TE Vwgh Erkenntnis 2007/8/24 2006/19/0101

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Veröffentlicht am 24.08.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §10;
AsylG 1997 §11;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der S, vertreten durch Dr. Rudolf Fries, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Erzherzog Rainer-Ring 23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. August 2004, Zl. 225.932/0-VII/43/02, betreffend Zurückweisung eines Asylerstreckungsantrages (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Armenien, gelangte gemeinsam mit ihrem Ehemann im Juni 2001 nach Österreich, wo der Ehemann der Beschwerdeführerin - den Angaben in der Beschwerde zufolge: mit einem auf Nachstellungen der Militärpolizei wegen Vorwürfen gegen den gemeinsamen Sohn der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes gestützten Vorbringen - Asyl beantragte. Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 5. Juni 2001 gab die Beschwerdeführerin an, lediglich die Erstreckung des ihrem Ehemann zu gewährenden Asyls zu beantragen. Auf die gesetzliche Umdeutung des Asylerstreckungsantrages in einen eigenen Asylantrag für den Fall, dass der Asylantrag ihres Ehemannes (der protokollierten Formulierung zufolge: gemäß §§ 4 oder 5 Asylgesetz 1997) zurückgewiesen oder als offensichtlich unbegründet abgewiesen würde, verzichtete sie nicht.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2001 wies das Bundesasylamt den Asylerstreckungsantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 10 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab. Begründet wurde dies damit, dass der dem Asylerstreckungsantrag zugrunde liegende Asylantrag des Ehemanns der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom selben Tag abgewiesen worden sei.

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, das Asylverfahren ihres Ehemannes sei auf Grund der von diesem rechtzeitig erhobenen Berufung weiterhin anhängig.

In Erledigung dieser Berufung änderte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid mit dem angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass der Spruch zu lauten habe:

"Der Antrag von ... auf Asylerstreckung vom 02.06.2001 wird gemäß § 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen."

Die Begründung dieser Entscheidung lautete - ungekürzt - wie folgt:

"I. Verfahrensgang und Sachverhaltsfeststellung:

Die berufende Partei hat einen Antrag auf Asylerstreckung gemäß § 10 AsylG 1997 i.d.g.F. (gemeint wohl: in der Fassung vor dem Inkrafttreten der auf diese Bestimmung bezogenen Teile der AsylG-Novelle 2003 am 1. Mai 2004) gestellt.

Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 19.12.2001, Zl. ..., ab, wogegen die vorliegende Berufung erhoben wurde.

Aufgrund einer Zentralmelderegisterauskunft vom 20.07.2004 steht fest, dass der Angehörige die berufende (gemeint: der berufenden) Partei, ..., auf dessen Asylantrag bezogen die berufende Partei ihren Asylerstreckungsantrag gestellt hat, am 21.10.2003 verstorben ist.

II. Der Unabhängige Bundesasylsenat hat erwogen:

Da der Angehörigen (gemeint: Angehörige) der berufende (gemeint: berufenden) Partei, auf dessen Asylantrag bezogen die berufende Partei ihren Asylerstreckungsantrag gestellt hat verstorben ist und das diesbezügliche Asylverfahren durch den Unabhängigen Bundesasylsenat als gegenstandslos eingestellt wurde, mangelt es dem Asylerstreckungsantrag der berufenden Partei an der erforderlichen Prozessvoraussetzung, sodass spruchgemäß zu entscheiden war."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

§ 2 AsylG in der hier maßgeblichen Fassung vor der AsylG-Novelle 2003 lautete:

"Umfang des Schutzes

§ 2. Fremde, die sich im Bundesgebiet aufhalten, erlangen nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Asyl und die Feststellung, dass sie damit kraft Gesetzes Flüchtlinge sind."

Ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dieser Bestimmung und der nicht näher bezeichneten "erforderlichen Prozessvoraussetzung" für einen Asylerstreckungsantrag, auf deren behaupteten Wegfall sich der angefochtene Bescheid gründet, ist nicht erkennbar und wird im angefochtenen Bescheid - der die in seinem Spruch angeführte Vorschrift in seiner Begründung überhaupt nicht erwähnt - jedenfalls nicht dargetan.

Unerwähnt blieb im angefochtenen Bescheid auch das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Jänner 2003, Zl. 2001/01/0429, dem zufolge die Zulässigkeit eines Asylerstreckungantrages (nach den dafür maßgeblichen Bestimmungen in § 10 Abs. 2 AsylG in der Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) zumindest in bestimmter Hinsicht (Minderjährigkeit eines antragstellenden Kindes) nur für den Zeitpunkt der Antragstellung zu prüfen sei.

Die im vorliegenden Fall zu beantwortende Frage, ob der Tod des Ehemanns der Beschwerdeführerin einer inhaltlichen Erledigung ihres Asylerstreckungsantrages entgegenstand, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Vor dem Hintergrund der Erwägungen zur Abgrenzung von Zulässigkeits- und Erfolgsvoraussetzungen in den §§ 10 und 11 AsylG in der Fassung vor der AsylG-Novelle 2003 in dem erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, vertritt der Verwaltungsgerichtshof aber die Ansicht, dass der Tod des Ehemanns der Beschwerdeführerin während des Berufungsverfahrens nur die Erfolgsaussichten ihres Antrages auf Asylerstreckung berührte. Zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne einer Zurückweisung des Antrages gab er daher nicht Anlass.

Nicht zu folgen ist hingegen dem in der Beschwerde vertretenen Standpunkt, der Asylerstreckungsantrag wäre - analog zu den Fällen der Zurückweisung des Asylantrages als unzulässig oder seiner Abweisung als offensichtlich unbegründet, für die § 11 Abs. 2 AsylG in der Fassung vor der AsylG-Novelle 2003 dies vorsah - von Gesetzes wegen in einen eigenen Asylantrag der Beschwerdeführerin umzudeuten gewesen. Der hinter dieser Regelung stehende Gedanke einer beschleunigten gemeinsamen Erledigung (vgl. etwa Schmid/Frank, Asylgesetz 1997 (2001) 195 K 7) ist auf eine Fallgestaltung wie die hier vorliegende nicht übertragbar, was gegen eine solche Analogie spricht. Statt einer ergänzenden Befragung der Beschwerdeführerin, ob sie für diesen (in der ursprünglichen Erörterung dieser Frage nicht mitberücksichtigten) Fall auf eine Umdeutung verzichten und diesfalls die damit verbundene dreißigtägige Sperre für einen eigenen Asylantrag in Kauf nehmen wolle, konnte und musste es hier der freien Entscheidung der Beschwerdeführerin überlassen bleiben, ob und wann sie im Hinblick auf den Verlust der Aussichten auf einen Erfolg mit dem Asylerstreckungsantrag und in weiterer Folge nach dessen rechtskräftiger Abweisung einen eigenen Asylantrag stellen wollte.

Die belangte Behörde hätte den erstinstanzlichen Bescheid daher - statt ihn im Sinne einer Zurückweisung abzuändern - unverändert zu bestätigen gehabt. Der im Gesetz nicht gesondert geregelte Umstand des Todes des Asylantragstellers während des Verfahrens über beide Anträge hätte nur zur Folge gehabt, dass das hier endgültige Fehlen einer bescheidmäßigen Erledigung der Berufung des Ehemanns der Beschwerdeführerin einer rechtskräftigen Erledigung ihres Asylerstreckungsantrages nicht im Sinne der auf das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1998, Zl. 98/20/0311, gegründeten Judikatur entgegen stand.

Da die belangte Behörde dies nicht erkannt und eine inhaltliche Erledigung des Antrages der Beschwerdeführerin zu Unrecht verweigert hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. August 2007

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Inhalt der Berufungsentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006190101.X00

Im RIS seit

02.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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