TE Vwgh Erkenntnis 2007/8/30 2004/21/0091

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Veröffentlicht am 30.08.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

ABGB §1151;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §37;
AVG §38;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Februar 2004, Zl. Fr 87/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 8 iVm Abs. 4 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Diese Maßnahme begründete sie damit, dass der Beschwerdeführer vor dem 24. Juli 2003 (ab diesem Zeitpunkt sei er in Österreich gemeldet gewesen) illegal in das Bundesgebiet eingereist sei. Sein Asylverfahren sei offen.

Anlässlich einer fremdenpolizeilichen Kontrolle sei am 17. September 2003 in einer namentlich genannten Kebab-Stube wahrgenommen worden, wie er hinter einer Schank Speisen zubereitet bzw. diese über die Theke gereicht habe. Es sei festgestellt worden, dass er über keinen aufenthaltsrechtlichen Titel verfüge und keine Beschäftigungsbewilligung habe vorweisen können. Sein Arbeitgeber Hüseyin Z sei nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG zur Anzeige gebracht worden. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2003 habe das Arbeitsmarktservice N mitgeteilt, dass keine Beschäftigungsbewilligung, die für die genannte Tätigkeit berechtigen würde, ausgestellt worden sei. Gemäß einer weiteren Anzeige sei er am 3. Oktober 2003 wieder in diesem Lokal beim Zubereiten von Speisen bzw. beim Servieren betreten worden. Hüseyin Z sei mit Straferkenntnis vom 24. November 2003 gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 iVm § 3 Abs. 1 AuslBG rechtskräftig bestraft worden.

Die belangte Behörde nehme unter Beachtung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer am 17. September und 3. Oktober 2003 einer Beschäftigung ohne erforderliche arbeitsmarktrechtliche Bewilligung nachgegangen sei. Seiner Behauptung, für seinen Schwager eine unentgeltliche Tätigkeit verrichtet zu haben, werde entgegengehalten, dass er entgeltwerte Gegenleistungen in Form einer kostenlosen Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung bezogen habe. Die Arbeiten seien durch Hüseyin Z in Auftrag gegeben worden, woraus folge, dass er in dieser Zeit in dessen Firma eingebunden und von seinem Arbeitgeber persönlich und wirtschaftlich abhängig gewesen sei. Entgegen den Berufungsausführungen, dass der Beschwerdeführer wegen eines Krankheitsfalles in der Familie nur ausgeholfen und kein Entgelt bezogen habe, liege in seinem Fall kein Gefälligkeitsdienst vor, weil die Arbeitsleistung nicht freiwillig erbracht worden sei. Dies deshalb, weil der Beschwerdeführer einen anderen Beschäftigten im Lokal vertreten habe und daher angehalten gewesen sei, anfallende Tätigkeiten auszuüben. Auch wegen der rechtskräftigen Bestrafung des Hüseyin Z sei ein Arbeitsverhältnis anzunehmen.

In der Folge begründete die belangte Behörde die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme mit dem großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" und beurteilte das Aufenthaltsverbot als zulässig im Sinn des § 37 FrG.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Berufung vorgebracht, dass er als Asylwerber im Haushalt der Inhaber der Kebab-Stube (bei seinem Schwager) lebe und sich moralisch verpflichtet gefühlt habe, wegen eines familiären Krankheitsfalles in der Kebab-Stube zu helfen. Es komme häufig vor, dass sich Menschen im Familienkreis wechselseitig aushelfen würden und dies bedeute keine Gefährdung der "nationalen Sicherheit, öffentlichen Ruhe und Ordnung".

Zur Qualifikation von Gefälligkeitsdiensten hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. Mai 2007, Zl. 2007/18/0197, zusammenfassend Folgendes dargelegt:

"Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. Juni 2004, Zl. 2003/18/0007, mwH) fallen Gefälligkeitsdienste nicht unter die bewilligungspflichtige Beschäftigung im Sinn des AuslBG. Als Gefälligkeitsdienste können kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden. Der Übergang von Gefälligkeitsdienst zu kurzfristiger Beschäftigung im Sinn des AuslBG ist fließend. Es ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, um einen Gefälligkeitsdienst annehmen zu können. So rechtfertigt etwa der Umstand der stundenweisen Aushilfe (in der Landwirtschaft und im Gastbetrieb) eines Ausländers, der bei einem Arbeitgeber freies Quartier und freie Kost hat, für sich allein nicht die Annahme einer Beschäftigung im Sinn des AuslBG. Auch die Mithilfe eines Dauergastes im Haushalt oder die Dienste eines Flüchtlings für Quartier und Kost können Gefälligkeitsdienste darstellen. Die Mithilfe eines Landsmannes oder die Dienste für eine ihm geleistete Gefälligkeit können Gefälligkeitsdienste darstellen. Bedenken sind dort angebracht, wo die Tätigkeit in einem Gewerbebetrieb erfolgen soll. Wesentlich ist in einem solchen Fall die Freiwilligkeit der Leistung, wobei Freiwilligkeit in diesem Zusammenhang dann anzunehmen ist, wenn nicht versteckter oder offener Zwang vorliegt."

Zu der zitierten Feststellung im angefochtenen Bescheid über die fehlende Freiwilligkeit der Tätigkeit des Beschwerdeführers ist die belangte Behörde in unschlüssiger Beweiswürdigung gelangt. Diesen Schluss zog sie nämlich daraus, dass der Beschwerdeführer "quasi einen anderen Beschäftigten im Lokal vertreten" habe und am 3. Oktober 2003 neuerlich bei der gleichen Tätigkeit betreten worden sei. Allein deswegen kann jedoch die Leistungserbringung in Erfüllung einer "sittlichen Pflicht" nicht verneint werden. Eine solche Arbeitserbringung im Rahmen einer "familiären Solidarität" kann gerade dann angenommen werden, wenn etwa ein beschäftigungsloser Asylwerber für seinen Bruder tätig ist, der jahrelang seinen Lebensunterhalt beistellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2006, Zl. 2004/09/0217). Diesen behaupteten Umstand, dass nämlich Hüseyin Z aus familiären Gründen dem Asyl werbenden Beschwerdeführer Unterkunft und Verpflegung bereitgestellt habe, hat die belangte Behörde in ihre Erwägungen nicht einbezogen. Dieser Verfahrensfehler ist relevant, weil bei einer Tätigkeit im Rahmen einer "familiären Solidarität" der kostenlosen Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung kein Indiz mehr für ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zukommt. Dass die Tätigkeit in einem Gewerbebetrieb erfolgt, hindert für sich nicht die Annahme eines unentgeltlichen freiwilligen Gefälligkeitsdienstes. (Vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2006.)

Letztlich ist anzumerken, dass keine Bindung der belangten Behörde an die rechtskräftige Bestrafung des Hüseyin Z wegen Übertretung des AuslBG in Bezug auf das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer bestand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0237).

Da somit der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet ist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Umfang - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. August 2007

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004210091.X00

Im RIS seit

16.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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