TE Vwgh Erkenntnis 2007/8/28 2004/17/0085

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Veröffentlicht am 28.08.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/04 Sonstige Rechtspflege;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
GebAG 1975 §19 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des RL in K, vertreten durch Dax, Klepeisz & Partner, Rechtsanwaltspartnerschaft GmbH in 7540 Güssing, Europastraße 1, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. April 2004, Zl. Jv 1126-33/04, betreffend Bestimmung von Zeugengebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde in einem Verfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien für den 18. Februar 2004, 12:00 Uhr, als Zeuge geladen. Er kam dieser Zeugenladung nach und sprach - neben Reisekosten und Aufenthaltskosten - unter Vorlage eines Schriftstückes, in dem er erklärte, als Detektiv selbständig erwerbstätig zu sein und in seinem Betrieb mitzuarbeiten, als Entschädigung für Zeitversäumnis einen Verdienst- oder Einkommensentgang von 8 Stunden zu je EUR 12,10, somit für Zeitversäumnis einen Betrag von EUR 96,80, und insgesamt einen Betrag von EUR 136,10 an.

Mit Bescheid des Kostenbeamten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Februar 2004 wurden dem Beschwerdeführer die beanspruchten Kosten in voller Höhe zuerkannt.

Gegen diesen Bescheid, soweit dem Beschwerdeführer darin Entschädigung für Zeitversäumnis zugesprochen worden war, erhob der Revisor des Landesgerichtes für Strafsachen Wien Beschwerde. Laut Rückruf des Revisors bei Herrn W, dem Inhaber der Firma W, sei der Beschwerdeführer Geschäftsführer dieser Firma und stehe zu dieser im Angestelltenverhältnis. Gemäß § 8 Angestelltengesetz behalte der Angestellte seinen Anspruch auf Entgelt, wenn er durch wichtige, seine Person betreffende Gründe während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Ausübung seiner Dienste verhindert sei. Darunter sei etwa eine Woche pro Jahr zu verstehen. Daher stehe dem Beschwerdeführer keine Entschädigung für Zeitversäumnis zu.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Präsident des Landesgerichtes für Strafsachen Wien der Beschwerde des Revisors statt und forderte den Beschwerdeführer auf, den Betrag von EUR 96,80 binnen vierzehn Tagen auf ein näher bezeichnetes Konto zur Überweisung zu bringen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer am 18. Februar 2004 erklärt habe, als Berufsdetektiv selbständig erwerbstätig zu sein. Laut Rückruf des Revisors bei Herrn W, dem Inhaber der Firma W, sei der Beschwerdeführer Geschäftsführer dieser Firma und stehe als solcher im Angestelltenverhältnis.

Die Ladung als Zeuge vor Gericht sei ein wichtiger Grund, um während der Arbeitszeit an der Ausübung der Dienstpflicht gehindert zu sein. Da es sich im Beschwerdefall um einen Zeitraum von unter einer Woche handle, gebühre dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Angestelltengesetz ein Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Daraus folge allerdings, dass dem Beschwerdeführer kein Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Gebührenanspruchsgesetz 1975 zustehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstatte eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Das Bundesgesetz vom 19. Februar 1975 über die Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Geschwornen und Schöffen in gerichtlichen Verfahren und der Vertrauenspersonen (Gebührenanspruchsgesetz 1975 - GebAG 1975), BGBl. Nr. 136/1975 (§ 3 und 19 idF BGBl. Nr. 343/1989, §§ 17 und 18 idF BGBl. I Nr. 98/2001), lautet auszugsweise:

"I. ABSCHNITT

Anspruch

§ 1. Zeugen, Sachverständige, Dolmetscher, Geschworne und Schöffen haben für ihre Tätigkeit in gerichtlichen Verfahren, Vertrauenspersonen für ihre Tätigkeit in den im Geschwornen- und Schöffenlistengesetz vorgesehenen Kommissionen Anspruch auf Gebühren nach diesem Bundesgesetz.

...

Umfang der Gebühr

§ 3. (1) Die Gebühr des Zeugen umfasst

1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

2. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet.

...

Entschädigung für Zeitversäumnis

§ 17. Die Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 3 Abs. 1 Z. 2) bezieht sich, vorbehaltlich des § 4, auf den Zeitraum, den der Zeuge wegen seiner Vernehmung außerhalb seiner Wohnung bzw. Arbeitsstätte bis zur möglichen Wiederaufnahme der Arbeit verbringen muss.

     Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis

     § 18. (1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem

Zeugen

     1. 12,10 Euro für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für

die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,

     2. anstatt der Entschädigung nach Z 1

     a)        beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich

entgangene Verdienst,

     b)        beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich

entgangene Einkommen,

c) anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,

d) die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.

(2) Im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.

Geltendmachung der Gebühr

§ 19. (1) Der Zeuge hat den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen, im Fall des § 16 binnen vier Wochen nach Abschluss seiner Vernehmung, oder nachdem er zu Gericht gekommen, aber nicht vernommen worden ist, bei sonstigem Verlust schriftlich oder mündlich bei dem Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, geltend zu machen. Dies gilt für die Beiziehung zur Befundaufnahme durch den Sachverständigen (§ 2 Abs. 1) mit der Maßgabe sinngemäß, dass der Zeuge den Anspruch auf seine Gebühr bei dem Gericht geltend zu machen hat, das den Sachverständigen bestellt hat.

(2) Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen, hat der Zeuge die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, besonders durch Vorlage einer Bestätigung über den Verdienstentgang oder die Entlohnung eines Stellvertreters oder einer Hilfskraft, gegebenenfalls durch Vorlage einer von der zuständigen Dienststelle ausgestellten Bestätigung über die Höhe der sonst zustehenden Reisegebühren (§ 3 Abs. 2), zu bescheinigen.

(3) Auf seine Ansprüche und die allfällige Notwendigkeit des Beweises oder der Bescheinigung ist der Zeuge durch das Gericht in der Ladung aufmerksam zu machen. Dies gilt für den Sachverständigen bei dessen Einladung eines Zeugen (§ 2 Abs. 1) sinngemäß."

Der Beschwerdeführer macht unter anderem geltend, dass ihm im vorliegenden Verwaltungsverfahren insbesondere zu der vom Revisor telefonisch eingeholten Auskunft kein Parteiengehör eingeräumt worden sei. Die belangte Behörde bestreitet dies nicht und führt in ihrer Gegenschrift aus, dass es zutreffe, dass eine Anhörung des Beschwerdeführers nicht stattgefunden habe.

In der Beschwerde wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in keinem Dienstverhältnis zu dem Unternehmen W stehe und dass er als Selbständiger bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft versichert sei.

Der Beschwerdeführer hat zur Erfüllung seiner Obliegenheit nach § 19 Abs. 2 GebAG 1975 das zitierte Bestätigungsschreiben vom 18. Februar 2004 vorgelegt. Der belangten Behörde ist zwar zuzubilligen, dass die eingeholte telefonische Auskunft im Widerspruch zu der vorgelegten Bestätigung stand. Zur Beseitigung dieser Unklarheit wäre die belangte Behörde aber verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer die behördlich ermittelten Ergebnisse zur Kenntnis zu bringen und ihm die Möglichkeit einzuräumen, dazu Stellung zu nehmen und eventuell weitere Argumente und Beweise zur Stützung seines Anspruchs anzuführen (zur Notwendigkeit der Anwendung der allgemeinen Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens in der Verwaltung vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. März 1996, Zl. 95/17/0423, und vom 22. März 1999, Zl. 98/17/0286). Dieser Mangel ist auch wesentlich, weil nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht von vornherein gesagt werden kann, dass die ergänzenden Erhebungen zu keinem anderen Ergebnis geführt hätten.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. August 2007

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004170085.X00

Im RIS seit

22.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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