TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/24 2004/09/0164

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Veröffentlicht am 24.05.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des HT in Wien, vertreten durch Dr. Otto Ackerl, Rechtsanwalt in 1210 Wien, Brünnerstraße 37/5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Juli 2004, Zl. UVS-07/A/36/8581/2002/2, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen ein Straferkenntnis wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 24. Mai 2002 erkannte der Magistrat der Stadt Wien den Beschwerdeführer für schuldig, er habe als Arbeitgeber am 8. Oktober 2001 15 namentlich genannte ausländische Staatsbürger beschäftigt, obwohl für diese Ausländer weder gültige Beschäftigungsbewilligungen, noch Arbeitserlaubnisse oder Entsendebewilligungen, noch Anzeigebestätigungen oder Befreiungsscheine erteilt worden seien. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) iVm § 3 leg. cit. verletzt, über ihn wurden 15 Geldstrafen zu je EUR 1.400,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit 15 Ersatzfreiheitsstrafen von je einer Woche und drei Tagen verhängt.

In dem zu diesem Straferkenntnis führenden Verwaltungsverfahren war dem Beschwerdeführer vom Magistrat der Stadt Wien im Jänner 2002 eine Aufforderung zur Rechtfertigung an seine Wohnadresse in Wien zugestellt worden. Der Beschwerdeführer wurde am 31. Jänner 2002 von der Behörde zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen vernommen, dabei hatte er seine Adresse in Wien als seinen Wohnort angegeben. Mit Schreiben der Behörde vom 18. April 2002 war an den Beschwerdeführer eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme gerichtet worden. Diese, am 24. April 2002 beim Postamt hinterlegte Sendung war vom Beschwerdeführer bis zum 13. Mai 2002 nicht behoben worden, diese Zustellung verlief erfolglos. Daraufhin stellte der Magistrat der Stadt Wien beim Zentralen Melderegister eine Anfrage und erhielt zur Antwort, dass der aktuelle Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers seit dem 13. Dezember 2001 amtlich unbekannt sei.

Der Magistrat der Stadt Wien verfügte daraufhin die Zustellung seines Straferkenntnisses vom 24. Mai 2002 durch Hinterlegung ohne Zustellversuch gemäß § 23 des Zustellgesetzes. Die das Straferkenntnis enthaltende Sendung wurde beim Postamt Wien ab 25. Juni 2002 hinterlegt, aber nicht behoben.

Am 19. September 2002 langte bei der Erstbehörde ein am 18. September 2002 zur Post gegebener Schriftsatz des Beschwerdeführers ein, in welchem er u.a. Berufung erhob. Dem Schriftsatz war eine Meldebestätigung angeschlossen, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer ab 3. Juli 2002 (wieder) an seiner früheren Anschrift in Wien gemeldet war.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen. Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der Rechtslage begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung zusammengefasst wie folgt:

Das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer sei ihm gegenüber durch die an seiner Wohnadresse in Wien am 18. Jänner 2002 durch Hinterlegung zugestellte Aufforderung zur Rechtfertigung, die auch behoben worden sei, anhängig gemacht worden. Seit diesem Zeitpunkt habe der Beschwerdeführer, der der Aufforderung zur Rechtfertigung auch nachgekommen sei, von dem gegen ihn anhängig gemachten Verwaltungsstrafverfahren Kenntnis gehabt und dabei dieselbe Wohnanschrift angegeben. Ab diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer daher auch verpflichtet gewesen, im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG eine Änderung seiner Abgabestelle der Behörde zu melden. Diese Bestimmung solle die Erreichbarkeit einer am Verfahren beteiligten Person sicherstellen und die ungesäumte Fortführung des Verfahrens ermöglichen. Unter "bisheriger Abgabestelle" im Verständnis des § 8 Abs. 1 ZustG sei jedenfalls eine solche zu verstehen, die der Beschuldigte während des anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens gehabt habe, von der er wisse, dass sie der Behörde bekannt sei.

Im vorliegenden Fall sei die Aufforderung zur Rechtfertigung dem Beschwerdeführer unter seiner Adresse in Wien zugestellt worden. Auch bei der Einvernahme vor der Erstbehörde am 31. Jänner 2002 habe der Beschwerdeführer als seinen Wohnort diese Adresse angegeben. Es sei also "nicht erkennbar", dass der Beschwerdeführer bei dieser Gelegenheit angeführt hätte, dass er schon Ende Jänner 2002 tatsächlich an einer näher bezeichneten Anschrift in Ungarn wohnhaft gewesen sei, der Beschwerdeführer habe auch gar nicht behauptet, dies bei seiner niederschriftlichen Einvernahme angegeben zu haben. Sollte der Beschwerdeführer aber der Behörde eine allenfalls unrichtige Wohnanschrift angegeben haben, so habe er den daraus erwachsenden Rechtsnachteil selbst zu vertreten.

Nachdem eine - die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme enthaltende - Sendung der Erstbehörde im April 2002 zwar hinterlegt, aber nicht behoben worden sei, habe die Behörde am 24. Mai 2002 eine Meldeanfrage durchgeführt, die das Ergebnis erbracht habe, dass der Beschwerdeführer über keinen aktuellen Hauptwohnsitz in Österreich verfüge, sondern amtlich unbekannten Aufenthaltes sei. Mit einer solchen Nachfrage habe die Erstbehörde taugliche und hinreichende Nachforschungen zur Feststellung einer geänderten Abgabestelle des Beschwerdeführers unternommen. Nach dem Akteninhalt habe der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Befragung angegeben, geschieden zu sein. Der Erstbehörde habe nun mangels Hinweises in diese Richtung nicht bekannt sein können, dass an der Anschrift des Beschwerdeführers seine geschiedene Ehegattin nach wie vor wohnhaft sei und von dieser - allenfalls - Auskünfte über eine aktuelle Wohnadresse des Beschwerdeführers im Ausland eingeholt hätten werden können. Dass der Beschwerdeführer seine neue Adresse in Ungarn etwa beim Postamt mitgeteilt hätte, habe er selbst nicht einmal behauptet. Die Aufgabe seiner Abgabestelle im Zeitpunkt der Zustellung des Straferkenntnisses sei vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Die Hinterlegung ohne vorherigen Zustellversuch im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG sei somit rechtmäßig erfolgt; die Rechtswirksamkeit der Zustellung sei gemäß § 23 Abs. 4 ZustG mit dem 25. Juni 2002 (dem ersten Tag der Hinterlegung) eingetreten. Es sei somit davon auszugehen, dass die mit 18. September 2002 datierte Berufung lange nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist erhoben worden sei und sich somit als verspätet erweise. Daher sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid dadurch in Rechten verletzt erachtet, dass die belangte Behörde entgegen § 51 Abs. 7 VStG nicht innerhalb von 15 Monaten seit Einlangen seiner Berufung eine Entscheidung gefällt habe, so führt dieses Argument schon deswegen nicht zum Erfolg der Beschwerde, weil § 51 Abs. 7 VStG im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren angesichts des Berufungsrechts des Arbeitsinspektorats gemäß § 28 a Abs. 1 AuslBG nicht anzuwenden war (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 6. April 2005, Zl. 2004/09/0025).

Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des Zustellgesetzes (ZustG) lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

...

§ 23. (1) Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, dass eine Sendung ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist diese sofort beim Postamt, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.

...

(4) Die so hinterlegte Sendung gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt."

Die Zustellvorschriften haben nicht nur für Ordnung im Verfahren zu sorgen, sondern vor allem auch sicherzustellen, dass die Partei in die Lage versetzt wird, ihre Rechtsschutzinteressen durch die rechtzeitige Kenntnis behördlicher Schriftstücke wirksam verfolgen zu können.

Im vorliegenden Fall fällt auf, dass die Behörde erster Instanz nicht einmal den Versuch unternommen hat, dem Beschwerdeführer ihren Bescheid vom 24. Mai 2002 an der von ihm bekannt gegebenen Abgabestelle zuzustellen. Sie nahm vielmehr angesichts der Nichtbehebung ihrer postamtlich hinterlegten Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und einer negativen Meldeauskunft an, gemäß § 8 Abs. 2 ZustG keine weiteren Feststellungen über die Abgabestelle des Beschwerdeführers treffen zu müssen. Dabei hat die Behörde erster Instanz - und auch die belangte Behörde - jedoch außer Acht gelassen, dass der Meldeauskunft betreffend den Beschwerdeführer im Hinblick darauf nur beschränkte Aussagekraft zukam, als er dieser zufolge schon seit dem 13. Dezember 2001 über keinen inländischen Wohnsitz mehr verfügt haben soll, obzwar ihm noch im Jänner 2002 an seiner Adresse in Wien eine Aufforderung zur Rechtfertigung zugestellt werden konnte und er diese Adresse auch am 31. Jänner als seinen Wohnort angab. Bei dieser Sachlage durfte die Behörde, ohne zumindest einen Zustellversuch an der ihr bekannt gegebenen Adresse vorgenommen zu haben, nicht von einer Änderung der Abgabestelle i.S.d. § 8 Abs. 1 ZustG ausgehen. Durfte die belangte Behörde aber von einer Änderung der Abgabestelle im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG nicht ausgehen, dann kam keine wirksame Zustellung des Bescheides vom 24. Mai 2002 gemäß § 8 Abs. 2 ZustG zustande.

Dies hat die belangte Behörde verkannt, indem sie davon ausging, dass eine wirksame Zustellung des Bescheides vom 24. Mai 2002 erfolgte, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. Mai 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004090164.X00

Im RIS seit

10.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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