TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/30 2003/06/0162

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Veröffentlicht am 30.05.2007
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauRallg;
B-VG Art10 Abs1 Z9;
ROG Tir 2001 §27 Abs1 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Khozouei, über die Beschwerde der Z GmbH in I, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 10. Juni 2003, Zl. II-AL-041e/2003, betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck wurde ein Antrag der Rechtsvorgängerin der beschwerdeführenden Partei auf baubehördliche Bewilligung eines Bauvorhabens in der Nähe des Flughafens Innsbruck abgewiesen, das bereits Gegenstand des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2003, 2002/06/0039, gewesen ist. Bereits in diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass die Versagung der beantragten Baubewilligung für die Errichtung von sieben Doppelwohnhäusern angesichts des Umstandes, dass der Bauplatz des Projekts durch einen seit dem 8. April 1954 in Kraft stehenden Wirtschaftsplan als "Wohngebiet" mit Erkenntlichmachung "Flughafensicherheitszone" gewidmet ist, im Grunde des § 113 Abs. 2 lit. a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 - TROG 2001, LGBl. Nr. 93, grundsätzlich auf keine rechtlichen Bedenken stößt, jedoch der belangten Behörde ein Verfahrensmangel dahingehend unterlaufen war, dass sie entgegen § 113 Abs. 3 TROG 2001 kein von dieser Bestimmung gefordertes Gutachten zur Beurteilung, ob die projektierte Bebauung im Sinne des § 113 Abs. 2 lit. a leg. cit. einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung zuwiderläuft, eingeholt hat (auf das angeführte hg. Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen).

Im fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde nunmehr ein Gutachten des Dipl. Ing. HF vom 8. April 2003 zu dieser Frage ein, das einen Befund und eine Darstellung der raumordnungsrechtlichen Situation des Bauplatzes in unmittelbarer Nähe des Flughafens Innsbruck enthält, und in dem u.a. eine luftfahrtechnische Stellungnahme des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr vom 26. Juni 1998 zitiert ist. In seinen Schlussfolgerungen kommt der Sachverständige zum Ergebnis, dass die Realisierung dieser Wohnbebauung im Widerspruch zu den Auffassungen über die geordnete Entwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung stünde, wie sie bereits im ersten, vor dem Bauansuchen aufgelegten Entwurf des örtlichen Entwicklungskonzeptes artikuliert und vom zuständigen Organ beschlossen und später als Festlegungen in Kraft getreten seien. Bei Verwirklichung des Bauvorhabens im gegenständlichen östlichen Anflugssektor des Flughafens westlich des Fischerhäuslweges würde sich die Sicherheitssituation insofern verschlechtern, als bei einer notwendigen Notlandung oder einem Überrollen des Pistenendes auf dieser Fläche die Auswirkungen einer Kollision mit einem massiven Hindernis jedenfalls schwer wiegender ausfallen würden, als dies - wie derzeit - auf Flächen ohne massive Hindernisse erfolgen würde, wie sich dies bei Flugunfällen immer wieder zeige und sich durch zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit belegen lasse. Mit der gegenständlichen Wohnbebauung wäre also eine weitere Beeinträchtigung der Sicherheitssituation am Innsbrucker Flughafen, die ohnedies im Vergleich mit vielen anderen Flughäfen ein niedrigeres Ausgangsniveau habe, verbunden. Neben der Sicherheitsproblematik liege ein weiteres Element eines Nutzungskonfliktes zwischen den Nutzungsarten Flughafen einerseits und Wohnbebauung andererseits in der Beeinträchtigung der Wohnnutzung durch den Fluglärm, dem die projektierte Wohnhausanlage knapp am Pistenende in besonderem Maße ausgesetzt wäre, weil sich die Flugzeuge hier nur in geringer Höhe über Grund befänden, die Gebäude direkt der Schallimmission von oben ausgesetzt wären und die in der Nähe der Erdoberfläche gegebene Schallabsorption wegfalle. In ausführlicher Beurteilung der beiden Nutzungsarten und im Hinblick darauf, dass eine Verlegung des Flughafens kaum denkbar sei, kommt der Gutachter zur zusammenfassenden Schlussfolgerung, dass das gegenständliche Vorhaben einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Stadtgemeinde Innsbruck im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung und im Sinne der Ziele der überörtlichen Raumordnung, auf die ebenfalls Bedacht zu nehmen sei, zuwiderlaufe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juni 2003 wurde das Bauansuchen der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin neuerlich abgewiesen und dies nach Darstellung des Verfahrensganges, der Rechtsvorschriften und des Gutachtens im Wesentlichen damit begründet, dass die Realisierung der geplanten Wohnbebauung im Widerspruch zu den Auffassungen über die geordnete Entwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung stünde, wie sie bereits im ersten, vor der Stellung des Bauansuchens aufgelegten Entwurf des örtlichen Raumordnungskonzeptes artikuliert und "vom zuständigen politischen Organ affirmiert" gewesen sei und später als Festlegungen in Kraft getreten seien. Bei einer Betrachtung einzelner Ziele der Raumordnung falle insbesondere der Widerspruch zur sinngemäßen Verfolgung der Ziele nach § 27 Abs. 2 lit. c und § 1 Abs. 2 lit. f TROG 2001 auf, wonach Nutzungskonflikte und wechselseitige Beeinträchtigungen bei Zusammentreffen verschiedener Wirkungen weitestmöglich zu vermeiden seien bzw. wonach bei der Weiterentwicklung der Siedlungsgebiete zur Befriedigung des Wohnbedarfes der Bevölkerung von nachteiligen Umwelteinflüssen möglichst gering beeinträchtigte Lebensbedingungen anzustreben seien. Die Berufungswerberin sei den Ausführungen des ausführlichen Gutachtens nicht entgegengetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Beschluss vom 22. September 2003, B 1003/03-4, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde, in welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2001 - TBO 2001, LGBl. Nr. 94, und des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 - TROG 2001, LGBl. Nr. 93, haben folgenden Wortlaut:

TBO 2001:

"§ 26

Baubewilligung

...

(4) Das Bauansuchen ist weiters abzuweisen,

...

c) wenn das Bauvorhaben sonst baurechtlichen oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften widerspricht."

TROG 2001:

"§ 1

Aufgabe und Ziele der überörtlichen Raumordnung

(1) Die überörtliche Raumordnung dient der geordneten Gesamtentwicklung des Landes.

(2) Ziele der überörtlichen Raumordnung sind insbesondere:

...

f) die Erhaltung und Weiterentwicklung der Siedlungsgebiete zur Befriedigung des Wohnbedarfes, der Bevölkerung, wobei von nachteiligen Umwelteinflüssen möglichst gering beeinträchtigte Lebensbedingungen anzustreben sind."

...

§ 27

Aufgaben und Ziele der örtlichen Raumplanung

(2) Ziele der örtlichen Raumordnung sind insbesondere:

c) die weitestmögliche Vermeidung von Nutzungskonflikten und wechselseitigen Beeinträchtigungen beim Zusammentreffen verschiedener Widmungen, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die Standorte von Betrieben im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. e und die für die Ansiedlung oder Erweiterung solcher Betriebene vorgesehenen Standorte;

...

Bebauungspläne

§ 54

Allgemeines

...

(5) Die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden mit Ausnahme von Nebengebäuden darf außer in den Fällen des § 55 Abs. 1 nur erteilt werden, wenn für das betreffende Grundstück der allgemeine und der ergänzende Bebauungsplan bestehen und die darin festgelegte verkehrsmäßige Erschließung rechtlich sichergestellt ist.

...

§ 111

Verbauungspläne (Wirtschaftspläne)

Im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes noch bestehende Verbauungspläne (Wirtschaftspläne) bleiben aufrecht, soweit sie den Flächenwidmungsplänen nach diesem Gesetz vergleichbare Festlegungen enthalten. Im Übrigen gilt § 107 Abs. 4 und 5 sinngemäß. § 68 findet auf die Änderung solcher Pläne Anwendung.

...

§ 113

Bauverfahren

(1) Auf Grundstücken, die nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 als Bauland oder als Sonderflächen gewidmet worden sind, und auf Grundstücken, für die Verbauungspläne (Wirtschaftspläne) bestehen, darf abweichend vom § 54 Abs. 5 die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem In-Kraft-Treten des neuen oder geänderten Flächenwidmungsplanes nach § 107 Abs. 1 zweiter Satz auch erteilt werden, wenn der allgemeine und der ergänzende Bebauungsplan für das betreffende Grundstück noch nicht bestehen. Die Baubewilligung darf nicht erteilt werden, wenn für ein solches Grundstück zwar der allgemeine, nicht jedoch der ergänzende Bebauungsplan besteht. In die Frist nach dem ersten Satz sind die Zeiten des Bauverfahrens, eines Verfahrens vor der Vorstellungsbehörde, dem Verwaltungsgerichtshof oder dem Verfassungsgerichtshof und einer Bausperre im Sinne des § 69 nicht einzurechnen.

     (2) Eine Baubewilligung nach Abs. 1 erster Satz darf nur

erteilt werden, wenn

     a)        die Bebauung des betreffenden Grundstückes einer

geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinne der

Ziele der örtlichen Raumordnung nicht zuwiderläuft;

     b)        die Bebauung des betreffenden Grundstückes einer

zweckmäßigen verkehrsmäßigen Erschließung und Erschließung des betreffenden Gebietes mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse einer geordneten Gesamterschließung des Gemeindegebietes nicht entgegensteht und

c) der Neubau eine zweckmäßige und bodensparende Bebauung des betreffenden Grundstückes gewährleistet.

(3) Zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 2 ist ein Gutachten eines Architekten, eines Ingenieurkonsulenten für Raumplanung und Raumordnung oder eines Amtssachverständigen mit einer diesen Personen vergleichbaren fachlichen Qualifikation einzuholen.

(4) Die Bestimmungen der Abs. 1, 2 und 3 sind auf Bauverfahren, die am 1. Jänner 1994 bereits anhängig waren, nicht anzuwenden. Die Bestimmung des Abs. 1 zweiter Satz ist weiters nicht auf am 30. September 2001 anhängige Bauverfahren anzuwenden."

Soweit die beschwerdeführende Partei den angefochtenen Bescheid wegen fehlerhafter Anwendung des § 113 Abs. 2 lit. a TROG 2001 für rechtswidrig hält, ist auf die bereits im angeführten hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2002/06/0039, dargelegte diesbezüglich Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.

Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid auch deswegen für rechtswidrig, weil in dem von der belangten Behörde ihrem Bescheid zu Grunde gelegten Gutachten ein Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 26. Juni 1998 zitiert sei, zu welchem sie keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten habe. Dieser Vorwurf ist schon deswegen nicht zielführend, weil die beschwerdeführende Partei in dem zur Erlassung des angefochtenen Bescheides führenden Verwaltungsverfahrens sehr wohl Gelegenheit erhielt, zum Gutachten und damit auch zu den in das Gutachten inkorporierten Texten Stellung zu nehmen und von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht hat; im Übrigen zeigt die beschwerdeführende Partei nicht auf, welche Bedenken gegen die diesbezüglichen Aussagen betreffend den Umstand, dass sich das Bauvorhaben in unmittelbarer Nähe zu einem Flughafen befindet, bestehen sollten.

Auch die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass es sich bei einem Flughafen als eine der Luftfahrt gewidmete Fläche nicht um eine Widmung im Sinne des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001, sondern um eine überörtliche Planung des Bundes handle, weshalb die Gemeinde diesbezüglich ihre Planungskompetenzen überschritten habe, trifft nicht zu. Kein Zweifel kann nämlich daran bestehen, dass bei der gemäß § 27 Abs. 1 lit. c TROG 2001 gebotenen Vermeidung von Nutzungskonflikten auch auf Nutzungsarten Bedacht zu nehmen ist, deren Regelung und Planung - wie die Zivilluftfahrt - dem Bund im Rahmen seiner Kompetenzen obliegt.

Die beschwerdeführende Partei wurde durch den angefochtenen Bescheid daher nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. Mai 2007

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2003060162.X00

Im RIS seit

05.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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