren nicht der objektiven Rechtskontrolle, sondern der Prüfung, ob der Antragsteller in den geltend gemachten subjektiven Rechten verletzt worden ist.

Einem Nachprüfungsantrag kann daher nicht stattgegeben werden, wenn sich ergibt, dass der Antragsteller bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe insbesondere das Erkenntnis vom 28. März 2007, Zl. 2005/04/0200, mwN) hat die Vergabekontrollbehörde den Nachprüfungsantrag eines Bieters, dessen Angebot auszuscheiden gewesen wäre, aber nicht ausgeschieden wurde, mangels Antragslegitimation zurückzuweisen. Dies deshalb, weil bei einem Angebot, das auszuscheiden ist, schon von vornherein - ohne dazu auf den Inhalt des Nachprüfungsantrages eingehen zu müssen - feststeht, dass dem Bieter durch die geltend gemachte Rechtsverletzung kein Schaden im Sinn von § 163 Abs. 1 BVergG 2002 entstanden sein oder drohen kann. Wurde der antragstellende Bieter hingegen vom Auftraggeber tatsächlich ausgeschieden, so stellt die Frage, ob die - gemäß § 20 Z. 13 lit. b BVergG 2002 nicht gesondert anfechtbare - Ausscheidung zu Recht erfolgte, den Inhalt des Antrages dar. Kommt die Behörde nach inhaltlicher Prüfung eines derartigen Antrages zum Ergebnis, dass die Ausscheidung zu Recht erfolgt ist, so hat sie den Antrag nicht mangels Antragslegitimation zurückzuweisen, sondern abzuweisen, weil der geltend gemachte Anspruch nicht zu Recht besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2003, Zl. 2001/04/0202). Die Lösung der Frage, ob der Antragsteller auch bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen eine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte, erfordert ein Eingehen der Vergabekontrollbehörde auf das Antragsvorbringen. Kommt die Behörde dabei zum Ergebnis, dass der Antragsteller auch bei Unterbleiben der geltend gemachten Rechtsverletzung keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte, ist der Antrag daher abzuweisen.

6.2. Wie oben zu 4. und 5. ausgeführt, ist die belangte Behörde zwar zu Recht zum Ergebnis gekommen, dass die Zuschlagserteilung auf ein Alternativangebot der B. GmbH rechtswidrig ist. Die Ansicht, dass auf Grund mangelnder Vertretungsmacht der unterfertigenden Personen keines der Angebote der A. GmbH und der B. GmbH für den Zuschlag in Betracht zu ziehen gewesen wären, beruht jedoch auf einer Verkennung der Rechtslage. Da die Hauptangebote der B. GmbH und der A. GmbH und die Alternativangebote der A. GmbH unstrittig vor dem Angebot der Mitbeteiligten gereiht wurden (das Angebot der Mitbeteiligten war - wie erwähnt - erst an siebenter Stelle gereiht), umfasst diese Verkennung der Rechtslage auch die Ansicht der belangten Behörde, die Mitbeteiligte wäre bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen Bestbieterin gewesen. Unter Zugrundelegung der Ergebnisse des gegenständlichen Vergabenachprüfungsverfahrens hätte die Mitbeteiligte daher auch bei Vermeidung der - nur die Alternativangebote der B. GmbH betreffenden - Vergaberechtswidrigkeit keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt, was nach dem oben Gesagten zur Abweisung ihres Antrages hätte führen müssen.

Die Stattgebung des Feststellungsantrages der Mitbeteiligten mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides beruht daher auf einer Verkennung der Rechtslage.

7. Zu Spruchpunkt III.:

Wie dargestellt, beruht die Ansicht der belangten Behörde, die Mitbeteiligte wäre bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen Bestbieterin gewesen, auf einer Verkennung der Rechtslage. Die mit dieser Ansicht begründete Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers festzustellen, dass die Mitbeteiligte auch bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte, mit Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ist schon deshalb ebenfalls rechtswidrig.

8. Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid in seinen Spruchpunkten I. und III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

9. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. Mai 2007

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005040214.X00

Im RIS seit

10.08.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten